Interview mit Freya Dawn
Literatopia: Hallo, Freya! Kürzlich ist Dein düsterer Urban-Fantasy-Roman „Touch of Dust and Decay – Schattenseele“ bei Piper erschienen. Was erwartet die Leser*innen in den dunklen Ecken Londons?
Freya Dawn: Hallo Judith :-) Oh, in den dunklen Ecken Londons lauern die Schatten. Eigentlich wäre es besser für die Leser, nicht so genau hinzusehen, aber dann würden sie so viel Magisches verpassen …
Literatopia: Stell uns Deine Protagonistin Willow kurz vor: Was zeichnet ihren Charakter aus? Und über welche Art von Magie verfügt sie?
Freya Dawn: Willow ist anders. Eine Eigenbrötlerin. Sie steht auf Stricken, 80er Hits und trägt am liebsten abgewetzte Chucks und violettes Haar. Aktuell lebt sie auf einem löchrigen Hausboot auf dem Regents Canal in London in einer WG mit dem Flusswasser, weil sie von einem Makler aufs Korn genommen wurde. Zu Beginn weiß sie noch nichts von ihrer Begabung. Später in der Geschichte stellt sich dann heraus, dass sie in der Lage ist, ihre Seele in andere Wesen schlüpfen zu lassen. Deshalb ist sie ein wichtiges Glied in der Kette, wenn es auf die Jagd nach dem dunklen Midas geht.
Literatopia: Erzähl uns mehr über den mysteriösen Clay, der Willow beobachtet – das klingt erst einmal etwas creepy? Wer ist er? Und was empfindet er für Willow?
Freya Dawn: Ja, Clay ist etwas ganz Besonderes … Ein tödlicher Jäger, geschickt, um Midas zur Strecke zu bringen. Er ist der Einzige, der das kann. Und er hat Vergangenheit mit Midas … Mehr kann ich dazu nicht sagen, ohne zu spoilern. Oh, und … naja, Willow hat ein wenig ein Auge auf ihn geworfen, was eine ganz miese Idee ist …
Literatopia: Wer gehört zu der „bunten Gruppe an Sonderlingen“, die Willow dabei helfen, denjenigen zu finden, dessen Berührung tötet?
Freya Dawn: Natürlich Mr. Hunt, der gefühlt 200-jährige Besitzer des mysteriösen Buchladens Hunting Adventures, um den sich die Wurzeln dieser Geschichte ranken.
Kaja, die Femme Fatale, die das Wetter bewegen kann.
Melio, der zarte, hellhäutige Elf, dessen Visionen durch das Trinken von Blut hervorgerufen werden.
Dwarik, der traurige Nordling, dessen Geliebte ihn kürzlich verließ.
Und der düstere, wortkarge Clay, der Jäger, der den tödlichen Schlag durchführen soll.
Literatopia: Dein Antagonist Midas ist „unsagbar böse und zerbrochen“ – würdest Du uns das näher erläutern?
Freya Dawn: Meine Antagonisten, die „Bösen“, sind in der Regel nicht einfach nur böse. Sie haben Vergangenheit. Sie haben Gründe, warum sie zu dem geworden sind, was sie sind. So auch Midas. Er war einmal der König von Arkinow, der Lichtbringer. Bis seine Gabe dunkel wurde und er nach blutiger Rache sinnte. Aber auch dazu kann ich nicht mehr sagen, ohne zu viel zu verraten.
Literatopia: London ist Deine „Herzensstadt“ – warum? Was fasziniert Dich an der Metropole?
Freya Dawn: Wenn es die Zeit zulässt, bin ich mehrfach im Jahr in London. In der Regel 1-2 Mal. London hat für mich einen ganz besonderen Charme. Diese Mischung aus alt (Tower, Tower Bridge, Big Ben, …) und neu (The Shard, the Gherkin, …), wie es sich perfekt ergänzt und nebeneinander existiert, fasziniert mich. Genau wie all die alten Pubs, die kreativen Läden, die shabby chic-Clubs, die Legenden, der Herzschlag der Stadt, die Menschen. Die Stadt atmet auf eine ganz besondere Art und ich atme unheimlich gern mit ihr.
Literatopia: Das Schreiben von „Touch of Dust and Decay – Schattenseele“ war eine emotionale Achterbahnfahrt für Dich. Welche Szenen haben Dich besonders zum Lachen und Weinen gebracht?
Freya Dawn: Die verzweifelte Liebe zwischen Clay und Willow, die so furchtbar zum Scheitern verurteilt ist, hat mir mehrfach das Herz gebrochen. Die liebevolle Freundschaft, die sich zwischen Willow und dem alten Mr. Hunt entwickelt, hat es wieder geflickt. Und der Sturm, den Midas entfacht, hat mich mitgerissen. Und weinen … das muss ich immer, wenn ich das Wort Ende unter eine Geschichte setze und hoffentlich hört das nie auf.
Literatopia: Du sagst, dass oft an den „unscheinbarsten Orten die größte Magie lauert“ – wo zum Beispiel?
Freya Dawn: Wenn du das fragen musst, hast du noch nicht genau genug hingesehen ;-)
Literatopia: In Deiner Kurzbiografie heißt es, Du hättest schon geschrieben, als Du noch gar nicht schreiben konntest. Woher kommt Deine Liebe zu Geschichten?
Freya Dawn: Ja, ich hatte tatsächlich schon Geschichten im Kopf, als ich noch nicht schreiben konnte. Meine Oma musste sie aufschreiben und ich habe Bilder dazu gemalt. Meine Liebe zu Geschichten ist unendlich. Sie zeigen auf, dass es so viel mehr gibt, beinhalten neue Freunde, heftige Lieben, ganze Welten, Galaxien und Universen. Für mich ist das Schreiben fast schon ein spiritueller Prozess. Ich erfinde die Geschichten nicht, sie werden mir erzählt und ich schreibe nur mit. Ich habe nur noch nicht herausgefunden, wer mir all das einflüstert …
Literatopia: Wovon handelten Deine ersten selbstgeschrieben Geschichten? Und wer hat sie damals lesen dürfen?
Freya Dawn: Oh, von Büchern, in die meine Hauptfiguren gezogen wurden. Sie landeten dann auf alten Piratenschiffen oder in magischen Schlössern. Einmal gab es sogar ein Crossover zu Jurassic Park :-D Lesen durften (und wollten :D) es damals nur meine Familie und meine allerengsten Freunde.
Literatopia: Wann war für Dich klar, dass Du nicht nur schreiben, sondern auch veröffentlichen willst? Und wie bist Du dann vorgegangen?
Freya Dawn: Eigentlich war es schon immer mein Traum, auch zu veröffentlichen. Auf meinen Reisen habe ich damals Tagebuch geschrieben und auf meiner ersten Kreuzfahrt in die Karibik hat sich meine Familie beim Vorlesen vor Lachen gekringelt und meine Eltern sagten: „Eigentlich musst du das veröffentlichen, das ist so herrlich, so etwas gehört nicht in die Schublade.“ Mein erstes Selfpublishingwerk Mission Kreuzfahrt entstand. Das war 2016 und unheimlich aufregend. Jetzt, 7 Jahre später ist Buch Nummer 20 beim Piper-Verlag erschienen und meine Aufregung bei Veröffentlichungen ist vielleicht nicht mehr ganz so wild, aber trotzdem noch fast ungebrochen.
Literatopia: Du bist ausgebildete Drehbuchautorin und Lektorin. Würdest Du sagen, das ist beim Schreiben grundsätzlich hilfreich – oder manchmal auch schwierig?
Freya Dawn: Ich finde es tatsächlich sehr hilfreich. Dadurch schreibe ich sehr „filmisch“ und genau das wird mir von den Lesern immer wieder lobend gesagt.
Literatopia: Du hast bereits in vielen Jobs mit Menschen gearbeitet, zum Beispiel in der Gastronomie. Inwiefern helfen Dir die Erfahrungen bei der Entwicklung vielschichtiger Charaktere?
Freya Dawn: In der Gastronomie an der Bar und als Kellnerin habe ich die größte Menschenkenntnis erlangt. Du lernst so viele Charaktere kennen, hörst so unendlich viele Lebensgeschichten, triffst gebrochene und überglückliche Menschen. Betrogene, verliebte, rachsüchtige und gütige, selbstlose Menschen. Ich habe mich immer gern ins Getümmel geworfen und die Leute besser kennengelernt, die an der Bar saßen. All diese Facetten haben mir auch selbst viel übers Leben beigebracht und ließen viel Farbe und Vielschichtigkeit in meine Gedanken. Und das hilft natürlich ungemein, beim „Bauen“ glaubwürdiger Welten.
Literatopia: Würdest Du uns abschließend einen Ausblick auf zukünftige Veröffentlichungen geben? Woran schreibst Du gerade?
Freya Dawn: Über Weihnachten habe ich bei der Agentur Keil&Keil unterschrieben, bei der ich den jährlichen Phantastikliteraturwettbewerb 2023 gewonnen habe.
Aktuell schreibe ich an einem Zeitreise-Wikingerprojekt voller Intrigen, wilder Gefühle und einer Protagonistin, die definitiv ihresgleichen sucht. Mein Agent und ich werden also erst einmal schauen, dass wir das Schätzchen gut vermittelt bekommen.
Danach ist eine Biker-Trilogie mit Sophie Moore (meinem Dark Romance-Pseudonym) geplant, eine Fortsetzung von Bite me deeply, meinem Vampirroman und ein Spinoff zu Underground Bastards mit Sophie Moore. Außerdem habe ich um Weihnachten 2024 ein Gemeinschaftsprojekt mit vier ganz wundervollen anderen Autorinnen in Planung.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!
Freya Dawn: Ich habe zu danken. Die Fragen waren unheimlich spannend. :-)
Fotos: Copyright by Freya Dawn
Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.