Der Ausbruch des Phantastischen (Oliver Bidlo)

Oldib Verlag (Dezember 2023)
Taschenbuch
172 Seiten, 15 Euro
ISBN 978-3-910869-04-2

Genre: Sachbuch


Klappentext

Die Bedeutung des Phantastischen in der Gegenwart erschließt sich längst nicht mehr nur über seinen Unterhaltungswert. Phantastik ist nie nur eine bloße Widerspiegelung der uns bekannten Realität, sondern erweitert, unterminiert sie und bringt sie mitunter subversiv ins Wanken. Fantasy – und in einer weiten Fassung die Phantastik, die dann die Science Fiction und den Horror miteinschließt – und das Wissen in, von und über Fantasy können heute nicht allein als ein rein imaginäres Produkt betrachtet werden. Sie brechen vielmehr aus ihrem imaginären Gefängnis über den Brückenkopf des Lesers aus in die intersubjektiv geteilte Wirklichkeit.


Rezension

„Der Ausbruch des Phantastischen“ schildert die Arten, auf die Phantastik mittlerweile in vielen verschiedenen Lebensbereichen angekommen ist, und die Vielzahl an Wegen, auf denen Menschen mit ihr interagieren. Teilweise wirke sie sogar ganz greifbar die materielle Welt ein, wenn Leute beispielsweise Gegenstände aus Fantasy-Medien nachbauen. Mehrfach wird betont, dass die Phantastik ein medienübergreifendes Genre ist und dass das Publikum keineswegs nur passiv mit ihr interagiert, sondern sich phantastische Geschichten kreativ aneignet.

Besonders spannend fand ich persönlich den Aspekt der Phantastik als Quelle von Symbolen, Werten, Deutungsmöglichkeiten und Rollenangeboten, die auf die Realität zurückwirken (was ja auch der zentrale Inhalt ist), und hätte mir hier tatsächlich ein paar ausführlichere Kapitel und aktuelle Beispiele gewünscht. Bidlo präsentiert spannende Beobachtungen und Ideen, geht dann aber sehr schnell zum nächsten Thema weiter.

Zwei Schwerpunkte des Buches sind KI – zum einen die Anwendung von literaturwissenschaftlichen Deutungsstrategien auf KI, zum anderen, dass eine Form des „Ausbruchs“ des Phantastischen ein Einfließen von phantastischer Literatur in LLMs ist – sowie Wissen und Wissensformen in der Phantastik. Letzteres wird in detailliert am Beispiel des „Herrn der Ringe“ dargestellt.

„Der Ausbruch der Phantastik“ ist auch ohne großes Vorwissen weitestgehend verständlich, allerdings handelt es sich definitiv nicht um ein populärwissenschaftliches Sachbuch. Stilistisch bewegt sich das Buch näher an einer wissenschaftlichen Arbeit und es hilft bei der Lektüre, schon mal Berührung mit Literaturwissenschaften oder Soziologie gehabt zu haben. Ein kleiner Kritikpunkt: Hier und da sind ein paar Tippfehler im Buch verblieben und zumindest ein Flüchtigkeitsfehler: An einer Stelle wird „Frankenstein“ fälschlicherweise Bram Stoker zugeordnet.


Fazit

„Der Ausbruch des Phantastischen“ ist eine literatursoziologische Perspektive auf die Rolle, die Fantasy (im weiteren Sinne) in der Gesellschaft einnimmt. Das Buch argumentiert, dass sie längst kein Nischendasein mehr führt, sondern mittlerweile von einem Großteil der Gesellschaft rezipiert wird und in diese hineinwirkt. Es ist ein Buch mit vielen spannenden Impulsen und stellt den Lesenden durch Zitate und Bezugnahme auch weitere Forschende vor, die ihrerseits interessante Ideen zu Gesellschaft, Literatur und Phantastik haben. Allerdings hätte ich mir hier und da mehr Ausführlichkeit gewünscht - mehrere interessante Ansätze werden meiner Meinung nach nicht weit genug verfolgt oder hätten ausführlicher mit Beispielen illustriert sein können. Der Text ist eher auf der anspruchsvoll-akademischen Seite.


Pro und Contra

+ Viele interessante Gedanken und Ansätze
+ Letztes Kapitel als willkommener Überblick
+ Gut gewählte Texte, auf die Bezug genommen wird

o eher anspruchsvoll

- hier und da wären eine ausführlichere Auseinandersetzung und mehr greifbare Beispiele gut gewesen

Wertung: 

Aktualität: 4/5
Informationsgehalt: 4/5
Verständlichkeit: 3,5/5
Preis-Leistung: 3,5/5