Maigret im Haus der Unruhe (Georges Simenon)

maigret

Kampa Verlag (2019)
Originaltitel ‏: ‎ La maison de l'inquiétude
übersetzt von Thomas Bodmer
Gebundene Ausgabe, 224 Seiten, 17,90 EUR
ISBN: 978-3311130000

Genre: Krimi


Rezension

"Es ist spät, der Quai des Orfévres ist verwaist. Nur bei Kommissar Maigret bullert noch der Ofen. Da bekommt er überraschend Besuch: Eine junge Frau bekennt sich eines Mordes für schuldig - und ist dann plötzlich verschwunden. Maigret wird sie wiederfinden - in einem `anständigen´ Haus in einem Vorort von Paris, in dem alle etwas zu verbergen haben und alle Angst haben. Denn ein Mieter ist tot - er wurde ermordet," berichtet der hintere Buchklappentext als Inhaltsangabe.

Daniel Kampa fügt das Essay "Die Legende von der einfachen Geburt: Wie Maigret wirklich zur Welt kam" am Ende des Buches bei. Hier erfährt der Leser, wie es zur Entstehung dieses "Bandes O", quasi als Vorläufer der offiziellen chronologischen Reihenfolge der Maigret-Kriminalromane gekommen ist. "Die Entwicklung der Figur Maigret lässt sich in insgesamt vier „Maigret-Protoromanen“ nachvollziehen. Gemein haben sie alle, dass sie unter Pseudonym als Groschenromane veröffentlicht wurden. Die ersten beiden, "Train de Nuit" und "La femme rousse" werden noch als rührselige Liebesgeschichten, bei denen Maigret nur eine Nebenrolle spielt, allerdings bereits als jener „Schicksalsflicker“, als der er später berühmt werden sollte, beschrieben. Im dritten Roman "La femme rousse" ist die Kriminalhandlung wichtiger geworden, doch Maigret steht noch im Schatten seines Assistenten Torrence. Erst der vierte und letzte „Proto-Maigret“ "La maison d’inquiétude" (also dieser hier) ist ein echter Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt von Anfang bis Ende ein Kommissar Maigret steht, der bereits viel Ähnlichkeiten mit der späteren Serienfigur hat," ist in der Sekundärliteratur zu lesen. Als Entstehungszeit wird das Jahr 1929 angegeben.

Dass "Maigret im Haus der Unruhe" nicht zum Auftakt der Maigret-Reihe wurde, liegt an Simenons Hausverlag Fayard. Der lehnte nämlich die Publikation ab und nahm erst zwei Monate später Maigret und Pietr der Lette als ersten Maigret-Roman an, wenn auch mit großen Bedenken bezüglich der Publikumstauglichkeit der zu gewöhnlichen Hauptfigur und dem fehlenden Rätselelement in Simenons Krimis. "La maison d’inquiétude" musste im März 1930 unter Pseudonym als Fortsetzungsroman in der Zeitung "L’Œuvre" sowie zwei Jahre später als Buchausgabe bei J. Tallandier erscheinen. Der Titel wurde der Sekundärliteratur zufolge kein großer kommerzieller Erfolg. Dies führte dazu, dass Simenon fortan Maigrets ersten eigenständigen Kriminalfall unter den Tisch fallen ließ und im Rückblick stets "Pietr-le-Letton", einen besser ausgearbeiteten und stilistisch typischeren Roman, als ersten Maigret-Roman ausgab.

Und was ist nun tatsächlich von dem vorliegenden und hier besprochenen Kriminalroman zu halten? Die Grundzüge der Simenon`schen Erzählweise sind hier für den Kenner schon erkennbar. Maigret steht im Mittelpunkt. Er arbeitet allein, für sich und erfolgreich. ER ist in einer "brigade mobile" eingesetzt. Maigret interessiert sich weniger für forensische Fakten (als andere Kommissare) und verläßt sich auf seine Intuition. Kniffe wie Schlafwandeln, Suggestion und Wahnsinn werden in den späteren Geschichten dann nicht mehr vorkommen.


Fazit

Wie würde ein Fazit zu diesem Buch aussehen? Die Geschichte ist lesenswert weil:unterhaltend geschrieben; das Essay lesenswert weil: informativ - es trägt deutlich zum Verständnis von Handlung, Entstehungsgeschichte und Einordnung des Buches bei.


Dies ist eine Gastrezension von Andreas Rüdig. Herzlichen Dank.