A Midsummer's Nightmare (Noah Stoffers)

 

Droemer Knaur (Februar 2024)
Paperback, 400 Seiten, 16,99 EUR
ISBN: 978-3-426-53017-7

Genre: Dark Academia / Contemporary Fantasy / Mystery


Klappentext

Der schottischen Insel Hilma steht ein Sommer wie kein anderer bevor: Die Studierenden der altehrwürdigen Elite-Universität proben wie jedes Jahr die Aufführung eines Stücks von Shakespeare. Doch währenddessen entdecken vier Mitglieder der Theatergruppe ihre übernatürlichen Fähigkeiten – und den rachsüchtigen Geist eines Mädchens, gefangen im Gemäuer der Universität. Rivalitäten, romantische Gefühle und Leistungsdruck verblassen endgültig, als die vier herausfinden, dass nichts ist wie es scheint. Nur wenn es ihnen gelingt, sich ihren inneren Dämonen zu stellen, werden sie sich retten können …


Rezension

Ari steht im letzten Trimester deren Studiums einiges bevor: Das Lernen für die Prüfungen gestaltet sich schwierig, während Ari gleichzeitig für die Rolle als Oberon in Shakespeares "Sommernachtstraum" üben, gegen queerfeindliche Strukturen ankämpfen und sich deren Gefühle für deren besten Freund Ren eingestehen muss. Und dann beginnt Ari auch noch Geister zu sehen! An einem Abend am Strand, an dem sich die Studierenden Gruselgeschichten erzählen, sieht Ari die Geister dreier ehemaliger Studierender, die unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. Ari hält dies zunächst für einen bösen Scherz, doch bald erscheinen weitere Geister wie der Gründer des Elitecolleges und ein Mädchen, das sich mal als altmodische Schönheit und mal grausam entstellt zeigt. Dafür kann nur der Stress verantwortlich sein, glaubt Ari, doch dann verwandelt sich Ren in ein Wesen aus Feuer und Rauch. Die beiden sind nicht die einzigen, die übernatürliche Fähigkeiten entwickeln, und bald sind ihre Leben Gefahr ...

"A Midsummer's Nightmare" hat mit Ari eine nicht-binäre, trans maskuline Hauptfigur (Pronomen: dey), die mit ähnlichen Problemen wie andere Studierende kämpft: Prüfungsstress, Versagensängste, Gefühle, die endlich gelebt werden wollen. Obendrauf kommen alltägliche Probleme der nicht-binären Identität, die binäre Menschen meist gar nicht auf dem Schirm haben: Ari schläft in einem Gästezimmer, weil die Wohnbereiche im College nach Geschlechtern getrennt sind und zwar nur in jeweils einen Bereich für Frauen und einen für Männer. Ari passt da nirgends hinein, soll aber im Laufe der Handlung in den Frauenbereich ziehen. Eine Horrorvorstellung für Ari. Dey erhält immerhin Unterstützung von einer Dozentin, einer queeren Gruppe im Nachbarort und deren Freund*innen. Ari wird regelmäßig misgendert und auch der Deadname wird immer wieder mal benutzt, jedoch im Roman nie genannt. Noah Stoffers stellt die alltäglichen Kämpfe nicht-binärer Menschen aus eigener Erfahrung authentisch dar, macht sie jedoch nicht zum Kernthema des Romans. Ari wird im Verlauf der Handlung sicherer in derer Identität, steht für sich selbst ein und findet kreative Lösungen für Probleme, die andere nicht sehen und anerkennen wollen. Dabei erhält dey Unterstützung von Ren, aber auch anderen Kommiliton*innen, die zu einer magischen, verschworen Gemeinschaft zusammenwachsen.

Ren ist für Ari sehr wichtig, die beiden funken auf einer Welle und verstehen, was der jeweils andere braucht. Ren erscheint ruhiger und gefestigter als Ari, beinahe wie der klischeehafte Fels in der Brandung, doch in ihm steckt auch Feuer. Anfangs erinnert er sich nicht daran, sich in eine magische Kreatur verwandelt zu haben, doch ebenso wie Ari arbeitet Ren daran, seine Fähigkeit bewusster zu steuern. Dann wäre da noch Rayna, die indische Wurzeln hat und gegen Rassismus kämpft, und ähnlich wie Ren sehr selbstbewusst auftritt. Sie beherrscht quasi das Element Luft. Jamie ist am College bekannt für seine bitterbösen Scherze und stammt aus einer reichen Familie mit großem Einfluss. Er erscheint zunächst wie eine Art Klassenclown, doch hinter seiner charmanten Fassade verbirgt sich so manches Geheimnis. Und er kann nicht lügen. Ren, Rayna und Jamie haben ebenfalls Rollen im "Sommernachtstraum", die sehr gut zu ihrem jeweiligen Charakter passen. Die anderen Mitglieder der Theater AG bleiben dagegen blass, ebenso wie die meisten anderen Studierenden.

Ari und deren Freund*innen verstehen zunächst nicht, was mit ihnen passiert, doch sie alle akzeptieren die Magie in ihrem Leben sehr schnell. Sie bemühen sich zwar, ihre neu entdeckten Fähigkeiten zu verstecken, tauschen sich jedoch untereinander unter anderem über ein Trello-Board aus. In der Fantasy wird das Magische oft schnell hingenommen, doch meist wirkt dies etwas unglaubwürdig, so auch hier. Andererseits würde die Geschichte anders kaum funktionieren, wobei insbesondere Ari hätte mehr mit deren Fähigkeit, Geister zu sehen, hadern dürfen. Immerhin gibt es hier einige gruselige Begegnungen, einige davon auch skurril und manche sogar schön. Noah Stoffers gelingt es allerdings nicht ganz, die Balance zwischen düsterer Fantasy und Dark Academia zu halten. Die Fantasyelemente gehen neben den Collegethemen unter und auch die geplante Inszenierung des "Sommernachtstraums" bekommt zu wenig Raum zur Entfaltung. Man wird zwar immer wieder daran erinnert, dass Ari und die anderen für das Stück üben, aber es will nicht lebendig werden.

Das Setting auf einer (fiktiven) schottischen Insel in einer alten Burg sowie die mysteriösen Umstände und Bedrohungslage erinnern an die Netflix-Serie "Wednesday", wobei sich in "A Midsummer's Nightmare" die magischen Wesen, zu denen auch Ari und deren Freund*innen gehören, verbergen müssen. Erst die Erkenntnis, dass es auch andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen gibt, bringen Ari und die anderen in ihren Nachforschungen voran. Davor tappen sie lange im Dunkeln, beschäftigen sich mit alten Feenmythen und der Geheimgesellschaft "Blood & Salt". Ihre Situation spitzt sich dabei langsam zu, denn was anfangs wie unglückliche Zufälle wirkt, wird bald Gewisstheit: jemand trachtet ihnen nach dem Leben. Die Spannung steigt kontinuierlich an, allerdings zu lange relativ flach. Erst im letzten Drittel wird es richtig dramatisch und düster. Auch erfährt man recht spät, was es mit den übernatürlichen Fähigkeiten auf sich hat, doch die Auflösung ist gelungen und lässt Raum für eigene Spekulationen.


Fazit

"A Midsummer's Nightmare" ist ein reizvoller Mix aus Dark Academia und düsterer Fantasy, geheimnisvoll und progressiv erzählt. Noah Stoffers verwebt eine Vielzahl an Themen zu einer phantastischen Geschichte über Identität, Solidarität und Freundschaft/Liebe. Es hätte allerdings noch ein wenig phantastischer sein dürfen.


Pro & Contra

+ stimmungsvolles Setting auf einer fiktiven schottischen Insel
+ Ari als Protagonist*in ist supersympathisch und wächst spürbar
+ die innige Beziehung zwischen Ari und Ren
+ die selbstbewusste Rayna und der charmante, neckische Jamie
+ spannende phantastische Elemente
+ geheimnisvoll und angenehm düster
+ Feenmythen

- Ari und deren Freund*innen akzeptieren die Magie zu schnell
- oft blasse Nebenfiguren

Wertung: sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit Noah Stoffers (2024)

Rezension zu "Berlin - Rostiges Herz"

Rezension zu "Berlin - Magische Knochen"

Tags: queere Figuren, nicht-binäre Autor*innen, progressive Phantastik, own voice, Shakespeare, Dark Academia, Noah Stoffers