Ryan Rockwell (30.04.2024)

Interview mit Ryan Rockwell

ryan rockwellLiteratopia: Hallo, Ryan! Kürzlich ist Dein neuer SF-Roman „Existenz – Das Mars-Paradox“ erschienen. Dein Protagonist Nick erwacht ohne Erinnerung an die letzten Tage auf der ersten und einzigen Marsstation. Was erwartet ihn dort?

Ryan Rockwell: Ihn erwartet neben der Lebensfeindlichkeit des Mars auch ein totes Teammitglied. Alles deutet darauf hin, dass es ermordet worden ist. Nick ist zusammen mit nur vier anderen Menschen auf dem roten Planeten und das macht die ganze Sache besonders bedrohlich, denn potentiell ist einer von ihnen der Mörder.

Literatopia: Was ist Nick für ein Mensch? Was qualifiziert ihn für die Arbeit auf dem Mars? Und wie geht er mit seinem Gedächtnisverlust um?

Ryan Rockwell: Nick ist als Sicherheitsingenieur für die Aufrechterhaltung der technischen Infrastruktur zuständig, aber auch für den Sicherheitsaspekt im Zwischenmenschlichen. Sein ruhiges Naturell, sein nüchterner Blick auf die Dinge und sein Vertrauen auf Protokolle qualifizieren ihn für seine Tätigkeit. Der Gedächtnisverlust allerdings bringt auch ihn an den Rand seiner Kräfte. Und im Lauf der Geschichte erkennt er, dass Protokolle und Trainingseinheiten nur bedingt all die Gefahren und Risiken einer solchen Mission beseitigen können.

Literatopia: Würdest Du uns die anderen handlungsrelevanten Figuren kurz vorstellen?

Ryan Rockwell: Ohne viel zu spoilern, sicher. Therese ist die Neurowissenschaftlerin der Mannschaft. Ace ist technische Leiterin. Maricara ist Technikerin und Rina die Kommandantin. Alle Figuren reagieren individuell auf den Gedächtnisverlust. Die Geschichte wird aus Nicks Perspektive erzählt, wodurch man einen Einblick auf sein Innenleben erhält. Dass man dies bei seinen Kolleginnen nicht hat, macht die Sache besonders spannend, denn man sieht nur ihre Oberfläche, welche durch den Gedächtnisverlust ein verzerrtes Abbild der eigentlichen Persönlichkeit ist, die der Lesende nicht kennt.

Literatopia: In „Das Mars-Paradox“ gibt es eine Technologie, die Erinnerungen bearbeiten/korrigieren kann. Erzähl uns mehr darüber: wie funktioniert das? Und warum wird diese Technik bei der Marsmission eingesetzt?

Ryan Rockwell: Genau, es gibt die fiktive Technologie AMBER. Sie ist eine Software zur Evaluierung und Korrektur von Erinnerungen. Was nach Gehirnwäsche klingt, soll verhindern, dass durch starke Emotionen Erinnerungen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, welche die Persönlichkeit so verändern, dass dadurch eine Gefährdung des Teams oder der Mission entsteht. Es gibt keinerlei vergleichbare Erfahrungen, wie Menschen auf einer so langen Reise durch das All reagieren, wie sich dadurch ihr Bewusstsein und ihr Wesen verändern können. Diesen Aspekt habe ich aufgegriffen, um im Roman AMBER zu implementieren. Ich bin gespannt, wie zukünftige bemannte Marsmissionen mit dieser Problematik umgehen werden.

Literatopia: Nick ist einer von wenigen Männern, die zum Mars geschickt wurden. Sonst wählt man bevorzugt Frauen aus – warum? Und was muss noch beachtet werden, wenn man Menschen zu unserem Nachbarplaneten schicken will?

Ryan Rockwell: Ursprünglich habe ich die Geschichte mit einer geschlechtlich ausgeglichenen Mannschaft geplant. Dann habe ich allerdings von einer Studie der ESA gelesen, in der es darum geht, dass Frauen die bessere Option für Langzeitmissionen im All seien. Die Idee fand ich spannend und habe sie in der Geschichte umgesetzt.

Ansonsten muss sehr viel beachtet werden, wenn man Menschen zum Mars schickt. Den interessantesten Aspekt finde ich persönlich, dass man nicht alles abdecken kann, und am Ende ein großes Risiko bleibt, dass die Astronauten es nicht zurück zur Erde schaffen.

Hier ist der Link zur Astronauten-Studie: https://www.swr.de/wissen/esa-studie-frauen-bessere-astronauten-100.html

dimension aufbruch nach aurigaLiteratopia: Wie viel hast Du recherchiert, um den Mars möglichst realistisch darzustellen? Und was fasziniert Dich persönlich an dem roten Planeten?

Ryan Rockwell: Einer meiner früheren Romane spielt teilweise auf dem Mars, von daher brauchte ich mein Wissen in dieser Hinsicht nur ein bisschen auffrischen. Ich habe dennoch vorbereitend viel über Oberflächenbeschaffenheit, Schwerkraft, Wind und Atmosphärendruck recherchiert. Mich persönlich fasziniert vor allem, dass der Mars so unspektakulär und karg ist. Ich persönlich würde nicht hinfliegen.

Literatopia: „Existenz“ ist bereits Dein siebzehnter SF-Roman. Was fasziniert Dich an dem Genre?

Ryan Rockwell: Ich selbst lese gern SciFi. Und dass ich in dem Genre schreiben kann, dass ich selbst gern mag, ist großes Glück. An SciFi mag ich vor allem das Setting und die Ideen hinter den Geschichten.

Literatopia: Welche SF-Werke/-Autor*innen haben Dein Schreiben beeinflusst?

Ryan Rockwell: Mein Schreiben beeinflusst haben einige Klassiker von Wells, Huxley, Crichton, Bradbury aber auch Sachen von den Strugatzkis, Andreas Eschbach und Jeff Vandermer. Obwohl ich durch mein Schreiben abends wenig Lust zum Lesen von Romanen habe – meist lese ich Fachartikel – möchte ich in Zukunft mehr von SF-Autorinnen lesen.

Literatopia: Dein erster Roman „Neobiota – Der Ausbruch“ ist 2021 erschienen. Wie hast Du es geschafft, in knapp drei Jahren sechzehn weitere Romane – als dreifacher Familienvater! – zu schreiben?

Ryan Rockwell: Bücher schreibe ich seit 2016 schon, aber die vier unter meinem richtigen Namen erschienen Werke plus einem Comic, einem Bildband, einiger Kurzgeschichten und einem Kinderbuch habe ich davor in gemütlicher Abfolge veröffentlicht. Als Ryan schreibe ich ausschließlich Science-Fiction. Als Selfpublisher bin ich darauf angewiesen, schnell zu veröffentlichen, um den Lesedurst der SF-Fans zu stillen. Mir ist bewusst, dass ich recht schnell schreibe, dennoch bin ich weit von den produktiven Pulp-Autoren entfernt, die im Jahr locker die Marke von 1 Million Wörtern knacken.

Neben der Unterstützung durch meine Frau - wir teilen uns die Care-Arbeit 50/50 – habe ich einen knallharten Produktionsplan und eine gute Disziplin. Ich kann immer nur vormittags schreiben, wenn die Kinder nicht im Haus sind und dann schaffe ich meist 2000 bis 3000 Wörter. Plus Marketing, Plotten, Coverdesign und meinen Online-Shop. Am Wochenende habe ich frei, wie jeder andere Mensch.

neobiota der ausbruchLiteratopia: Du bist überzeugter Selfpublisher – warum? Welche Vorzüge hat das Selfpublishing für Dich?

Ryan Rockwell: Mein Kinderbuch kam damals bei einem kleinen Verlag heraus und trotz all der Euphorie, die so etwas mit sich bringt, war ich mit dem finanziellen Outcome wenig zufrieden. Gerade in dieser Hinsicht kann Selfpublishing für mich punkten. Aber da ich zudem den DIY-Gedanken sehr schätze, bin ich auch gern in alle Prozesse der Buchherstellung involviert. Immerhin ist jede Geschichte mein Baby und sie von der ersten Idee bis zum fertigen Buch zu begleiten, ist wahnsinnig schön!

Literatopia: Ryan Rockwell ist ein Pseudonym. Warum hast Du Dich für einen englischen Namen entschieden? Und wie kamst Du auf Ryan Rockwell?

Ryan Rockwell: Unter meinem richtigen Namen, Robert Rittermann, habe ich das Kinderbuch veröffentlicht und ich arbeite zudem als Illustrator und Designer. Ich habe Design studiert und es ist von Vorteil, dass ich meine Cover selbst gestalten kann und auch den Buchsatz. Zum Pseudonym habe ich mich entschlossen, um eine Abgrenzung zu meiner Design-Tätigkeit zu haben. Den englischen Namen habe ich mir damals verpasst, weil ich dachte, er klingt internationaler. So ein bisschen wie eine Mischung aus Ryan Gosling und Sam Rockwell. Heute würde ich mir, glaube ich, auch einen deutschen Namen geben.

Literatopia: Auf Deiner Website finden sich diverse „Fake Movie Reviews“ mit Covern, die stark an die Pulp-Ära der SF erinnern – was hat es damit auf sich?

Ryan Rockwell: Das ist ein Produkt verschiedener Vorlieben von mir. Ich habe noch allerhand Storyideen, die sich aufgrund ihres Themas nicht gut für ein Ryan-Buch eignen. Das sind Ideen in den Genres Horror, Dystopie und … Pulp. Damit diese Storys doch irgendwie das Licht der Welt erblicken, habe ich mir überlegt, sie einfach als fiktive Filmberichte aufzuschreiben. An dieser Stelle kommt meine Design-Tätigkeit ins Spiel und KI. Denn ich habe mit Midjourney zu diesen fiktiven Berichten Bilder generiert, die wie Ausschnitte aus diesen Filmen aussehen. Das hat ästhetisch einen ganz eigenen Charme, finde ich. Für mich sind die Fake Movie Reviews ein Nebenprojekt, das wegen des Schreibens leider zu kurz kommt. Ich würde gern zwei Berichte pro Monat schreiben.

kallistos erbeLiteratopia: Würdest Du uns abschließend einen kleinen Ausblick auf den zweiten Band von „Das Mars-Paradox“ geben? Und arbeitest Du bereits wieder an etwas völlig Neuem?

Ryan Rockwell: Der zweite Band von »Das Mars-Paradox« wird die Vorgeschichte zum ersten Band sein, und die Geschehnisse vor dem Blackout beleuchten. Aktuell schreibe ich bereits am ersten Band einer neuen Buchreihe, deren Titel noch nicht hundertprozentig feststeht. Die Geschichte selbst ist schon fast fertig, da fehlt noch der Showdown, und dann geht es schon an den nächsten Band. Inhaltlich wird es ein Abenteuer, ähnlich wie meine »Dimension«-Reihe.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Ryan Rockwell

Rezension zu "Existenz - Das Mars-Paradox I"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.