Pocahontas (Patrick Prugne)

Pocahontas

Verlag: Splitter; (August 2023)
Gebundene Ausgabe: 96 Seiten; 22 €
ISBN-13: 978-3-98721-157-7

Genre: Historik


Klappentext

Die Liebe hatte die Gedanken meiner Schwester verwirrt...
Als sie euch an jenem Tag eure Schwerter zurückgab,
vergaß sie ihr Volk... Ich habe es ihr nie übel genommen...
Sie war so ungreifbar wie der Wind.


Rezension

Am 14. Mai 1607 erreichen Schiffe unter britischer Flagge die Küste Virginias. Sie sind auf der Suche nach Land, Gold und einen Weg nach China. Sie sind dabei nicht unbeobachtet. Angehörige des Volkes der Powhatan erleben die Landung mit. Uneins darüber, wie mit den Eindringlingen zu verfahren ist, beschließen die Powhatan, sich diesen zunächst friedlich zu nähern. Das geht vor allem auf den Einfluss der Häuptlingstochter Matoaka, Kleine Schneefeder, zurück, die neugierig ist und Probleme friedlich lösen möchte. Dennoch kommt es schnell zu Konflikten und Pocahontas, wie Matoaka auch genannt wird, versucht alles, um den Frieden zu wahren. Denn unter den weißen Siedlern ist ein Mann der ihre Aufmerksamkeit erregt hat, John Smith.

Die Legende von Pocahontas ist nicht zuletzt durch den Disney-Zeichentrickfilm in das Bewusstsein vieler Menschen weltweit gerückt. Die zuckersüße Liebesgeschichte in der Disneyversion dürfte zwar bei weitem nicht der Realität entsprechen, aber immerhin hat sie die Aufmerksamkeit auf einen Teil der Geschichte der USA gelenkt, der sonst kaum beleuchtet wird. Gerne wurde die Geschichte Pocahontas sogar dafür genutzt, zu behaupten, die Besiedlung der USA wäre friedlich vonstatten gegangen. Und so negativ diese Interpretation zu sehen ist, so rückt die Geschichte von Pocahontas die entsprechende Zeit in den Fokus und wer sich dann damit beschäftigt, wird selbst erkennen, dass dies nicht der Fall war, sondern die Europäer rücksichtslos vorgingen.

Patrick Prugne beschäftigt sich mittlerweile seit langer Zeit mit dem geschichtlichen Abschnitt der Besiedlung Nordamerikas und ist sozusagen eine Art Chronist dafür geworden. Und auch wenn nicht alle seine Geschichten auf historischen Ereignissen basieren, so bilden sie diese Zeit doch recht gut ab, denn für seine Werke betreibt er akribische Recherche und achtet auf viele Details in seinen Zeichnungen.
Mit Pocahontas widmet er sich erneut einer Geschichte, die auf historischen Personen und Ereignissen basiert und damit auf einer der berühmtesten Legenden der USA. Die Geschichte von Matoaka ist eine tragische Geschichte, die zugleich jedoch auch Hoffnung gibt. Denn sie zeigt, dass Menschen voneinander lernen könnten, wenn sie es denn wollten. Patrick Prugne arbeitet dies an der Figur der Pocahontas gut heraus, die er jedoch zu keinem Zeitpunkt als naiv darstellt. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau, die ihren eigenen Kopf hat und mit großer Empathie und einem tiefen Wunsch nach Frieden ausgestattet ist. Sie wird von Patrick Prugne nicht allein über ihre romantische Beziehung zu John Smith definiert, die historisch gesehen sowieso nie existierte. Damit unterscheidet er sich schon mal eklatant von der Version Disneys. Prugne orientiert sich eher an Terrence Malicks New World, in dem er die historischen Ereignisse ähnlich komprimiert. Dennoch liefert er nicht eine Filmumsetzung ab, sondern erschafft seine eigene Version der Ereignisse, die packend, tragisch und emotional ist. Er zeigt beide Seiten des Konflikts durchaus realistisch. Die britischen Siedler sind nicht rein böse und die Powhatan sind nicht rein die friedliebenden Ureinwohner, die einfach überrannt wurden. Beide Seiten zeigt Patrick Prugne als Menschen. Er arbeitet differenziert ihre Eigenschaften heraus und mit Ausnahme von Pocahhontas und abgeschwächt John Smith gibt es hier keine Helden in der Geschichte. Und genau dieser Umstand macht die Handlung packend und interessant. Pocahontas wird damit ein intensiver Blick auf Ereignisse, die noch zu großen Tragödien führen würden. Das ist zwar garantiert nicht immer historisch richtig, das kann es aber auch gemessen an der Seitenanzahl gar nicht sein. Viel wichtiger ist, dass Patrick Prugne versucht einen genaueren Blick auf die Ereignisse zu werfen, indem er komprimiert und ehrlich im Umgang mit seinen Figuren ist.

Wie bei diesem großartigen Künstler gewohnt, sind die Bilder von Patrick Prugne eine wahre Augenweide. Auch wenn die ganz großen ein- oder zweiseitigen Bilder fehlen, so sind seine Aquarelle einfach beeindruckend. Jeder Strich sitzt und die Farbgebung ist immer perfekt gewählt. Und so verweilt man wieder bei einzelnen Bildern länger, um alles aufzunehmen. Mit Pocahontas beweist Patrick Prugne, dass es nicht immer die großen Bilder sein müssen, die in Erinnerung bleiben.

Beim Bonusmaterial gibt es wieder wie gewohnt jede Menge Skizzen, Studien und Entwürfe zu bewundern. Dazu kommen Anmerkungen von Patrick Pruge und hier befinden sich dann doch noch Bilder, die über eine oder zwei Seiten gehen.


Fazit

Patrick Prugne nimmt die Legende über Pocahontas und befreit sie von dem Kitsch Disneys, der in vielen Köpfen vorherrschen dürfte. Sein Pocahontas mag nicht immer historisch vollkommen korrekt sein, aber es ist ein realistischer Blick auf die Zeit und zumindest ehrlich im Umgang mit dem Kern der Geschichte.


Pro & Contra

+ Charakterisierung von Matoaka
+ wie immer phantastische Zeichnungen
+ nimmt den Kitsch aus der Legende

Bewertung: sterne5

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Patrick Prugne:

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