Verlag: Dantes; (Dezember 2023)
Gebundene Ausgabe: 100 Seiten; 22 €
ISBN-13: 978-3-946952-62-6
Genre: Abenteuer
Klappentext
Wie so viele Weltgegenden waren auch die Philippinen Ende des 18. Jahrhunderts Opfer des Kolonialismus und des Eroberungswillen des spanischen Weltreichs. Vor diesem historischen Hintergrund entfaltet J. Philip Ignacio seine Geschichte von Verrat, Hass und Vergebung. Von Alex Niño in atmosphärischen Bildern umgesetzt, liest sich Alandal wie ein riesiges episches Gemälde.
Björn Bischoff in Moderne Literatur aus den Philippinen 2022
96 schwarzweiße Seiten im Querformat. Ein großes, exotisches Abenteuer um eine junge Moro-Prinzessin und Martial-Arts-Kämpferin, die auf Jolo, der Hauptinsel des philippinischen Sulu-Archipels unter Piraten, Konquistadoren und Parteigängern des legendären Sultan Ali aufwächst. Von J. Philip Ignacio geschrieben, der mit Alandal sein Debüt als Szenarist vorlegt, und von Zeichnerlegende Alex Niño in atemberaubenden Bilder übersetzt. Ein Klassiker.
Rezension
1762. Der Sohn des Sultans, Ibrahim von den Sieben Ältesten, hat ein Massaker unter den Spaniern in der Stadt Jolo angerichtet. Der Spanier Sevillano Rodriguez, der einen großen Anteil der Schuld an diesem Ereignis trägt, flieht mit seiner Tochter auf dem Arm aus der Stadt und versteckt sich auf einer Insel. Zehn Jahre später finden die Männer Ibrahims sie. Sabina, die Tochter Sevillano Rodriguez´ wird von ihnen entführt und er selbst wird von den Spaniern gefangen genommen. Sabina wächst nun weiter beim Sultan auf. Doch dann wird von den Spaniern ein Anschlag auf den Sultan verübt.
Was macht einen Klassiker zu einem Klassiker? Meist ist es nicht nur die Handlung oder die Charaktere, die einen Klassiker ausmachen. Es muss noch sehr viel mehr zusammenkommen. Dazu gehört immer mal wieder der Zeitpunkt, der Schreibstil oder eine vollkommen frische Idee. Manchmal ist es aber auch kaum zu definieren, wieso man etwas als Klassiker bezeichnet. Gemeinhin wird jedoch angenommen, dass ein Klassiker schon länger veröffentlicht sein muss. Nur hin und wieder wird ein Buch oder ein Comic bereits bei seinem Erscheinen zu einem. Der Klappentext kündigt genau dies für Alandal an. Einen Comic, der vor gerade einmal zwei Jahren im Original erschienen ist. Und auch wenn die Zeit erst zeigen wird, ob er sich wirklich durchsetzen kann, so ist die Bezeichnung ganz und gar nicht falsch für J. Philip Ignacios und Alex Niños Alandal. Denn Alandal ist mehr als nur ein Comic.
Das fängt mit seiner Entstehungsgeschichte an, die bereits mehr als außergewöhnlich ist. J. Philip Ignacio ist eigentlich ein Dokumentarfilmer und als er einen Film über Filipino Martial Arts machte, die in Europa eher als Escrima, Kali oder auch Arnis bekannt sind, kam ihm die Idee zur Handlung von Alandal. Er wollte eine Geschichte über eine starke Kämpferin erzählen. Diese Idee erzählte er nun Alex Niño auf einer Convention. Dieser selbst Philipino, hörte ihm zu und überraschte ihn dann damit, dass er ihm sagte, dass sie dann mit der Umsetzung schnell beginnen sollten. Denn Alex Niño ging damals bereits auf die Achtzig zu und er beschloss, dass Alandal sein letztes Werk werden sollte. Und was für eins. Graphisch explodiert Alandal geradezu auf jeder einzelnen Seite, auf denen Alex Niño sein ganze Können und seine ganzen kreativen Ideen gelegt hat.
Inhaltlich könnte man vielleicht sagen, dass Ignacio eine althergebrachte Geschichte erzählt. Wer das tut, lässt dabei aber sehr vieles außer Acht. Denn Alandal ist die Geschichte über eine Philippina, über eine Kämpferin, die äußert wild ist, immer in Bewegung. Und genau dies zu porträtieren und damit auch den Kern der Filipino Martial Arts ist hier die große Kunst. Wer einmal mit jemanden von den Philippinen in ihren Kampfkünsten trainiert hat, weiß wie schnell, wie furios und mit welcher Vehemenz sie bei der Sache sind. Ständig in Bewegung und damit kein Vergleich zu dem was meist im Rest der Welt unter FMA verstanden wird. Modern Arnis ist häufig recht steif und die Eleganz fehlt, in Alandal kommt dies jedoch zum Ausdruck und damit wohl auch ein Stück der philippinischen Seele. Den Stellenwert, den Filipino Martial Arts für seine Ausübenden hat, wird wohl nur derjenige verstehen, der sich mit gleichem Eifer der Sache widmet, aber der Comic gibt immer wieder einen kleinen Einblick in diese Welt.
Denn J. Philip Igancio erzählt seine Geschichte genauso wie Alandal kämpft, immer in Bewegung, aber immer mit Fokus, schnell und furios. Man muss bei der Sache sein, aber dann wird man mit einer spannenden Handlung belohnt, vor einem wirklich ungewöhnlichen Hintergrund, und mit einer Hauptfigur, die all das verköpert, was ihrem Schöpfer wichtig ist.
Aber damit nicht genug, denn neben der eigentlichen Handlung, ist auch der Hintergrund wichtig, vor der sie spielt. J. Philip Ignacio thematisiert die Eroberungsgelüste der Spanier, den Krieg zwischen Muslimen und Katholiken und eben auch den Kolonialismus unter dem die Philippinen zu leiden hatten. Großartig illustriert von einer Vision Alandals in der sie bestimmte zukünftige Ereignisse sieht, die die Philippinen bis heute beeinflussen. Nein, Alandal ist nicht flach oder altbekannt, aber man muss hinsehen, sich Zeit nehmen und aufmerksam lesen.
Also ja, Alandal kann gerne als Klassiker bezeichnet werden, denn dieser Comic wird auf jeden Fall noch einer werden. Ihm kommt auf jeden Fall große Bedeutung zu, denn er ist hoffentlich ein Türöffner für weitere Autoren und Zeichner von den Philippinen. Die dann ihre eigenen Geschichten erzählen und einem breiten Publikum vorstellen können. Und was wäre da passender als eine furiose Kämpferin, die den Weg dafür freimacht?
Alandal stellt im positiven Sinne eine graphische Herausforderung an den Leser dar. Alex Niño orientiert sich nämlich nicht an einem herkömmlichen, gewohnten Seitenlayout, wie er es als Zeichner von Superheldencomics in den USA so häufig nutzte, sondern hat Alandal im Sinne einer Schriftrolle gestaltet und das bedeutet, dass jede einzelne Seite theoretisch abgerollt wird und damit immer mehr von ihrem Bild preisgibt. Dementsprechend müssen auch sämtliche Textfelder von links nach rechts gelesen werden und nicht wie sonst üblich oben links dann oben rechts, dann unten links und und unten rechts. Dies ist erst einmal ungewohnt, aber nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran. Dies ist der erste Stolperstein, wenn man so will. Der Zweite sind die auf den ersten Blick skizzenhaften Zeichnungen, die sich nicht so einfach erschließen wollen. Nur wer sich Zeit nimmt, die Bilder ausgiebig zu betrachten, bekommt einen visuell prächtigen Comic zu lesen, der vor Details strotzt und einen immer weiter in die Geschichte und die Welt Alandals zieht.
Alex Niño legt hier seine ganze schöpferische Kraft hinein und dies ist jedem einzelnen Strich anzusehen. Er nutzt sämtliche Techniken in seinem Arsenal und fügt alles zu einem großen Ganzen zusammen, welches auf den ersten Blick wild erscheint, jedoch nie seinen Fokus verliert. Kurz zusammengefasst: Alandal ist ein Meisterwerk.
Wie vom Dantes Verlag gewohnt ist das Bonusmaterial umfangreich und sehr informativ. Neben den Anemrkungen von Jens R. Nielsen, die immer umfangreich ausfallen und Erklärungen und Erläuterungen zu den Hintergründen einzelner Szenen liefern, gibt es ein Nachwort von J. Philip Ignacio, der vom Entstehungsprozess und wie er Alex Nino kennenlernte erzählt.
Fazit
Alandal ist ein zukünftiger Klassiker, denn hier haben Autor und Zeichner mit viel Herzblut einen Comic geschaffen, der herausfordernd ist und zugleich das Tor zu einer neuen Comicwelt aufstößt.
Pro & Contra
+ Zeichnungen von Alex Niño
+ ungewöhnliche Gestaltung
+ interessanter, historischer Hintergrund
+ trifft den Kern der Filipino Martial Arts
Bewertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5