Judith und Christian Vogt (04.06.2024)

Interview mit Judith und Christian Vogt

voegte 2024Literatopia: Hallo, Judith, hallo, Christian! Schön, Euch wieder einmal mit Fragen löchern zu dürfen und großartig, dass Ihr weiterhin progressive Phantastik veröffentlicht. Dieses Mal geht es in „Ich, Hannibal“ in die Antike. Wie viel Historik und wie viel Fantasy steckt im Roman?

Christian Vogt: Hallo Judith! Schön, wir freuen uns immer sehr über deine Fragen, danke dir! Durch die starke Präsenz von Mythenkreaturen und einen alternativen Geschichtsverlauf ist der Fantasy-Anteil höher als bei historischen Romanen, in denen auch ein bisschen prophezeit wird oder Gottheiten den Hauptfiguren Zeichen senden. Gleichzeitig haben wir das Leben in der Antike, aber auch den Verlauf des 2. Punischen Kriegs sehr genau recherchiert und nehmen hier sehr viele Elemente auf. Und wenn wir von dem abweichen, was aus den Quellen bekannt ist, dann tun wir das sehr bewusst. Das antike Leben und Sterben sollte sich echt anfühlen, der Verlauf der Geschichte soll sich so anfühlen, als hätte es so gewesen sein können, nur eben, dass eine Portion Monster dazukommen.

Literatopia: In unserer Realität hat Rom gesiegt und die Perspektive der Sieger hat sich in die Geschichtsschreibung eingebrannt. „Ich, Hannibal“ nimmt hingegen Karthagos Perspektive ein – was habt Ihr bei Euren Recherchen Spannendes über Karthago herausgefunden, was Euch zuvor unbekannt war?

Judith Vogt: Dafür, dass die phönizische Kultur bis zu den Punischen Kriegen einer der großen „Player“ der Antike war, sind sie uns heute nicht mehr wirklich ein Begriff – die Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Die Phönizier*innen waren Handeltreibende ohne zusammenhängenden Staat – sie gründeten Stadtstaaten, Hafenstädte an den Küsten des Mittelmeers, und es war eigentlich außergewöhnlich, dass sie, ausgehend von Karthago im heutigen Tunesien, ihr Gebiet auf die iberische Halbinsel und Sizilien ausgedehnt haben. Dabei war durch diese Stadtstaatlichkeit der Anteil der eigenen Leute an den militärischen Bewegungen gar nicht sonderlich groß: Ihre Heere bestanden zu großen Teilen aus numidischen, also nordafrikanischen, balearischen, iberischen, gallischen Söldnern – was im 1. Punischen Krieg auch schon mal zu einem Söldnerkrieg in Karthago selbst geführt hat, als Karthago deren Sold nicht mehr zahlen konnte.

Letztlich spielt im Roman aber keine einzige Szene in Karthago selbst. Der historische Hannibal ist von seinem Vater auch schon als Kind aus Karthago nach Carthago Nova an der spanischen Küste gebracht worden und dort aufgewachsen, und es gibt Vermutungen, dass seine Frau Himilke Ibererin war. Das ist sie auch bei uns – sie kennt Karthago also gar nicht.

Lustigerweise hießen übrigens die beiden Karthagos, also das tunesische Karthago und Carthago Nova, das heute Cartagena, auf Westphönizisch Qart-Hadašt, was „Neue Stadt“ bedeutet.

Literatopia: Das Buch beginnt mit dem Auftritt der weiblichen Hannibal, die auf einer Bestie in Elefantengestalt reitet und den Platz ihres toten Mannes fordert. Wie reagieren Hannibals Mitstreiter auf die Frau mit der Goldmaske?

Judith Vogt: Nicht gerade begeistert. Sie muss schon eine Lügengeschichte nach der nächsten auftischen, damit sie bereit sind, ihr zu folgen. Aber sie hat den Zyklopenelefanten, der ihr gehorcht – der ist natürlich ein starkes Argument.

Literatopia: Interessanterweise sind Hannibals Kapitel nicht aus ihrer Perspektive erzählt, sondern aus der des Chronisten Sosylos. Was ist er für ein Mensch? Und wie sieht er Hannibal?

Judith Vogt: Sosylos ist eine historische Figur, ein spartanischer Gelehrter und vermutlich Sklave, der für Hannibals Erziehung zuständig war und ihn als Chronist begleitet hat. Bei uns ist er ein älterer Mann, der viel theoretisches Wissen über Kriege hat, aber eine große Zurückhaltung, was tatsächliche Kriege angeht. Er sieht die Gemeinsamkeit zwischen sich selbst und der Feldherrin, dass sie gewissermaßen von oben und außen auf den Krieg schauen, statt mittendrin zu stecken. Aber der Plan, sich sowohl physisch als auch rational nicht hineinziehen zu lassen, geht natürlich nicht ganz auf.

Mit Hannibal und Sosylos haben wir uns an einer Art Holmes-und-Watson-Dynamik versucht. Der historische Hannibal gilt ja bis heute als militärisches Genie. Unsere Hannibal hat an manchen Stellen ähnliche Einfälle (weil sie gemeinsam als Jugendliche von Sosylos unterrichtet wurden), an manchen aber auch ganz andere und befindet sich zudem in einer sehr wackligen Machtposition. Eine ihrer Strategien, um unentbehrlich zu bleiben, ist, sich nicht zu sehr in die Karten schauen zu lassen und trotzdem die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit Leute wie Sosylos nachher sagen: Wow, was würden wir nur ohne sie machen?

Literatopia: Aus Fulvias Perspektive erleben wir das antike Rom. Wie ergeht es der jungen Frau dort? Welche Stellung hat sie als Frau?

Christian Vogt: Freie römische Frauen hatten ein deutlich freieres Leben als griechische zu dieser Zeit (sie durften z.B. unbegleitet das Haus verlassen), das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das antike Rom extrem patriarchal war. Während Männer Ämtern und Senatsposten nachjagten, wurde gerade von Patrizierinnen erwartet, der Familie (und damit ist eine ganze Ahnenlinie gemeint) durch Tugendhaftigkeit Ehre zu machen, indem sie vor allem eins taten: nicht auffallen. Frauen hatten zur Zeit der Romanhandlung keine Verfügungsgewalt über das eigene Schicksal, ihre Finanzen und ihr Wohnort waren für gewöhnlich immer bestimmt durch den Vater oder Ehemann. Fulvia ist eine soziale Aufsteigerin aus den Reihen der Plebejer, gleichzeitig ist sie junge Witwe und Ziehmutter der Kinder eines mächtigen Patriziers. Ihr nicht ganz eindeutiger Status durch diesen verworrenen Hintergrund bereitet ihr Probleme, z.B. beim Erstreiten des Erbes. Dennoch bietet er aber auch Möglichkeiten, die anderen Römerinnen verschlossen bleiben. Der höchsten Anforderung Roms an eine Römerin kann sie dennoch nicht entgehen: dem Gebot nach Tugendhaftigkeit.

Literatopia: Würdet Ihr uns Hannibals Bestienjägerin Tamenzut näher vorstellen?

Judith Vogt: Tamenzut ist schon seit ihrer Jugend einzelgängerisch entweder mit ihrem Lehrmeister oder mit ihren Schüler*innen unterwegs und fängt Bestien, indem sie ihnen im Zweikampf einen Speer durch die Stirn rammt. Das tötet die Monster nicht, sondern unterwirft sie ihrem Willen – aber dazu ist nicht nur diese Tat wichtig, sondern auch eine Art „Mindset“; Tamenzut benötigt einen Zugriff zu ihrer eigenen Ungeheuerlichkeit. Ich finde, es gibt in vielen Kulturen so eine Form von monströser Weiblichkeit, die tabuisiert ist und auf eine gewisse Weise eben durch ihre Monstrosität nicht mehr „weiblich“ – wir sehen das zum Beispiel in Kali, in der Morrigan, auch in Medusa und vielen anderen weiblich gelesenen Mythengestalten, dass es so eine Angst und Faszination gibt vor dem Weiblichen, das monströs und blutig und gewalttätig ist. Und Tamenzut ist der Versuch, diese weiblich-genderqueere Ungeheuerlichkeit in einer Romanfigur darzustellen – gleichzeitig ist sie aber eine Perspektivfigur, sehr menschlich, etwa so alt wie ich, und sieht die Welt mit dem Blick einer mittelalten weiblich gelesenen genderqueeren Person, die einfach von ziemlich vielem ziemlich abgefakkt ist, hehe.

Literatopia: Hannibal zieht gegen Rom in den Krieg. Entsprechend dürfte einiges an Gewalt in Eurer Geschichte stecken? Wie seid Ihr an das Thema Krieg herangegangen?

Judith Vogt: Die Idee zum Roman ist im Sommer 2022 entstanden und steht sehr deutlich unter dem Einfluss des Angriffskriegs auf die Ukraine. Wir haben uns in der Recherche auch generell mit dem Thema Krieg auseinandergesetzt, nicht nur mit Krieg in der Antike, der natürlich anders geführt wurde als heute. Kriege sind und waren kulturell mit Männlichkeit verknüpft, und ich sage bewusst „kulturell“, weil es ein patriarchales Macht- und Aufstiegsinstrument für (cis) Männer ist, das Gesellschaften geprägt und männliche Dominanz gefestigt hat. Und in diesem Kontext war der Blick auf Krieg auch immer ein männlicher: Wie viele Soldaten sterben auf welcher Seite? Wie Kriege die Zivilbevölkerung leiden lassen, das war lange Zeit nichts, was deutlich ausgesprochen wurde. Das hat auch der Fantasy einen Stempel aufgedrückt – ich finde, die Fantasy erzählt überwiegend kriegskritisch, aber den „male gaze“ auf Krieg abzulegen, ist schwierig.

In „Ich, Hannibal“ geht es zunächst darum, dass eine Frau eine männliche Funktion einnimmt, aber es muss auch darum gehen, wie sie – und wir – diese Perspektive ablegen. Darin sind sich dieser Roman und unser Vorgänger „Schildmaid“ auf der Metaebene sehr ähnlich, glaube ich – dass es erst darum geht, eine Geschichte aus weiblicher Sicht zu erleben, die wir aus männlicher Sicht schon kennen, aber dann muss sich unser Blick verändern, denn sonst wäre dieser Shift oder Genderswap, diese Form des „Retellings“ im Prinzip belanglos.

Literatopia: „Ich, Hannibal“ handelt auch von weiblicher Solidarität und der Auflehnung gegen patriarchale Fremdbestimmung. Wie sieht dies konkret aus?

Christian Vogt: Fulvia sieht sich mit den Anforderungen konfrontiert, eine gute Mutter für Ziehkinder zu sein, die sie kaum kennt, und eine gute Römerin abzugeben. Irgendwann akzeptiert sie Ersteres, aber scheißt auf Letzteres. Sie ist nicht nur bereit, Tugendhaftigkeit mit Füßen zu treten, sie wird aktiv zur Feindin Roms, zur Hochverräterin an der Stadt, die Unmögliches von ihr verlangt und die sie und ihre Familie um ihr Erbe betrügt und sie ins Elend stürzt: Fulvia wird zur Spionin für den Erzfeind der Stadt.

Tamenzut auf der anderen Seite führt Krieg gegen Roms Legionen, stellt sich aber gegen die eigenen Waffenbrüder, als der Krieg nicht mehr nur den Legionen gilt, sondern auch der Zivilbevölkerung. Darin sind sich beide ähnlich – sie begreifen, dass das, was sie für richtig gehalten haben, sie und viele andere im Prinzip kaputtmacht und auf der Strecke bleiben lässt.

Literatopia: Wie ergeht es queeren Menschen in Eurer Version der Antike? Sind sie dort überhaupt sichtbar?

Judith Vogt: Queere Menschen waren in der Antike auf jeden Fall anders sichtbar, aber ich glaube, das Problem, warum antike Queerness uns oft unsichtbar erscheint, hat seine Wurzeln nicht in der Antike, sondern in der Art, wie später über die Antike geschrieben wurde und oft immer noch wird. Es gab zum Beispiel Kulte, deren Priesterinnen trans waren – Römer*innen war es verboten, in diese Priesterschaft einzutreten, das heißt, die Priesterinnen waren Griechinnen; im Roman kommt eine davon vor und befragt als Seherin die Sibyllinischen Bücher. Was Sex unter Männern angeht, wissen wir ja, dass im römischen und griechischen Kontext eine ganze Menge sozialer Normen damit verknüpft waren – ein Grund, warum Sosylos lieber mit Galliern schläft. Wir haben versucht, Queerness an vielen unterschiedlichen Stellen sichtbar zu machen, auch anhand von Soldat*innen, die sich als Mann beweisen müssen, oder wenn Fulvia von ihrer bisexuellen Kindheitsfreundin für ihr heterosexuelles Ehe-Elend bemitleidet wird.

Literatopia: Welche Bestien neben der Elefantengöttin gibt es in „Ich, Hannibal“? Sind sie allesamt mythologische Wesen oder habt Ihr auch welche erfunden?

Judith Vogt: Die einäugige Elefantengöttin haben wir zum Beispiel erfunden. Das hat den Grund, das Elefantenschädel, die ja keinen Rüssel, sondern ein großes Loch in der Mitte haben, als Ursprung des Zyklopenmythos gelten – Menschen haben also diese gewaltigen Schädel gefunden und gedacht: Das müssen einäugige Riesen gewesen sein! Diese Zyklopen-Origin-Story haben wir mit dem großen Biest Karthagos verknüpft, das natürlich ein Elefant sein musste. Ein weiteres ausgedachtes mythologisches Wesen ist die Bestie der Allobroger. Das war ein gallischer Stamm, der sich in einem Bruderkrieg befand, also ist das Biest eine doppelköpfige Harpyie, die sich permanent selbst bekämpft. Aber die meisten anderen Bestien sind mythische Ungeheuer – die Hydra, der Leviathan, das Seeungeheuer Keto, der Riese Kakus, der Basilisk, natürlich auch die römische Wölfin und der gallische Hahn …

Literatopia: Auf Eurer Website sind neben den Content Warnungen auch positive Tags zum Buch gelistet, unter anderem „stupid sexy Minotaur“ – darüber würden wir gerne mehr wissen!

Christian Vogt: Der Minotaurus ist nicht so „stupid“, wie es den Anschein hat, aber er ist so sexy, dass es schon stupid ist. Es sei nur so viel gesagt: manchmal ist man als Frau lieber mit einem Bären im Wald – oder mit einem Minotaurus im Kerker.

Literatopia: „Ich, Hannibal“ konnte man wieder mit Goodiepaket bei Euch vorbestellen. Wie sucht Ihr die Goodies aus? Und macht Ihr das nur für die Fans oder hat so eine Aktion auch einen spürbaren Werbeeffekt?

Judith Vogt: Auf jeden Fall hat die Aktion einen Werbeeffekt für den Tee, haha! Für unser erstes Goodie-Paket (von „Anarchie Déco“) haben wir uns in dem sehr wunderbaren Aachener Teeladen Haus Eulenspiegel einen Tee rausgepickt und zum „VögTee“ umgelabelt. Seitdem fragen vor jedem neuen Buch einige Leute, ob es das Buch wieder mit Tee gibt. Und dann suchen wir natürlich noch ein paar Dinge aus, die zum Roman passen, diesmal ist es ein Heft mit römischen Rezepten, die Karte aus dem Buch von C.F. Srebalus, eine Tüte Dinosaurier-Gummibärchen (Monstergummibärchen gibt’s nur zu Halloween, haben wir festgestellt!) und natürlich Goodies wie Lesezeichen und Buttons.

Aber ich glaube, grundsätzlich mögen Leute vor allem die Tee-Buch-Kombi. Ich weiß gar nicht, wieviel Werbeeffekt da dabei ist – es sind viele liebe Menschen, die uns immer wieder unterstützen, auch einige, die wir noch nicht kennen. Was vor allem spürbar ist, ist, dass es durch den Niedergang von Twitter schwieriger ist, Leute zu erreichen. Das Hannibal-Buchpaket haben etwa halb so viele Leute vorbestellt wie das Schildmaid-Buchpaket.

Literatopia: Die Situation auf dem Buchmarkt ist schwierig, gefühlt wird sie immer schwieriger, vor allem, wenn man in einer Nische wie (erwachsener) Phantastik schreibt. Was motiviert Euch, an Euren wundervollen, aber auch herausfordernden Geschichten festzuhalten?

Christian Vogt: Die Groupies und die günstigen Drogen! Nein, es ist so, wie du sagst. Die Situation auf dem Buchmarkt wird schwieriger. Es wird generell weniger gelesen, denn die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Lesenden in Form von Social Media, Streamingdiensten und monolithischen Bestsellern aus den USA ist gewaltig. Das äußert sich nicht nur in schwindenden Verkaufszahlen, sondern beeinflusst auch, wie der Buchmarkt funktioniert. Wenn man es überspitzt formulieren möchte, sind durch TikTok Buchschnitt und Followerzahlen wichtiger geworden als der Inhalt. Wie die Verlage damit in Zukunft umgehen, wissen wir nicht. Besonders motivieren uns natürlich begeisterte Rückmeldungen wie hier auf Literatopia! In einer sich verändernden Welt wird sich die Art, wie wir erzählen, verändern, aber wir werden die Themen, die uns wichtig sind, hoffentlich weiter einbringen können, auch, wenn Form, Medium oder Genre andere sind.

Literatopia: Wie hat sich die progressive Phantastik in Deutschland aus Eurer Sicht in den letzten Jahren entwickelt?

Judith Vogt: Es ist spürbar, dass der Begriff verfängt – ich sehe immer wieder, dass nicht nur Autor*innen ihn verwenden, sondern auch Lektor*innen, Verlage, Journalist*innen und Literaturwissenschaftler*innen. Das ist natürlich fantastisch. Gleichzeitig nimmt Progressive Phantastik keinen großen Platz in den Verlagen oder bei den Phantastikpreisen ein und ist eine Nische in der Nische. Und der Begriff wird immer noch – teils vorsätzlich, denke ich – auf alle möglichen Weisen missverstanden. Es ging James Sullivan, uns und vielen anderen, die an seiner Findung beteiligt waren, um eine Selbstbezeichnung. Wir machen das immer wieder am Beispiel eines Rucksacks fest (passend für ein Literaturgenre, in dem viel herumgereist wird). Es gibt Dinge im Fantasyrucksack, die sind da einfach seit Jahrzehnten drin, und was wäre, wenn wir den einfach mal komplett auspacken, alles anschauen, was drin ist, und bewusst entscheiden, was davon wir für eine neue Reise einpacken. Der Rucksack ist aber ja nur eine Metapher, er ist also unsichtbar, das heißt, uns ist sicher vieles, was wir herumschleppen, einfach nicht bewusst.

Es geht nicht darum, das perfekte Buch zu schreiben, das „bessere“ Buch, das Buch, das jetzt alles richtig macht – oder auch das Buch, das niemanden mehr verletzten kann. Es geht nicht darum, den Rucksack nach einer präskriptiven Checkliste zu packen, die für alle passt. Und das sind eben die Missverständnisse, die immer wieder in Bezug auf Progressive Phantastik aufkommen. Progressive Phantastik ist eine aktive Auseinandersetzung mit phantastischen Traditionen, sie muss und darf vielfältig sein und sich auch schmerzhaften Themen widmen. Ich finde, wir ergehen uns oft in „Darf man das?“-Diskussionen, dabei ist jetzt nicht die Zeit für brave Bücher – es ist die Zeit für mutige, emotionale, verwundbare, ehrliche, wütende Bücher, weil wir in jeder Spielart der Literatur zeigen müssen, dass wir nicht gelassen in diese dunkle Nacht gehen.

Literatopia: Nach dem Buch ist vor dem Buch – Ihr arbeitet sicherlich bereits am nächsten Roman? Würdet Ihr uns einen kleinen Ausblick geben?

Judith Vogt: Wir haben tatsächlich einen neuen Romanvertrag mit Piper, aber da haben wir mit der Schreibarbeit noch nicht begonnen. Wir erzählen da ausnahmsweise mal eine richtige Romanze. Vor allem basteln wir aber gerade an einem neuen Hörspiel, zusammen mit Audible, eine Art Biopunk-Sci-Fi-Story, und ich bin mega gespannt, ob die in den nächsten Wochen grünes Licht erhält. Da sind alle Vorplanungen fertig, aber es braucht noch die finale Zusage, damit wir uns in die Folgenskripte stürzen können.

Und im Verlag ohneohren erscheint über dieses Jahr verteilt eine Trilogie aus lose miteinander verknüpften Novellen, die vor allem aus Christians Feder stammen und im Universum von „Die 13 Gezeichneten“ spielen. Die erste, „Mutterentität“, ist im April erschienen, im Sommer folgt „Im Schatten des Leviathans“ und Ende des Jahres bin ich dann auch mit von der Partie und es dreht sich um … Tee!

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Die Vögte: Wir danken dir!


Autor*innenfoto: Copyright by Judith und Christian Vogt

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Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.