Herz des Imperiums (Everina Maxwell)

Cross Cult (2024)
Originaltitel: Winter's Orbit
Paperback, 464 Seiten, 18,00 EUR
ISBN  978-3-98666-450-3

Genre: Science Fantasy / Space Opera


Klappentext

Der berüchtigte Prinz Kiem, der unbeliebteste Enkel des Imperators, soll sich ausnahmsweise einmal nützlich machen. Er soll den Vertreter des neuesten und rebellischsten Vasallenplaneten des Imperiums heiraten. Sein zukünftiger Ehemann, Graf Jainan, ist Witwer und … Mordverdächtiger.

Keiner der beiden will heiraten. Aber da sich um sie herum eine Verschwörung abspielt und das Schicksal des Imperiums auf dem Spiel steht, müssen die beiden sich durch die Dornen und Stacheln der Hofintrigen, die Machenschaften des Krieges und die langen Schatten von Jainans Vergangenheit kämpfen. Und sie müssen es gemeinsam tun.

So beginnt eine legendäre Liebesgeschichte inmitten der Sterne.


Rezension

Prinz Kiem steht sehr weit hinten in der Erbfolge des Imperiums und genießt sein privilegiertes Leben in vollen Zügen, sehr zum Missfallen Ihro Majestät, seiner Großmutter. Kiem hat dem Imperium schon so manchen Skandal beschert und nun soll er sich endlich einmal nützlich machen und aus politischen Gründen Graf Jainan heiraten, dessen Mann - Kiems Cousin Taam - kürzlich verstorben ist. Als Kiem Jainan aufgrund seiner royalen Pflicht heiratet, ahnt er noch nicht, dass Taam ermordet wurde - und dass Jainan zu den Verdächtigen zählt! Ihre Ehe gestaltet sich somit von Anfang an kompliziert, auch wenn sich beide gegenseitig attraktiv finden. Doch Kiem glaubt, Jainan sei in tiefer Trauer und er dürfe dies auf keinen Fall ausnutzen, daher besteht er auf angemessene Distanz. Und Jainan glaubt, Kiem gefallen zu müssen, um seine Pflicht als Gesandter seines Heimatplaneten Thea zu erfüllen - einem Vasallen von Iskat, dem Herz des Imperiums, das von einem Bündnis mit der Resoultion abhängig ist. Dieses Bündnis soll in Kürze erneuert werdet und Kiem und Jainan sollen beweisen, dass Thea Iskat nahesteht und alles in bester Ordnung ist. Aber natürlich ist gar nichts in Ordnung: auf Thea bahnt sich eine Rebellion an, Kiems Ehe mit Jainan wird zu einem Drahtseilakt und bald trachtet ihnen jemand nach dem Leben ... 

"Herz des Imperiums" (der Originaltitel "Winter's Orbit" ist schöner) ist eine queere Romanze inmitten der Sterne, die ihre Spannung aus zahlreichen kommunikativen Missverständnissen und den zwischen den Zeilen aufblitzenden dunklen Geheimnissen zieht. Kiem ist ein extrovertierter, charmanter junger Mann, der kaum ein Fettnäpfchen auslässt und nach vielen Skandalen allmählich zu einem verantwortungsbewussten Mitglied der imperialen Familie wird und gute Presse mit seinen Wohltätigkeiten generiert. Er genießt seine Freiheit, denn er steht soweit hinten in der Erbfolge, dass er sich mit Politik bisher nie beschäftigen musste. Dies wird ihm nun zum Verhängnis, denn Kiem sagt, was er denkt, und achtet wenig auf politische Feinheiten. Jainan hingegen sieht es als seine Aufgabe, seinen Ehemann glänzen zu lassen und glücklich zu machen, um das Verhältnis zwischen Thea und Iskat keinesfalls zu belasten. Mit dieser Haltung ist er mit Taam in eine toxische Beziehung geraten, die Spuren hinterlassen hat. Seine Traumata interpretiert Kiem als Trauer um Taam, während die Leserschaft recht bald ahnt, was Jainan zugestoßen ist. Es ist rührend, wie viel Rücksicht Kiem nimmt, auch wenn er dies aus falschen Gründen tut und so Jainan, der durchaus Interesse an ihm hat, immer wieder wegstößt. Dieser empfindet sich dadurch als Versager. Ihre Beziehung ist anfangs ein regelrechter Eiertanz, der zwar unterhaltsam ist, aber auch zum Haare raufen. 

Zu den wichtigsten Nebenfiguren gehört Bel, Kiems Assistentin, ein Organisationstalent par excellence und ebenfalls Hüterin dunkler Geheimnisse. Sie behält den Überblick über das Chaos, das Kiem immer wieder anrichtet, und ist eine richtig gute Freundin. Solche Menschen sind rar gesät in einer imperialen Familie, in der jeder an seinen eigenen Vorteil denkt. Bel beweist zudem viel Feingefühl im Umgang mit Jainan, der neben Kiem sehr ruhig und überangepasst wirkt. Jainain hat sich bei Taam aufgegeben - bei Kiem findet er allmählich zu sich selbst zurück: einem wissenschaftlich sehr interessierten und begabten jungen Mann, der in seinen Fachgebieten glänzt und am Ende über sich hinauswächst und alle überrascht. Die Geschichte erzählt Everina Maxwell überwiegend aus Kiems Perspektive, gelegentlich jedoch auch aus Jainans, der Kiems Verhalten lange schwer nachvollziehen und seinen Respekt schwer annehmen kann. Anfangs irritiert Jainans teils unterwürfiges Verhalten, doch während Kiem die Gründe dafür erst sehr spät erkennt, wissen es die Lesenden bald, auch wenn Everina Maxwell nur bruchstückhaft Informationen preisgibt. Während die beiden Protagonisten facettenreiche Persönlichkeiten sind, überzeugen nur wenige Nebenfiguren wie Bel. Die anderen erfüllen mehr oder weniger starr ihre Rollen. 

Im Imperium ist Queerness selbstverständlich und die sexuelle Orientierung wird bei der Partnerwahl auch innerhalb der imperialen Familie berücksichtigt. Es wird von Partnermenschen und nicht von Ehefrauen/Ehemännern gesprochen, denn nicht-binären Identitäten werden hier mitgedacht. Auf Iskat ist es Brauch, sein Gender mittels unterschiedlicher Schmuckstücke auszudrücken, wobei dies kein Zwang ist. In diesem Science-Fiction-Setting ist es möglich, die realen Kämpfe queerer Menschen auszublenden und eine Gesellschaft zu zeigen, die einen respektvollen Umgang mit allen Identitäten pfegt. Dennoch ist das Imperium nur teilweise eine Utopie: Die Machtstrukturen sind streng hierarchisch und basieren auf Blutlinien. Das Militär ist hochgerüstet und es gibt zahlreiche Konflikte, die mit einer mehr oder weniger aggressiven Diplomatie eingehegt werden. Genre hätte man mehr über die Hintergründe der Aufstände auf Thea erfahren. Durch verschiedene Nebenfiguren erhascht man flüchtige Eindrücke der Situation auf Thea. Jainan selbst hält sich Kiem gegenüber bedeckt und weiß vieles auch nicht, da Taam ihn von seiner Familie isoliert hat. 

Zum Imperium gehören mehrere Planeten, die Iskat unterworfen hat. Die politischen Beziehungen werden durch persönliche Beziehungen, also Eheschließungen, gefestigt, wobei Iskat seine Interessen durchaus auch gewaltsam durchsetzt. Für die Erneuerung des Bündnisses mit der Resolution muss das Bild einer kooperierenden Gemeinschaft aufrecht erhalten werden und die Umstände des "Unfalls", bei dem Taam ums Leben kam, machen den Auditor des Resolution mehr als misstrauisch. Dieser soll feststellen, ob die Beziehungen zwischen den einzelnen Planeten so gut sind, wie behauptet wird. Der Auditor ist ein mysteriöser Mann mit einer verstörenden, technologischen Maske, die sein Gesicht verhüllt. Er ist Gesandter eines mächtigen Bündnisses von vielen Sternenreichen und nur wer dazugehört, ist vor der gewaltsamen Expansion anderer Reiche geschützt. Die Resolultion hat zudem großes Interesse an Artefakten, die im All gefunden werden und die das Imperium aushändigen muss, um das Bündnis zu erhalten. Diese Artefakte sind so etwas wie antike Alientechnologie. Viel mehr erfährt man über die Resolution nicht und auch über das Imperium selbst erfährt man wenig. Die Handlung spielt überwiegend auf Iskat, einem Winterplaneten, und auf Raumschiffen und konzentriert sich stark auf die komplizierte Beziehung der beiden Protagonisten, die durch die komplexen politischen Verhältnisse und zunehmende Gefährdung näher zusammenrücken und ihre Gefühle füreinander entdecken. 

Am Ende bleibt eine wirklich schöne Lovestory voller Missverständnisse und mit zwei tollen Protagonisten - und der Wunsch, mehr über das Imperium zu erfahren. Dieser wird vielleicht in "Echo der Welten" erfüllt. Der Folgeroman erscheint im Dezember 2024 auf Deutsch und spielt im gleichen Universum, erzählt jedoch eine ganz andere Geschichte mit neuen Figuren. 


Fazit

"Herz des Imperiums" ist eine rührende Liebesgeschichte in einem reizvollen Science-Fantasy-Setting, die ihre Spannung vor allem aus zwischenmenschlichen Missverständnissen zieht. Kiem und Jainan sind sehr sympathische und gegensätzliche Protagonisten, die inmitten von Intrigen zueinander finden und nebenbei auch noch großen Schaden vom Imperium abwenden müssen. 


Pro & Contra

+ Kiem und Jainan ergänzen sich in ihrer Gegensätzlichkeit perfekt
+ rücksichts- und respektvoller Umgang miteinander
+ behutsame Aufarbeitung von Jainans Traumata
+ casual Queerness 
+ zahlreiche Missverständnisse sorgen für Unterhaltung und Spannung
+ Kiems Assistentin Bel und ihre Geheimnisse
+ spannende Science-Fantasy-Setting
+ Verwendung des wunderschönen Originalcovers

- über das Imperium und das Universum drum herum erfährt man nur wenig
- Nebenfiguren erfüllen oft nur ihre Rollen

Wertungsterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5

Tags: Space Fantasy, Science Fantasy, queere Figuren