Wo kein Zeuge ist (Elizabeth George)

wo kein zeuge ist

Goldmann  (2016)
Reihe: Ein Inspector-Lynley-Roman, Band 13
Prigintaltitel: With No One As Witness
übersetzt von Ingrid Krane-Müschen und Michael J. Müschen
Taschenbuch, 800 Seiten, 13,00 EUR
ISBN  978-3442485246

Genre: Kosmischer Horror / historischer Horror


Klappentext

In London werden drei farbige Jugendliche ermordet, doch die Polizei reagiert verhalten. Aus Rassismus – glauben zumindest die Medien. Als man Thomas Lynley und Barbara Havers von New Scotland Yard den Fall überträgt, hat der brutale Serienmörder bereits sein viertes Opfer gefunden: Diesmal ist es weiß, und alles deutet auf einen Ritualmord hin. Während Havers eine erste heiße Spur verfolgt, trifft Lynley die schlimmste persönliche Tragödie seines Lebens ...


Die Autorin

Susan Elizabeth George ist US-Amerikanerin. Sie wurde am 26. Februar 1946 in Warren / Ohio geboren. Ihre Familie zog 1950 in die Umgebung von Sanfrancisco. Sie studierte Englisch, arbeitete als Englischlehrerin und machte nebenher noch einen Abschluss in Psychologie. Nach Lehrtätigkeiten an Universitäten in den USA, Kanada und Großbritannien, insbesondere zum Thema „Creative Writing“, lebt sie mittlerweile auf einer Insel vor Seattle im US-Bundesstaat Washington und besitzt eine Zweitwohnung im Londoner Stadtteil Kensington. Elizabeth George ist in zweiter Ehe mit einem ehemaligen Feuerwehrmann verheiratet.

Ihre schriftstellerische Tätigkeit begann im Jahr 1983.


Rezension

Werfen wir zunächst einen Blick in die literaturwissenschaftliche Theorie: Die Kriminalromane von Elizabeth George spielen in England und stehen ganz in der Tradition der britischen Crime Ladies. Im Mittelpunkt der Bücher stehen Inspektor Thomas Lynley und Sergeant Barbara Havers. Neben der eigentlichen Krimihandlung spielt auch das private Leben der Hauptfiguren eine wesentliche Rolle: Thomas Lynley, Lord Asherton, hat sich zwar für eine Tätigkeit bei Scotland Yard entschieden, ist aber finanziell unabhängig, da er aus einer reichen Familie stammt. Havers dagegen kommt aus kleinen Verhältnissen und hat dazu die Verantwortung für einen kranken Vater sowie eine geistig verwirrte Mutter zu tragen.

Die „Klassenschranken“ zwischen dem gutaussehenden Lord und der unscheinbaren Havers bieten vielerlei Reibungspunkte, zumal die Ermittlungen vielfach in Kreisen der „gehobenen“ und von Havers als elitär betrachteten Gesellschaftsschichten zu führen sind. Dazu kommen Lynleys persönliche Krisen, die meistens entweder seine ehemalige Verlobte Deborah St. James (geb. Cotter), seinen Freund Simon St. James oder aber seine langjährige Vertraute (und spätere Ehefrau) Lady Helen Clyde betreffen. Aber auch Havers muss in Bezug auf ihre Eltern einige Schicksalsschläge meistern und hat zudem im dienstlichen Bereich deutliche Probleme bei der Anerkennung übergeordneter Autoritäten. Ein Adeliger muß sich also mit jemandem aus proletarischen Verhätnissen zusammenraufen.

Die beiden Romane "Im Angesicht des Feindes" und "Wer die Wahrheit sucht" zeigen eine weitere Wandlung: Das „Böse“ ist nicht hinter psychologisch erklärbaren „Abartigkeiten“ oder schlichtweg Dingen wie Untreue oder fanatischer Liebe zu finden, sondern auch im Irrglauben, der uns letztlich mit dem Gedanken zurücklässt, dass nur eine einzige falsche Äußerung genügt, um uns in einen Strudel der Zerstörung zu ziehen.

In "Wo kein Zeuge ist" kommt es durch einen Todesfall am Ende des Romans zu einer tiefgreifenden Änderung im Leben des Thomas Lynley. Die Hintergründe dieser Tragödie beschreibt Elizabeth George in "Am Ende war die Tat". Dieser Roman unterscheidet sich deutlich von ihren bis dahin veröffentlichten Büchern. Hier schildert sie zum ersten Mal keine klassische Krimihandlung, sondern zeichnet ein sozialkritisches Bild der britischen Unterschicht. Ihre Protagonisten Lynley und Havers tauchen gegen Ende kurz auf, spielen jedoch keine zentrale Rolle.

In "Doch die Sünde ist scharlachrot" kehren Lynley und Havers wieder zurück und ermitteln in einem Todesfall an der Küste Cornwalls.

Soweit zur Theorie, wie sie in der Fachliteratur nachzulesen ist. Doch wie sieht die literarische Praxis aus Sicht des Lesers aus?

Irgendwie entsteht schnell der Eindruck, dass man die George`schen Bücher der Reihe nach lesen muss - ansonsten kennt man die beteiligten Personen nicht und versteht ihr Verhältnis zueinander nicht. Sind die Bücher etwa als eine Art Endlos-Fortsetzungsroman angelegt?

Allein schon die hohe Seitenzahl läßt es erahnen: Wer einen Kriminalroman lesen möchte, für den ist die Handlung inhaltlich überfrachtet. Ein Beispiel: Das Privatleben der Havers trägt über weite Strecken nichts zum Fortgang der Geschichte bei. Viele Handlungsstränge hätten also weggelassen und das Augenmerk auf den kriminalliterarischen Teil gelegt werden können; dann wäre auch das Lesevergnügen höher gewesen.

Die Rangbezeichnungen der beteiligten Polizisten werden im englischsprachigen Original belassen. Für den deutschen Leser ist das verwirrend, da hier bei uns die Hierarchie und Abhängigkeitsverhältnisse der britischen Polizei i. d. R. unbekannt sind.

Es entsteht der Eindruck, die George`schen Romane wären für den englischsprachigen Markt geschrieben.

In ihrer Anfangszeit galt Elizabeth George als "Queen" oder neuer "Superstar" der Krimi-Szene. Ihre letzten Werke (Stand 07 / 2024) sind von der Kritik zerrissen worden. Wir dürfen also gespannt sein, wie die nächten Bücher von George von Kritik und Publikum aufgenommen werden.


Dies ist eine Gastrezension von Felicia Rüdig, herzlichen Dank!


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