Die Gateway-Trilogie (Frederik Pohl)

Pohl Gateway Trilogie

Heyne, 2004; 6. Auflage 2013
Originaltitel: Gateway (1976), Beyond the Blue Event Horizon (1980), Heechee Rendezvous (1984)
Übersetzt von Tony Westermayr und Edda Petri, neu durchgesehen und überarbeitet von Rainer Michael Rahn. Vorwort von Terry Bisson, übersetzt von Alexander Martin
Taschenbuch, 928 Seiten
€ 11,00 [D] | € 11,40 [A] | CHF 16,90
ISBN 978-3-453-87905-8

Genre: Science Fiction


Rezension

Frederik Pohl, am 26.11.1919 in Brooklyn, New York, geboren als Frederik George Pohl, Jr., wurde mit 14 Jahren Mitglied in der von Hugo Gernsback 1934 gegründeten Science Fiction League. Ein Jahr später war er aktiv in der Young Communist League, die er nach dem Hitler-Stalin-Pakt enttäuscht verließ. 1937 war er Mitbegründer einer SF-Fangruppe namens Futurians und wurde zwei Jahre später Editor der Magazine Astonishing Stories und Super Science Stories.

Seine Heechee-Reihe begann 1976 mit Gateway, dem noch fünf weitere Bände folgten. Ein Vorläufer der Reihe war die Novelle The Merchants of Venus (1972), eine Satire auf entfesselten Kapitalismus. Die drei ersten Romane der Reihe wurden 2004 in deutscher Übersetzung als Die Gateway-Trilogie bei Heyne veröffentlicht: Gateway (1976; dt. Gateway, Goldmann Taschenbuch 23299, 1978), Beyond the Blue Event Horizon (1980; dt. Jenseits des blauen Horizonts, Goldmann Taschenbuch 23384, 1981) und Heechee Rendezvous (1984; dt. Rückkehr nach Gateway, Goldmann Taschenbuch 23488, 1986). In der deutschen Fassung werden die Heechee als Hitschi bezeichnet.

Band 1: Gateway

Robinette Broadhead, genannt Rob, war Arbeiter in einem Bergwerk zur Gewinnung von Rohstoffen für die Produktion synthetischer Nahrungsmittel. Als er in einer Lotterie genug Geld gewinnt, eine Reise nach Gateway zu unternehmen, nutzt er die Möglichkeit. Gateway ist ein Asteroid, den vor sehr langer Zeit eine Alien-Spezies besucht hat, die Hitschi genannt wird. Diese haben eine Reihe Raumschiffe zurückgelassen, die mit voreingestellten Zielkoordinaten programmiert sind. Es gibt Menschen, als Prospektoren bezeichnet, die bereit sind, diese Raumschiffe zu fliegen. Sie wissen weder, wie die Technologie funktioniert, noch, wohin die Schiffe die Besatzung transportieren. Männliche und weibliche Prospektoren heuern bei einem Konzern an und fliegen mit einem der Schiffe ins Unbekannte, darauf hoffend, dass sie am Zielort Technologien oder andere Artefakte der Aliens finden, die sie der Gateway-Behörde, eher ein Konzern, bringen. Gelingt dies, werden sie gut bezahlt. Manche kommen jedoch nicht zurück, andere ohne Beute.

Gateway ist eines der wenigen Bücher, die den Hugo Award, den Locus Award, den Nebula Award und den John W. Campbell Memorial Award, jeweils als bester Roman, erhalten haben. Der Weltenbau ist großartig und trägt durch die Reihe. Auf intelligente Weise nimmt der Protagonist Robinette die Leserinnen mit durch die Handlung, die auf der Inhaltsebene vermittelt wird, als sei es eine Mysterygeschichte. Er ist ein unzuverlässiger und eher unsympathischer Erzähler, geldgierig, gewalttätig und sexistisch, um nur drei Zuschreibungen vorzunehmen. Er ist ein Zocker, verspielt sehr viel Geld, ist traumatisiert, mit Schuldgefühlen belastet und in Psychotherapie bei einer künstlichen Intelligenz.

Die Erzählung Robinettes erfolgt in der Vergangenheitsform als Erinnerung, dies in jedem zweiten Kapiel. Die anderen Kapitel spielen in den Therapiesitzungen der Gegenwart, in der Robinette Gespräche mit seinem Psycho-Roboter (oder einer Künstlichen Intelligenz, einem elektronischen Analytiker) führt, der sich Sigfrid Seelenklempner nennt. Die Dialoge, sind angereichert mit Reflektionen Robinettes. Die Erinnerungen an die Vergangenheit erzählen davon, wie die brutal durchökonomisierte Welt Robinettes funktioniert, über die damit meist kaum bis gar nicht in Einklang zu bringenden Lebensvorstellungen von Menschen, die in der Klassengesellschaft die unterprivilegierte Masse bilden.

Robinette ist kein Mensch, der heutigen Vorstellungen von Sebstermächtigung nahe wäre. Vielmehr ist er jemand, der in einer nur für wenige Menschen lebenswerten Welt versucht, einen Platz zu finden, auf dem er nicht vorzeitig verschleißt, wie dies in seinem Job der Fall ist, und der sich deshalb, begünstigt durch einen Lotteriegewinn, in das Prospektorensystem einkauft. Dort ist das Überlebensrisiko ebenfalls hoch, aber im Erfolgsfall reduzierbar. Es scheint, Menschen würden sich primär aus Verzweiflung auf das lebensgefährliche Abenteuer der Prospektion einlassen. Im ersten Band spielen keine Hitschi mit, sie bleiben durchgehend eine fremde und rätselhafte außerirdische Kultur.

In Gateway gibt es Auffälligkeiten, die an den Roman Stalker von Arkadi und Boris Strugatzki erinnern. Außerirdische haben in der Vergangenheit die Erde besucht und sind dann verschwunden, haben allerdings Spuren ihres Besuchs hinterlassen. In Stalker sind die Landezonen der Außerirdischen für Menschen lebensgefährliche Orte, weil sie verseucht sind, physikalische Anomalien und jede Menge Fallen enthalten. Es gibt dort Areale mit extremer Gravitation, in denen alles im Wortsinn am Boden zerstört wird, weshalb sich dort einigermaßen sicher nur erfahrene Leute, Stalker genannt, bewegen können. Vergleichbar sind in Gateway die Raumschiffe der Hitschi, deren Inbetriebnahme bereits eine Art Russisches Roulette einleitet. In beiden Romanen sind die wertvollen Technologien der Aliens sehr gefragt. In Stalker werden auf dem Schwarzmarkt hohe Preise bezahlt, in Gateway setzt ein Konzern Menschen, die früher als Glücksritter bezeichnet wurden, Anreize, sich auf lebensbedrohliche Unternehmungen zur Suche von Artefakten der Hitschi einzulassen. Die Technologien und anderen Artefakte der Hitschi sollen vordergründig dazu beitragen, die Außerirdischen besser zu verstehen.

Band 2: Jenseits des blauen Horizonts

Die Handlung von Jenseits des blauen Horizonts setzt einige Jahre nach den Ereignissen von Gateway ein. Robinette Broadhead ist mittlerweile zu Reichtum gelangt, weil er einen Schatz der Hitschi gefunden hat. Er führt ein luxuriöses Leben, würde aber doch gerne wieder als Prospektor arbeiten. Als eine Nachricht aus einem anderen Sternensystem eintrifft, begibt er sich mit einer Crew auf ein neues Abenteuer. Das Schiff fliegt in die Oort´sche Wolke.

Der zweite Teil der Reihe ist bestimmt durch verschiedene Perspektiven, darunter eine nicht-menschliche. Die Hitschi spielen zwar noch immer nicht mit, sind aber für die Handlung von größerer Bedeutung als in Gateway. Ein Hitschi-Artefakt ist zentral für die Entwicklungen in der Geschichte, gelangte in der Urzeit der Menschheitsentwicklung in unser Sonnensystem und wird für eine Technologie zur Nahrungsmittelproduktion gehalten.

Band 3: Rückkehr nach Gateway

In Rückkehr nach Gateway ist Robinette glücklich verheiratet, reich und mit bester Krankenversicherung ausgestattet, was in der Gateway-Welt die Lebenserwartung erheblich bestimmt. Sein Trauma aus dem ersten Band hat er nicht bewältigt. Es gibt zwei Erzählperspektiven, die Robinettes und einer Künstlichen Intelligenz, die Albert genannt wird. Albert ist sprachlich sehr genau, womit Robinette bisweilen Probleme hat. Rückkehr nach Gateway ist dasjenige der drei Bücher, das den Science-Aspekt von Science Fiction am stärksten betont. Die Leserinnen bekommen es mit Physik zu tun, darunter Albert Einsteins Auseinandersetzung mit und Position zur Quantenmechanik (Gott würfelt nicht). Auch erfahren wir mehr über die Hitschi und das sie umgebende Mysterium.


Fazit

Frederik Pohl scheint aus meiner Sicht stärker als mit einer Alien-Spezies befasst mit zwei zentralen Themen: Was bringt Menschen dazu, sich bei vollem Bewusstsein in eine Zukunft hineinzuentwickeln, die nur aus Sicht einer kleinen Gruppe wünschenswert ist? Eine dreckige Welt, mit erschöpften oder überausgebeuteten Ressourcen, dramatischer Überbevölkerung und korrespondierender Nahrungsverknappung. Warum lassen Menschen sich, statt Handlungsfähigkeit zu entwickeln, ihre Lebensbedingungen von reichlich gesättigten Eliten, die in lebensfreundlichen, durch Kuppeln geschützten Städten mit hervorragender Gesundheitsversorgung leben, auf gewisse Weise vorgeben? Sie verkaufen sogar Organe und Körperteile an Reiche, um ein wenig mehr für sich zu haben.


Pro und Kontra

+ Klassiker der Science Fiction, darin viele der heute relevanten Themen hervorragend verhandelt werden
+ gute Charakterisierungen
+ interessante Paarbeziehungen
+ beeindruckender Weltenbau
+ drei lesenswerte Romane für 11€

Wertung:sterne5

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


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Tags: Aliens , Kapitalismuskritik, Frederik Pohl, Psychotherapie, Technologiefolgen