Instinct - Der Tod in den Wäldern (David Gray)

instinct tod in den waeldern

Piper (2024)
Paperback, 304 Seiten, 18,00 EUR
ISBN  978-3-492-06459-0

Genre: Ökothriller / Near-Future-Thriller


Klappentext

In der Wildnis hört dich niemand schreien

Europa in 100 Jahren: Um den Klimawandel aufzuhalten, haben sich die Menschen in hypermoderne Metropolen zurückgezogen und das Land dazwischen zu gigantischen Naturreservaten erklärt. Elena ist Wildhüterin in einer abgelegenen Überwachungsstation mitten in dieser Wildnis. Als sie seltsame Spuren entdeckt, glaubt sie zunächst an Wilderer. Könnten diese hinter dem mysteriösen Verschwinden ihres Vorgängers stecken? Als Elena Nachforschungen anstellt, hat dies verheerende Folgen. Eine umbarmherzige Jagd beginnt, denn die Wahrheit ist ebenso schockierend wie tödlich ...


Rezension

Im frühen 22. Jahrhundert leben die Menschen in hochtechnisierten Metropolen und haben große Teile Europas in Naturreservate umgewandelt, die von militärisch organisierten Feldhütern überwacht werden. Diese beobachten Tierbewegungen und gehen gegen Waldbrände und Wilderer vor. Feldhüterin Elena bekommt erstmals das Kommando über ein eigenes kleines Feldhüterkollektiv. Ihr Vorgänger ist im Einsatz verschollen und wurde kürzlich für tot erklärt, was Elenas neuer Kollege Nemzew nicht akzeptieren kann. Entgegen ihrer Befürchtungen funktioniert die Zusammenarbeit mit Nemzew zunächst gut, ebenso mit den anderen beiden Männern in ihrem Kollektiv. Doch schnell stellen sich die erwarteten Probleme ein und der Schatten ihres Vorgängers verfolgt sie. Elena stellt Nachforschungen an und entdeckt immer mehr Ungereimheiten. Ihr Vorgänger war einem dunklen Geheimnis auf der Spur, das nun auch für Elena zur tödlichen Gefahr wird ...

David Gray arbeitet in "Instinct - Der Tod in den Wäldern" mit einem Near-Future-Setting und beginnt in einer der gigantischen Metropolen, die ein wenig an Solarpunkstädte erinnern: grün, sauber, hochtechnisiert. Viel mehr erfährt man über die Metropolen nicht, denn bald schon geht es hinaus in die Wildnis, genauer gesagt in ein Reservat, das sich über die deutsch-polnische Grenze erstreckt. Elena und die drei Männer ihres Kollektivs leben zusammen in einem Wachturm und überwachen ihr Gebiet mit der Hilfe von unzähligen Kameras und Drohnen. Die Feldhüter sind ausgebildet wie Militärs, schließlich müssen sie gegen bewaffnete Wilderer vorgehen und auch so manch große Tiere können zur Gefahr werden. Um in den Reservaten zu bestehen, muss das Team zusammenhalten - woran es schneller hapert, als Elena lieb ist. 

Elena ist als weibliche Hauptfigur leider mit so manchem Geschlechterklischee behaftet, umgekehrt allerdings auch ihre männlichen Kollegen. Kaum hat Elena das Kommando übernommen, bemerkt sie ihre Schwangerschaft, die sie zunächst geheimhalten will. Schließlich weiß sie nicht, ob sie das Kind behalten will und tendiert zu einem Abbruch, was in der zukünftigen Gesellschaft aufgrund der niedrigen Geburtenraten unerwünscht ist. Die hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft machen ihr zu schaffen und sie wird in ihrer Führungsrolle zunehmend unsicherer. Sie zieht sich oft zurück und verpasst es so, Beziehungen im Team aufzubauen und Vertrauen zu gewinnen. Nemzew, der deutlich älter als Elena ist, legt ihr einige Steine in den Weg, hat mit seiner Kritik an ihr aber manchmal auch Recht. Er wirkt wie ein alter, hartgesottener Soldat, während die anderen beiden Männer teilweise wie pubertierende Jungs rüberkommen. Dabei sind sie eigentlich interessante Charaktere, die wenig Raum zur Entfaltung bekommen, da die Handlung sich auf Elena konzentriert. 

Die erste Romanhälfte plätschert vor sich hin. Was man von der nahen Zukunft sieht, gefällt, doch alles wirkt skizzenhaft und es mangelt an Details, die das Setting lebendig zeichnen. In der Zukunft setzen sich beispielsweise neue Religionen durch, die durch Medienspektakel Massen begeistern, doch man erfährt nicht wirklich viel darüber. Ebenso erfährt man wenig über die politischen Verhältnisse und den Alltag der Menschen in den Metropolen. David Gray legt den Fokus auf das Reservat und zeigt zunächst den Feldhüteralltag. Richtig spannend wird es erst in der zweiten Romanhälfte, als Elena und ihr Team in der Wildnis stranden und unbekannten Kreaturen begegnen, die sie angreifen. Es kommt zu einer nervenaufreibenden, tödlichen Jagd durch den Wald und schließlich findet Elena heraus, was ihrem Vorgänger zugestoßen ist. Der Roman bekommt Resident-Evil-Vibes und kippt ein wenig Richtung Horror, inklusive größenwahnsinniger und verwerflicher Forschung. 

"Instinct - Der Tod in den Wäldern" eignet sich vor allem für Thrillerfans, die einem SF-Setting gegenüber aufgeschlossen sind. Für sie dürfte der SF-Anteil einige interessante Ideen bieten und in der zweiten Romanhälfte gibt es reichlich Action. Für SF-Leser*innen hingegen gibt es hier wenig Neues. Der Roman erinnert mit den bewaffneten Feldhütern an Military SF und man könnte sich ebenso vorstellen, wie Elena und ihr Team auf einem fremden Planeten unterwegs sind und aggressiven Aliens begegnen. Doch sie sind auf der Erde und kämpfen sich durch unsere Wälder, die David Gray detailreich und stimmungsvoill beschreibt. 


Fazit

"Instinct - Der Tod in den Wäldern" bietet ein interessantes Near-Future-Setting, das David Gray nur skizzenhaft ausbaut und sich stattdessen auf das Leben der Feldhüter in den Reservaten und den dort lauernden dunklen Geheimnissen konzentriert. Der Showdown ist fesselnd, blutig, sehr atmosphärisch und dabei ein Mix aus Science Fiction und Horror, inklusive dem Archetyp des wahnsinnigen Wissenschaftlers. 


Pro & Contra

+ interessanetes Near-Future-Setting mit utopischen Zügen
+ viel Spannung und Atmosphäre in der zweiten Romanhälfte
+ Showdown als Mix aus Science Fiction und Horror 
+ widmet sich ethischen Fragestellungen

o für Thrillerfans, die Lust auf ein bisschen SF haben

- in den ersten Hälfte langatmig
- unzureichendes Worldbuilding
- Figuren mit zu vielen Geschlechterklischees

Wertungsterne3

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


Interview mit Ulf Torreck / David Gray (2020)

Tags: Near Future, Ökothriller