Kampa Verlag (2021)
Gebundene Ausgabe
192 Seiten, 17,90 EUR
ISBN: 978-3311130192
Genre: Krimi
Klappentext
Der junge Inspektor Philippe Lauer hat einen Fehler gemacht: Der Pächter des Nachtlokals Floria, das er überwachen sollte, ist umgebracht worden, und in all der Aufregung hat Philippe auch noch Spuren am Tatort hinterlas- sen. Jetzt glaubt die Polizei, er selbst habe den Mann getötet. Da kann nur einer helfen: Jules Maigret, Kommissar im Ruhestand und Philippes Onkel. Als Maigret aus Meung-sur-Loire nach Paris zurückkehrt, stellt er fest, dass am Quai des Orfèvres inzwi- schen ein ganz anderer Wind weht. Dem Ex-Kommissar werden mehr als nur ein paar Steine in den Weg gelegt.
Rezemsion
Philippe Lauer ist ein junger Polizeiinspektor. Er erlebt eines Nachts, mitten im Dient, einen Alptraum. Es wird nicht nur der Mann, den er beschatten soll, vor seinen Augen umgebracht, erschossen, um genau zu sein. Philippe verliert auch noch die Nerven – er hinterlässt am Tatort Spuren, die ihn zum Hauptverdächtigen machen. In dieser Notsituation kann nur noch Jules Maigret helfen. Der (Ex-)Kommissar ist allerdings in Rente und lebt an der Loire. Soweit zur Inhaltsangabe.
Um dieses Buch richtig einordnen zu können, sei in Blick in seine Entstehungsgeschichte geworfen. In den 1920er Jahren war Georges Simenon ein äußerst produktiver Autor von Groschenromanen und Kurzgeschichten aus verschiedenen Genres der Trivialliteratur, die er unter einer Vielzahl von Pseudonymen publizierte. Bevorzugt schrieb er an Bord zweier Boote, mit denen er 1928 die Flüsse und Kanäle Frankreichs und im Folgejahr die Atlantikküste über Belgien, die Niederlande bis zur Ostsee bereiste. Auf diesen Reisen entwickelte Simenon zum ersten Mal die Figur Maigret, die ihn berühmt machen sollte.
Simenon beschrieb später, dass sein Boot, die Ostrogoth, im Winter 1929/1930 im Hafen von Delfzijl, einer Stadt der nördlichen Niederlande, vor Anker lag. Er selbst saß an einem sonnigen Vormittag in einem Café und hatte etwas getrunken, als ihm die Figur des Polizeikommissars in den Sinn kam.
Im Widerspruch zu diesen Aussagen entschlüsselte die Simenon-Forschung, dass Pietr-le-Letton zwar der zuerst geschriebene der heute bekannten 75 Maigret-Romane war, dass die Figur Maigret allerdings bereits in vier zuvor entstandenen und unter Pseudonym veröffentlichten Romanen einen unterschiedlich langen Auftritt hatte.
Die Maigret-Romane waren die ersten Werke, die Simenon nicht unter Pseudonym, sondern unter seinem Realnamen veröffentlichte. Trotz ihres großen Erfolgs ließ Simenon die Reihe 1934 nach neunzehn Romanen auslaufen. Im abschließenden Band mit dem schlichten Titel Maigret (deutsch: Maigret und sein Neffe) befand sich der Kommissar bereits im Ruhestand. Simenon, der nach eigenen Worten die Maigrets als „halbliterarische Romane“, als „Sicherheitsnetz“ auf dem Sprung zu wirklicher Literatur betrachtete, wandte sich von 1934 an ausschließlich den Non-Maigret-Romanen zu, mit denen er sich als ernsthafter Literat einen Namen machen wollte. Doch bereits vier Jahre später erschienen die ersten Maigret-Erzählungen in verschiedenen Zeitungen. 1942 kehrte Simenon endgültig in Form eines Sammelbandes unter dem Titel Maigret revient (Maigret kehrt zurück) mit Romanen zu seiner populärsten Schöpfung zurück. Von da an entstanden die Maigret- und Non-Maigret-Romane in ständigem Wechsel, bis sich Simenon 1972 endgültig von den fiktionalen Werken zurückzog. Sein letzter Roman war noch einmal ein Maigret-Roman: Maigret et Monsieur Charles.
Was seine Persönlichkeit sowie seinen fiktiven Lebensweg angehen, sei auf den Wikipedia-Artikel „Maigret“ (Stand: 21. August 2024) verwiesen. Er bietet eine sehr gelungene und doch leicht verständliche literaturwissenschaftliche Einführung.
Zum Verständnis dieses vorliegenden und hier besprochenen Buches ist die Aussage wichtig, daß Maigret quasi ein Anti-Sherlock-Holmes ist und seine Fälle eher intuitiv löst. Kriminaltechnik / Spurensicherung und Forensik können andere.
Und was ist von diesem Buch zu halten? Das französischsprachige Original ist im Jahre 1934 entstanden und erschienen. Anfangs geht es um Philippe Lauer, den Maigret`schen Neffen. Er rückt ganz schnell in den Hintergrund, als Onkel Jules in Aktion tritt und als Kommissar Maigret in den Vordergrund rückt.
Wir erleben als Leser eine Zeitreise und lernen faktisch das Pariser Nachtleben, seine Unterwelt sowie die Polizeiarbeit der 1920er Jahre kennen. Wie wenig hat das doch mit den Errungenschaften moderner Technik zu tun, wenn etwa Maigret die Vermittlungsstelle von Telefongesprächen für die Mitschrift eines Geständnisses des Geständnisses eines Mörders braucht.
Maigret bekommt hier faktisch seine Grenzen aufgezeigt. Als Ruheständler hat er nicht die Möglichkeiten, die der Polizei zur Verfügung stehen, wird sogar teilweise als ihr Konkurrent angesehen. Er muß quasi „psychologische Kriegsführung“ betreiben, um Erfolg zu haben.
Wie könnte ein Fazit aussehen? Das Buch gefällt. Es bietet einen gut lesbaren Blick in die Kriminalliteraturgeschichte.
Dies ist eine Gastrezension von Andrewas Rüdig, herzlichen Dank.