Der Glöckner von Notre-Dame (Victor Hugo, Georges Bess, Pia Bess)

Notre Dame

Verlag: Splitter; (Mai 2024)
Gebundene Ausgabe: 208 Seiten; 39,80 €
ISBN-13: 978-3-98721-400-4

Genre: Literaturadaption


Rezension

1482. Am Dreikönigstag findet in Paris das Narrenfest statt. Im Justizpalast von Paris wird ein Theaterstück von Pierre Gringoire aufgeführt. Doch schon bald verlieren die Parise das Interesse daran und wählen stattdessen einen Narrenpapst nach alter flämischer Sitte, wie Jacob Coppenole vorschlägt. Zu diesem wird der Glöckner von Notre-Dame, der taube und etwas einfältige Quasimodo, gewählt. Gleichzeitig zieht die „Ägypterin“ Esmeralda mit ihrem Tanz und den Kunststücken ihrer Ziege die Aufmerksamkeit diverser Menschen, unter anderem die des Archidiakons Frollo, auf sich. Und damit beginnen Verwicklungen, die dazu führen, dass Esmeralda in Lebensgefahr gerät und Frollo immer weiter hinab in den Abgrund seiner Seele steigt.

Victor Hugos Roman Der Glöckner von Notre-Dame als Meisterwerk und großen Klassiker der Literatur zu bezeichnen, ist wie Eulen nach Athen tragen. Der Roman gehört zu den bekanntesten Werken seiner Zeit und selbst unter den Romanen Victor Hugos sticht er neben Les Misérable heraus. Hugo verbindet in seinem Roman viele Anliegen und zeigt den harten Kontrast zwischen der Schönheit und dem Hässslichen und das das eine immer auch in dem anderen liegen kann. Teilweise wirken manche Stellen grotesk und doch ernst und wahr.
Kein Wunder also, dass Der Glöckner von Notre-Dame bereits zigfach als Film, Serie und auch Comic umgesetzt wurde.
Nun also hat sich Georges Bess ans Werk gemacht, um aus Hugos Werk einen Comic zu machen. Wobei das wohl tatsächlich zu kurz gegriffen wäre. Den sein Glöckner von Notre-Dame bewahrt den literarischen Anspruch. Das soll nicht heißen, dass Comics keine Literatur wären, sondern vielmehr, dass sich sein Glöckner noch immer mehr wie ein Roman liest, in dem Sinne, dass die Wortgewalt des Werkes an nichts einbüßen muss. Das darf auch gar nicht sein, da sie gegen die Bildgewalt von Georges Bess Zeichnungen bestehen muss. Nur im Zusammenspiel dieser beiden Teile des Comics entsteht hier ein wirklich sehr gutes Werk.
Ein Umstand der das unterstreicht, ist die Tatsache, dass Georges Bess viel weniger wegfallen lässt, als andere Umsetzungen vor ihm. Er greift auch viele der Nebenhandlungsstränge des Romans auf, die ansonsten bei anderen Interpretationen des Romans durchaus zu kurz kommen. Sei es der Bruder des Archidiakons oder dessen Beschäftigung mit der Alchemie, Georges Bess greift all dies auf. So bleiben die Charakterisierungen der Figuren aus Hugos Roman erhalten und Georges Bess erreicht mit seinen Glöckner von Notre-Dame eine große emotionale Tiefe. Kenner des Romans dürften also nicht wirklich viel vermissen. Dennoch ist Georges Bess Umsetzung keine einfache Bebilderung des Romans, sondern besitzt Eigenständigkeit in dem Sinne, dass er mit seinen Zeichnunen so manches zusätzlich unterstreichen und in den Vordergrund stellen kann. Und dies macht er ungemein gut.

So gut die inhaltliche Adaption des Werkes von Victor Hugo auch gelungen sein mag und Georges Bess hat hier wirklich großartige Arbeit geleistet, so greift man zu einem Werk von Bess vor allem wegen seiner unvergleichlichen Art so einen Literaturklassiker in Szene zu setzen. Dracula und Frankenstein waren opulent und großartig und Der Glöckner von Notre-Dame steht diesen in Nichts nach. Ganz im Gegenteil, wenn sich überhaupt etwas geändert hat, dann, dass Bess noch besser geworden ist. Seine Zeichnungen ziehen den Leser vom ersten Moment an in die Geschichte. Der Flug der Glocken ist atemberaubend schön und er weiß genau, wann er protzen, wann er opulent und wann er einfacher in seinen Zeichnungen werden muss. Bilder von bildgewaltigen hohem Detailgrad wechseln sich mit schwarzen Silhouetten vor weißem Hintergrund ab. Teilweise bleiben Seiten fast weiß und nur einzelne Bilder stehen im Mittelpunkt der Seite. Dracula und Frankenstein waren beeindruckend, waren atmosphärisch dicht, aber mit Der Glöckner von Notre-Dame hat Georges Bess endgültig seine Erzählform und -rhythmus gefunden. Jeder Strich, jedes Panel wird genau an die Stelle gesetzt, wo es sinnvoll ist und die größtmögliche Wirkung erzielt. Seine Seitenaufteilung ist vollkommen frei und unterwirft sich den Notwendigkeiten der Geschichte und ihrer Atmosphäre. Immer wieder verharrt man beim Lesen, gefangen in den Bildern die Georges Bess aufs Papier bringt und was sie in einem auslösen.


Fazit

Der Glöckner von Notre-Dame aus der Feder von Georges Bess ist ein Musterbeispiel des graphischen Erzählens. Seine Bilder sind atmosphärisch, opulent und wenn nötig grausam. Einen visuell besseren Glöckner von Notre-Dame wird es wohl nicht mehr geben.


Pro & Contra

+ nahe an der Romanvorlage
+ Zeichnungen von Georges Bess

Bewertung:sterne5

Charaktere: 5/5
Handlung: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Georges Bess:

Rezension zu Dracula
Rezension zu Frankenstein

Literatopia-Links zu weiteren Titeln mit Bezug zu Victor Hugo:

Rezension zu Der Glöckner von Notre-Dame (Robin Recht, Jean Bastide) Bd.1
Rezension zu Der Glöckner von Notre-Dame (Robin Recht, Jean Bastide) Bd.2
Rezension zu Victor Hugo – Im Exil