Interview mit Phillip P. Peterson
Literatopia: Hallo, Phillip! In Kürze erscheint Dein neuer SF-Roman „Luna“ bei Fischer TOR. Für Space-Touristin Luna endet die Reise zum Mond in einem Alptraum – sie stürzt ab und kann sich als einzige in eine Forschungsstation retten. Wie überlebt sie alleine auf dem Mond?
Phillip P. Peterson: Es ist natürlich ein Alptraum, wie er sich aus dem Szenario von Touristenflügen in den Weltraum ergibt: Es kommt zu einem Unglück und alle, die sich auskennen sind tot. Das geschieht mit Luna auf dem Mond und sie muss dort allein klarkommen, obwohl sie zumindest einen Funkkontakt zur Erde herstellen kann. Zunächst hat sie alles, was sie braucht in der Station, aber Wasser und Luft sind knapp und halten nicht bis zu einer möglichen Rettung. Sie kommt dann auf einige fantastische Ideen, aber die möchte ich im Interesse der zukünftigen Leser nicht jetzt schon verraten.
Literatopia: Lunas Rettung führt zu internationalen Verwicklungen – inwiefern?
Phillip P. Peterson: Um die auf dem Mond gestrandete Luna zu retten, muss erst einmal die Absturzursache des Raumschiffes gefunden werden, da sonst eine Wiederholung droht. Ingenieurin Charlie hat die Aufgabe, dem nachzugehen und stößt auf Ungereimtheiten bei Raumschiffkomponenten, die in Japan und China gefertigt werden. Sabotage ist eine Möglichkeit. Aber von wem? Firmen? Geheimdienste? Die Konkurrenz im Weltall ist groß und bei ihren Ermittlungen stößt Charlie nicht nur auf verdächtige Firmenleitungen, sondern auch mit ausländischen Regierungsbeamten zusammen.
Literatopia: Ein Mensch, ganz allein auf einem lebensfeindlichen Planeten (bzw. Mond), wenig Wasser und Nahrung – das erinnert an Andy Weirs „Der Marsianer“. Gibt es weitere Parallelen oder ist „Luna“ eine ganz andere Geschichte?
Phillip P. Peterson: Es ist eine klassische Survivalstory. Auch wenn „Der Marsianer“ ein neueres, sehr prominentes Beispiel dieses Subgenres der SF ist, so gab es dieses Szenario schon deutlich früher, wenn man nur mal an „Robinson Crusoe auf dem Mars“ von 1964 denkt. Aber am Ende gibt es neben der ähnlichen Prämisse aber genug Trennendes. Die Idee hatte ich jedenfalls unabhängig von Weirs Roman. Aber ich bin auch immer wieder überrascht, wenn Leser bemerken, meine Roman X wäre so ähnlich wie der alte Roman Y. Es wurden halt schon unfassbar viele Bücher geschrieben, so dass ganz neue Ideen doch eher selten sind.
Literatopia: Ingenieurin Charlie soll herausfinden, warum es zu dem Absturz kam – ob es sich um einen Defekt oder gar Sabotage handelt. Erzähl uns mehr über Charlie: was ist sie für ein Mensch? Wie geht sie bei der Fehleranalyse vor?
Phillip P. Peterson: Charlie ist erfahrene Ingenieurin und hält sich meist an die Vorgaben. Die FAA hat genaue Prozeduren, wie man bei der Ursachenforschung von Flugunglücken in Luftfahrt und Raumfahrt vorgeht. Allerdings vertraut Charlie auch gern ihren Instinkten, was sie nicht selten auch mal in Schwierigkeiten bringt.
Literatopia: Du hast Luft- und Raumfahrttechnik studiert und kennst Dich damit bestens mit der Wissenschaft hinter der Science Fiction aus. Musst Du trotzdem noch viel recherchieren? Wie gehst Du dabei vor?
Phillip P. Peterson: Recherche gehört zu jedem Roman mit dazu. Es ist bei der Beschreibung von Vorgängen im Inneren von Raumfahrtbehörden oder der Industrie natürlich von Vorteil, wenn man die Gepflogenheiten und die vorherrschenden Charaktere mit ihren Denkweisen dort kennt. Man kann Situationen dann glaubwürdiger und plastischer schreiben. Bei der Beschreibung von Orten, die man noch nicht kennt, hilft dann Wikipedia oder Google Maps. Ich habe im Regal noch einige Fachbücher, aber die hole ich inzwischen nur noch selten raus. Es bringt auch nichts, die Leser mit Fachwissen zu überfrachten.
Literatopia: Wie realistisch sind Deine SF-Romane? Stützt Du Dich ganz auf wissenschaftliche Erkenntnisse? Oder erfindest / verbiegst Du manches für die Spannung?
Phillip P. Peterson: Es war meine Anfangsmotivation, selber SF zu schreiben, nachdem ich einige Romane gelesen hatte, bei denen der Autor die Physik entweder nicht verstanden oder absichtlich mit Füßen getreten hat. Es ärgert mich, wenn Autoren schlecht recherchieren oder einfach ihre Arbeit nicht machen. Das kommt leider in der letzten Zeit immer häufiger vor. Das hat dann auch mit SCIENCE-Fiction nichts mehr zu tun, sondern ist dann in meinen Augen lediglich Space Fantasy. Ich selbst unterscheide ein wenig. Wenn wie bei „Luna“ die Handlung in der Gegenwart oder in der nahen Zukunft spielt, dann fahre ich knallharten Realismus. Spielt der Roman in der fernen Zukunft und hat dann auch noch einen Kern aus dem Horror-Genre, dann ist der Realismus nicht mehr so wichtig. Aber auch dann sollte man noch die Grundgesetze der Physik beachten.
Literatopia: Du bist ein sogenannter Hybridautor und veröffentlichst im Selfpublishing und bei Verlagen. Bietest Du alle Manuskripte erst einmal Verlagen an? Oder weißt Du bei manchen Geschichten schon vorher, dass Du sie selbst veröffentlichen willst?
Phillip P. Peterson: Ich bin inzwischen reiner Verlagsautor und veröffentliche nicht mehr im Selfpublishing. Nachdem die gängigen Portale in den letzten Jahren von Selfpublishing-Titeln überflutet wurden, die leider auch qualitativ nicht gerade überzeugen, viele noch nicht einmal ein vernünftiges Lektorat durchlaufen haben, garantieren Verlagstitel dem Leser immer noch ein hochwertig produziertes Werk. Ich habe einen Agenten, der mir hilft, für jedes Buch den passenden Verlag zu finden.
Literatopia: Deine ersten Romane hast Du selbst veröffentlicht. War Dir damals bewusst, wie viel Aufwand damit verbunden ist? Was waren die größten Steine, die Du aus dem Weg räumen musstest?
Phillip P. Peterson: Ich habe das als Herausforderung gesehen und - offen gesagt – mag ich Herausforderungen und die Gelegenheit, Neues zu lernen. Ich habe Schreibschulen besucht und sehr viel über das Schreibhandwerk gelernt, bevor ich auch nur den ersten Satz geschrieben habe. Eine Herausforderung war das Marketing, denn das beste Buch verkümmert im Regal, wenn man niemanden dazu bringen kann, es zu kaufen.
Literatopia: Zu Deinen literarischen Vorbildern gehören Stephen Baxter, Arthur C. Clarke und Larry Niven. Was fasziniert Dich an ihren Werken?
Phillip P. Peterson: Bei Baxter schätze ich die Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte zu erklären. Bei Clarke mochte ich die grandiosen Visionen und bei Niven den spannenden, realistischen, mitunter aber auch humorvollen Schreibstil.
Literatopia: Wann und warum hast Du angefangen, Science Fiction zu schreiben? Entstand die Begeisterung aus Deinem Studium heraus oder hast Du schon zuvor eigene Geschichten verfasst?
Phillip P. Peterson: Ja, ich habe schon während der Schulzeit meine Freunde mit selbstgeschriebenen Geschichten beglückt. Während des Studiums habe ich für einen Raumfahrt-Fachverlag über Space-Shuttle-Missionen geschrieben.
Literatopia: Vor dem Schreiben kennst Du bereits den groben Inhalt Deiner Romane. Wie gehst Du bei der Planung vor? Und ändert sich während dem Schreiben dann doch noch vieles?
Phillip P. Peterson: Bei den letzten Romanen habe ich die Handlung komplett vorher entworfen bis hin zur Inhaltsangabe der einzelnen Kapitel. Ein ausgearbeitetes Exposé hilft ungemein, einen Verlag zu finden, wenn man noch kein fertiges Buch vorliegen hat. Dann muss man sich auch größtenteils dran halten. Bei einem früheren Selfpublishing-Buch habe ich aber auch schon mal nach dem zehnten Kapitel die ganze Handlung verworfen und von vorne angefangen, weil das Zusammenspiel zwischen Handlung und Charakteren nicht passte. Mit wachsender Erfahrung kommt so was aber dann immer seltener vor.
Literatopia: Zum Schreiben gehört auch das Überarbeiten – in mehreren Durchgängen. Wie ist es für Dich, Deine eigenen Romane wieder und wieder zu lesen? Und wann weißt Du, dass Du nichts mehr ändern willst und der Roman fertig ist?
Phillip P. Peterson: Ja, das Überarbeiten, das Feilen am Text ist integraler Bestandteil der Autorenarbeit. Während man die ersten Überarbeitungen allein macht, bekommt man später auch Fassungen von Lektorat, Korrektorat und Layout mit der Bitte um Überarbeitung zurück. Auch dann, wenn man eigentlich schon mit dem nächsten Roman beschäftigt ist. Das macht dann nicht immer Spaß, weil man das Buch dann längst nicht mehr sehen kann, aber wenn man den Anspruch hat, eine qualitativ hochwertige Arbeit abzuliefern, dann gehört das einfach zum Schaffensprozess mit dazu.
Ein Buch ist in meinen Augen bereit zur Veröffentlichung, wenn alle Inhaltlichen Probleme gelöst, alle Unklarheiten beseitigt und alle Fehler ausgemerzt sind. Alle Sätze muss man im Eiltempo lesen können, ohne über irgendwas zu stolpern und es muss immer klar sein, was und wer gemeint ist. Erst dann kann der Leser tief in eine Geschichte eintauchen und vor lauter Bildern im Kopf vergessen, dass er gerade ein Buch liest, in dem eigentlich nur tausende Buchstaben aneinandergereiht sind.
Literatopia: Auf Deiner Website in den FAQ sprichst Du über eine nicht sehr wahrscheinliche Verfilmung Deiner „Transport“-Reihe. Dazu müsste diese in den USA ein Erfolg werden. Einige Deine Bücher gibt es auch auf Englisch – wie ist die Resonanz im Ausland?
Phillip P. Peterson: Es gibt einige englischsprachige Übersetzungen, die ich selber beauftragt habe und dann als Selfpublisher herausgegeben habe. Obwohl die Bücher finanziell erfolgreich waren, kann man nicht von einem Bestseller sprechen. Die Konkurrenz ist deutlich größer und aus Deutschland heraus sind die Möglichkeiten des Marketings begrenzt. Im Moment versuche ich aber zusammen mit meinem Agenten, für den Roman „Vakuum“ einen amerikanischen Verlag zu suchen.
Literatopia: Würdest Du uns abschließend etwas über zukünftige Veröffentlichungen verraten? Auf Deiner Website steht, Dein nächster Roman soll ein Psychothriller mit Mystery- und Horrorelementen werden – ohne SF-Elemente?
Phillip P. Peterson: Ja, ich bin nach zehn Jahren und zwanzig Romanen etwas SF-müde. Ich habe das Gefühl, hier erst einmal alles erzählt und auch alles erreicht zu haben. Meine aktuellen Ideen kommen alle aus dem Thrillerbereich und in dem entsprechenden Regal werden sich die nächsten Romane wohl dann auch finden. Bis das nächste Buch kommt, wird es aber noch etwas dauern, da ich mir im Moment – auch wegen anstehender privater Projekte – ein niedrigeres Schreibpensum gönne.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!
Autorenfoto: Copyright by Phillip P. Peterson
Autorenwebsite: https://www.raumvektor.de
Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.