Amrûn Verlag (Oktober 2024)
Taschenbuch, 620 Seiten, 16,00 EUR
ISBN: 978-3958694279
Genre: High Fantasy / Romantasy
Klappentext
Wer ein Ritter wird, entscheidet die Herkunft.
Wer ein Ritter ist, entscheidet das Herz.
Idalir, die Stadt aus Stein und Schnee, ist seit tausend Jahren in einen Krieg mit den Drachen verstrickt. Flores, der junge Adelige mit der falschen Herkunft, wünscht sich nichts mehr, als seiner Familie Ehre zu machen. Inmitten eines Drachenangriffs taucht plötzlich ein Fremder auf: Raban, ein Arzt aus dem fernen Abrantes, den die Wissenschaft ins ewige Eis gelockt hat. Kaum angekommen, findet Raban sich in der Rolle des Lichtbringers wieder, eines göttlichen Gesandten, der den Drachenkrieg beenden soll. Flores ist bereit, für den Lichtbringer zu sterben. Doch der will das um keinen Preis zulassen.
Rezension
"Zwei Sterne leuchten viel heller als einer."
Die Winter in Idalir, einer Elfenstadt im hohen Norden, sind lang und bitter kalt. Die Göttin Skadi soll die Elfen beschützen und jedem seinen Platz zuweisen und während die einen in Palästen wohnen und Adelstitel tragen, hausen andere vor den Toren der Stadt unter erbärmlichen Bedingungen. Dazu herrscht Krieg – Drachen bedrohen Idalir und nach einer eher ruhigen Zeit häufen sich die Angriffe.
Flores Tempeste stammt aus einer Ritterfamilie, allerdings wird er von der hohen Gesellschaft ausgegrenzt, da er nicht das leibliche Kind seines Vaters ist. So ist er selbst kein Ritter, sondern Seneschall und organisiert den Haushalt. Doch sein Schicksalsspruch prophezeit ihm einen heldenhaften Tod, als Beschützer des Lichtbringers, der eine Zeitenwende einläuten soll. Als Flores während eines Drachenangriff einen fremden Südländer rettet, zeigt dieser überraschend magische Heilkräfte und wird als Lichtbringer verehrt. Wird Flores für diesen Mann sterben? Und lässt sich so ein Schicksalsspruch nur auf eine Weise interpretieren?
Der Südländer heißt Raban, ist ein Mensch und stammt aus Abrantes – wer bereits Romane von Juri Pavlovic kennt, dürfte sich über die Verbindung freuen, Vorkenntnisse sind jedoch für die Lektüre von „7 Sorten Schnee“ nicht notwendig. Der Roman ist eigenständig und in sich abgeschlossen – und erweitert die Fantasywelt um ein Elfenreich aus Eis und Schnee, inspiriert von nordischen Traditionen. Das Leben in Idalir ist hart, für manche härter als für andere, und die gesellschaftliche Hierarchie ist starr und von Mythen um die Göttin Skadi geprägt. Flores ist überzeugt davon, dass Skadi die Stadt beschützt und alles genauso ist, wie es sein soll. Er sieht die Ungerechtigkeit und nimmt sie hin, ist jedoch nicht arrogant oder verbittert, sondern stets hilfsbereit, auch denen gegenüber, denen es schlechter geht und die ihren Zorn an ihm auslassen. Der Schicksalsspruch seines Vaters legt der Familie Wohltätigkeit auf und während Flores die Armen mit Vorräten versorgt, behalten die anderen Adelsfamilien ihre Reichtümer für sich. Flores erkennt zwar die Notwendigkeit, dass alle helfen, doch aufgrund seiner Religion akzeptiert er die Abweisungen.
Raban hingegen spricht die Ungerechtigkeiten in Idalir offen an, was Flores so manches Mal in Verlegenheit bringt. Wäre Raban nicht der Lichtbringer für die Elfen, würden sie ihn als Häretiker hinrichten lassen. Für Flores ist er der schönste Mann der Welt und er verliebt sich heftig, doch zunächst scheint nicht mehr als Freundschaft möglich. Eigentlich wollte Raban, ein reisender Arzt, nur die Bibliothek von Idalir besuchen und mehr über Pflanzen lernen, doch die Entdeckung seiner Heilmagie verpflichtet ihn dazu, Verletzten und Kranken zu helfen. Auch wenn es ihm höchst unangenehm ist, als religiöse Figur und Heilsbringer verehrt zu werden, beschließt Raban, die Umstände zu nutzen, um anderen zu helfen. Dabei verbirgt er ein Geheimnis, das über die Zukunft der Stadt entscheidet. Juri Pavlovic streut einige Hinweise ein und wer aufmerksam liest, ahnt bald, worum es geht.
Das Erzähltempo ist ruhig und im erste Drittel bleibt viel Zeit, die Figuren und die Stadt vorzustellen. Flores Familie spielt eine zentrale Rolle und ist für ihn sehr wichtig. Seine gesellschaftliche Schlechterstellung akzeptiert er und macht niemandem Vorwürfe, auch wenn Raban sich immer wieder über die Ungerechtigkeit aufregt. Flores bittet ihn darum, seine Kultur zu respektieren, von der er lange voll und ganz überzeugt ist. Sein Vater hat ihn innerhalb der Familie stets wie sein eigenes Kind behandelt, dennoch bleibt Flores ein Geächteter und steht weit hinter seinem Bruder, der Ratsmitglied ist und sich zum Negativen verändert hat. Flores hält dennoch zu ihm, da er seine guten Seiten kennt. Überhaupt blickt Flores vor allem auf die positiven Seiten seiner Mitelfen und verzeiht vieles, weshalb er anfangs etwas naiv wirkt. Doch das ist er eigentlich nicht, er ist einfach ein herzensguter Kerl, der unheimlich empathisch, hilfsbereit und duldsam ist. Durch Raban hinterfragt Flores seinen Glauben (beziehungsweise seiner Auslegung), hält aber an ihm fest.
"Ihr seid schwer zu ertragen, ihr beiden. Man könnte anfangen, an das Gute in der Welt zu glauben."
Juri Pavlovic bindet die Familie immer wieder ein und arbeitet gut heraus, dass Flores Entscheidungen stets Auswirkungen auf die haben, die ihm nahestehen. Auf seine Familie, aber auch auf seine Freunde, die teils wie Familie für ihn sind. Er ist als Held kein einsamer Kämpfer, kein Auserwählter, sondern ein pflichtbewusster Familienelf. Raban ist ebenfalls sehr hilfsbereit und opfert sich für die Kranken auf, doch er ist nicht ganz so umsichtig und vertrauensvoll wie Flores. Vor allem sieht er all die Probleme mit der Religion um Skadi, die letztlich dazu dient, Privilegien zu sichern. Für die Reichen ist es bequem, sich hinter Skadis Willen zu verstecken, und die Armen trösten sich mit der Hoffnung, dass ihre Göttin weiß, was sie tut und ihnen helfen wird. Um Raban entsteht schnell ein Kult, Elfen pilgern zum Anwesen der Tempestes, um von ihm gesegnet zu werden. Doch die Verehrung kann schnell ins Gegenteil kippen.
Im Verlauf der Handlung kommt es immer wieder zu Konfrontationen mit Drachen, die mit den Elfen seit tausend Jahren im Krieg liegen. Seit der Ankunft Rabans und damit des Lichtbringers, gibt es vermehrt Angriffe. Flores und Raban wollen mehr über die Geschichte der Stadt und diesen Krieg herausfinden, doch viele Geschichtsbücher sind verschwunden und bald ist klar, dass jemand etwas vertuschen will. Die Puzzleteile fügen sich nach und nach zusammen und scheinbar vergessene Handlungsfäden werden am Ende wieder aufgegriffen und zu einem spannenden Finale verknüpft. Bis dahin gibt es viele tolle Szenen mit Figureninteraktionen, tiefgehende Gespräche, Streitigkeiten, Alltag, gemeinsames Baden, der Konsum von berauschenden Pilzen und queere Erotik. In „7 Sorten Schnee“ steckt eine gute Portion Romantasy inklusive Casual Queerness und einem respektvollen, wertschätzenden Umgang miteinander.
Oberflächlich liest sich der Roman leicht und ruhig, unterbrochen von Actionszenen, doch unter der Oberfläche brodelt es und immer wieder fühlt man sich reale Ungerechtigkeiten erinnert. Die Bewohner*innen von Idalir sind divers, Liebe und Beziehungen zwischen allen Geschlechtern sind normal, es gibt mehrere nicht-binäre Figuren, Hautfarbe macht keinen Unterschied. Dennoch gibt es bei den Elfen Diskriminierung, gestützt von einer Religion, die die bestehenden Verhältnisse unveränderlich erscheinen lässt. So ist „7 Sorten Schnee“ einerseits wholesome und cozy, andererseits gibt es einige düstere und schmerzhafte Szenen und so manches, über das man sich ärgern und aufregen kann. Juri Pavlovic gelingt eine gute Balance und hat hier wirklich etwas Besonderes geschrieben.
Fazit
„7 Sorten Schnee“ ist ein herzerwärmender Roman mit Winterelfen, Drachen, alten Geheimnissen und zwei hinreißenden Protagonisten, deren Schicksal mit der Zukunft einer ganzen Stadt verwoben ist. Juri Pavlovic vereint hier Leichtigkeit mit Tiefgang, Romantik mit epischer Fantasy und den „sense of wonder“ mit realen Problemen.
Pro und Contra
+ Flores ist ein sehr empathischer und liebenswerter Protagonist
+ Raban ergänzt Flores perfekt und bringt Geheimnisse mit
+ viele interessante Nebencharaktere / sehr diverser Figurencast
+ Familie und Freunde sind sehr wichtig für die Geschichte
+ spannende Elfenstadt inmitten von Schnee und Eis
+ die komplexe Gesellschaftsstruktur in Idalir
+ einfühlsame und zugleich kritische Umsetzung einer Religion in einer Fantasywelt
+ gute Balance zwischen Figurenentwicklung, cozy Pausen und punktueller Action
+ schlichtes, sehr schönes Cover
- kleine Länge kurz vor dem Finale
Wertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5
Interview mit Juri (Susanne) Pavlovic (2018)