Valentina Pfau (14.01.2025)

Interview mit Valentina Pfau

valentina pfau2025Literatopia: Hallo, Valentina! Im Herbst ist Dein SF-Roman „Life-Watch – Die goldene Zelle der Zukunft“ bei p.machinery erschienen. Dank Maschinen leben die Menschen in Deiner Zukunftsvision in einer perfekten, friedlichen Welt – wie sieht diese perfekte Welt aus?

Valentina Pfau: Auf den ersten Blick ist sie für viele das Paradies, für mich entspricht sie der exakten Vorstellung einer Hölle auf Erden. Die Menschen haben nach vielen Jahren voller Kriegen, Hungersnöten, Naturkatastrophen etc. entschieden, jegliche Verantwortung an eine Künstliche Intelligenz abzugeben, die mit den Menschen perfekt vernetzt ist und nahezu alle Bereiche des Lebens kontrolliert. Die Entscheidung führte zu einem scheinbar friedlichen, bequemen Leben, doch der Preis dafür ist die Freiheit und die Aufgabe von nahezu allem, was uns Menschen ausmacht. Doch abseits von dieser Welt existiert eine Parallelgesellschaft, die in ihren eigenen Wohnungen gefangen gehalten wird, da man befürchtet, dass sie gegen die neue Welt Widerstand leisten würde.

Literatopia: Die titelgebende Life-Watch weist die Menschen sofort auf Fehler hin, sollten sie welche begehen. Welche Funktionen erfüllt die Uhr noch? Und gibt es die Option, keine zu tragen?

Valentina Pfau: Die Uhr bestimmt nahezu alle Bereiche des Lebens. Die Menschen bezahlen damit, schreiben Nachrichten und bekommen von den Uhren ihren perfekten Lebensplan vorgegeben. Doch die Uhr ist nur die Vorstufe. Ab dem 20sten Lebensjahr wird den Menschen der goldene Salamander eingepflanzt; ein digitales Implantat, das auch Zugriff auf ihre Gedanken hat. Es gibt wenige Ausnahmen, wie z. B. Menschen mit geistigen Behinderungen, die vom Tragen einer Life-Watch befreit sind.

Literatopia: Erzähl uns mehr über Deine Protagonistin Aurelia. Was ist sie für ein Mensch?

Valentina Pfau: Am Anfang der Geschichte ist sie die klassische Musterschülerin der Gesellschaft: Sie versucht alles, um keine Fehler zu machen und möglichst viele Punkte zu sammeln. Doch tief in ihrem Inneren spürt sie, dass ihre Welt nicht das ist, was sie zu sein scheint und wer Aurelia wirklich ist, wird sich erst im Laufe der Geschichte offenbaren. So viel kann ich verraten: Sie ist die Art von Heldin, die ich in vielen Situationen meines Lebens gerne gewesen wäre.

Literatopia: Im Klappentext lernen wir noch eine zweite zentrale Figur kennen: Cell, der andeutet, in einer Art Gefängnis zu leben – gegen das er rebelliert hat. Lernt man ihn im Verlauf der Handlung noch persönlich kennen oder erlebt man ihn nur in Tagebucheinträgen?

Valentina Pfau: Cell ist Teil der Parallelgesellschaft und meine zweite Hauptfigur. Da ich auch seine Gefühle aus der Ich-Perspektive schildere, lernt man ihn sehr intensiv kennen. Die Person aus dem Tagebuch wird noch nicht verraten, aber sie spielt eine zentrale Rolle. Sie bildet auf eine ganz besondere Weise die Brücke zwischen Aurelia und Cell.

Literatopia: Auch die Gesellschaft in „Life-Watch“ ist gespalten, allerdings anders als unsere heutige. Würdest Du uns diese Spaltung näher erläutern?

Valentina Pfau: Ich glaube gar nicht, dass die Art der Spaltung in ihrem Kern so viel anders ist. Ich würde eher sagen, in “Life-Watch” ist sie deutlicher sichtbar. Spalten kann man in allen Bereichen: Gesellschaftsschichten, Weltanschauungen, Nationen und sogar innerhalb derselben Religion oder auch innerhalb einer Bewegung, die ursprünglich für das gleiche Ziel kämpfen wollte. Um es mal ganz simpel auf den Punkt zu bringen: Spaltung ist eine der stärksten Waffen des Teufels und die Wurzel des Bösen. Immer dann, wenn Spaltung gelingt, reibt sich der Teufel die Hände und es ist ihm dabei vollkommen gleichgültig zwischen welchen Seiten er spaltet.

Literatopia: Inwiefern spielen christliche/religiöse Motive eine Rolle im Roman?

Valentina Pfau: Als tiefgläubige Christin, die unzählige Wunder mit Gott erlebt hat, sehe ich es als einen meiner größten Aufträge, meinen Glauben und die damit verbundene Sicht auf die Welt in meine Bücher einfließen zu lassen. Ich möchte dabei niemandem meinen Weg überstülpen, sondern eher ein paar Fußabdrücke zur Orientierung dalassen, um anderen Mut zu machen, selbst ihre ganz individuelle Reise mit Gott anzutreten. In “Life-Watch” ist der Glaube an Gott verboten, doch als Aurelia in einem Tagebuch Berichte von einer gläubigen Christin entdeckt, ist sie fasziniert von den Zeilen und beginnt schon bald, sich eigene Fragen zu stellen. Die Tagebucheinträge setzen sich sehr intensiv mit der Johannes-Offenbarung aus der Bibel auseinander und ich teile hier einige Fragen und Gedanken dazu, mit denen ich mich lange beschäftigt habe. Es soll aber vor allem die Neugier auf das Thema wecken und viel Spielraum für eigene Interpretationsansätze offen lassen.

Literatopia: Der Klappentext und auch Elemente des Covers erinnern an die „Matrix“-Filme – waren diese Inspiration für den Roman?

Valentina Pfau: Die Inspiration kam nicht direkt aus den Filmen, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass wir in vielerlei Hinsicht tatsächlich bereits in einer Matrix leben, die sich in eine ähnliche Richtung wie in meinem Buch oder in den „Matrix“-Filmen entwickeln könnte, wenn wir uns vollständig von der Angst beherrschen lassen. Mein Hauptantrieb ist es, den wahren Sinn des Gebotes der Nächsten- und Wahrheitsliebe näher zu bringen, weil ich glaube, dass das der einzige Weg ist, wirklich frei von Manipulation zu werden und aus der Angst herauszufinden.

Bevor mein Weltbild sich durch eine spezielle Krise komplett auf den Kopf gestellt hat, habe ich die Filme und deren Bedeutung nicht mal richtig gekannt. Aber ja, die Idee für das Cover soll ganz unauffällig auch eine Verbindung zu den Filmen ziehen. :)

Literatopia: Wie lange hat es bei „Life-Watch“ von der ersten Idee bis zum fertigen Buch gedauert? Und entspricht der fertige Roman noch der ersten Version oder ist es am Ende ein anderes Buch als erwartet geworden?

Valentina Pfau: Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, mich mit den Themen Johannes-Offenbarung und Endzeit zu beschäftigen, was dazu geführt hat, dass ich einen sehr kritischen Blick auf alles entwickelt habe, was zu stark in eine transhumanistische Richtung geht. Ich habe meine Gedanken dazu zunächst in einem Tagebuch festgehalten, woraus später mein Roman Life-Watch entstanden ist. Der reine Schreibprozess hat mit einigen Unterbrechungen ca. zwei Jahre gedauert. Daraufhin folgten mehrere Korrekturdurchläufe, Verlags-Bewerbungen etc. Insgesamt war es eine lange Reise von fast vier Jahren.

Literatopia: Wie sehen Deine Schreibroutinen aus? Was brauchst Du, um konzentriert schreiben zu können?

Valentina Pfau: Die beste Inspiration finde ich immer, wenn ich viel Zeit für mich habe und Menschen beobachten kann. Daher schreibe ich am liebsten im Zug, draußen in der Natur oder in einem Café. Ganz strikte Schreibroutinen habe ich nicht, aber ich nehme mir wenn möglich jeden Tag eine Stunde und mindestens einmal die Woche drei Stunden vor. Schreiben nach Plan funktioniert allerdings nicht immer, oft kommt mich die Blockade genau dann besuchen, wenn ich endlich mal viel Zeit zum Schreiben habe und die Inspiration meldet sich manchmal ganz plötzlich mitten beim Putzen. :D

Literatopia: Plottest Du Deine Geschichten von Anfang bis Ende durch oder schreibst Du nach einem groben Entwurf einfach drauf los?

Valentina Pfau: Es ist tatsächlich so, dass die Geschichten über Nacht bei mir anklopfen. Ich sitze nie am Schreibtisch und grüble, wovon mein nächstes Buch handeln könnte, sondern die Themen kommen zu mir, ohne dass ich nach ihnen gesucht habe - in der Regel genau dann, wenn ich so gar keine Zeit für ein neues Projekt habe. Meistens schreibe ich dann erst einmal frei aus dem Herzen heraus alle Impulse auf, die mir dazu einfallen. Anschließend erstelle ich einen groben Entwurf, in dem ich zwischendurch auch immer wieder neue Notizen festhalte. Das Ende habe ich schon relativ früh im Kopf, aber grundsätzlich bin ich eher der Schreibtyp “Freestyle”. Manchmal überraschen mich meine Figuren sogar mitten im Schreibprozess und die Handlung bekommt plötzlich völlig neue Facetten.

Literatopia: Das Schreiben gehört zu Deinen persönlichen „Big Five“ im Leben. Wie bist Du dazu gekommen? Hast Du schon als Kind/Teenager eigene Geschichten erzählt oder das Schreiben erst später für Dich entdeckt?

Valentina Pfau: Schon als kleines Mädchen wurde ich ständig als “Träumerin” bezeichnet, weil ich nie allein war, denn überall wo ich hinging, wurde ich stets von einer Geschichte in meinem Kopf begleitet. Meine Leidenschaft für das Schreiben habe ich entdeckt, als ich anfing, Tagebuch zu schreiben. Von da an ließ mich der Traum, mein Hobby zum Beruf zu machen, nicht mehr los. Zunächst habe ich eine Ausbildung in einem “sicheren Job” abgeschlossen und dort zehn Jahre gearbeitet. Aber im Herzen war ich wohl schon immer Autorin. Mein Studium an der Schule des Schreibens und die wertvollen Tipps, die ich dabei von erfahrenen Lektorinnen bekommen habe, haben mich schließlich dazu ermutigt, mich an meinen ersten Roman zu wagen.

Literatopia: Was fasziniert Dich insbesondere an Science Fiction?

Valentina Pfau: Ehrlich gesagt, war es nie mein Plan, einen Science-Fiction-Roman zu schreiben, in dem Fall kam das Genre eher zu mir. :) Wie gesagt, das Tagebuch aus “Life-Watch” war zuerst da. Ich glaube, ich habe erst später realisiert, dass die Geschichte in die Kategorie Science Fiction passt. Privat schaue ich mir auch gerne mal Science-Fiction-Filme, wie z. B. „Passengers“ an. Ich liebe die Mischung aus philosophischen Gedanken und Bildern von Erfindungen, die unsere Vorstellungskraft sprengen. Besonders faszinierend finde ich das Thema Zeitreisen.

Literatopia: Du verliebst Dich immer wieder in Deine eigenen Figuren – immer in den gleichen Typ? Und gibt es auch Figuren, die Du nicht ausstehen kannst?

Valentina Pfau: Ich denke, auf gewisse Weise liebe ich Sie alle, auch diejenigen, die ich im echten Leben lieber nicht treffen wollte, wie z. B. den Sadisten Maximilian aus “Life-Watch”. Aber auch die “Bösewichte” sind Teil meiner Geschichten und sorgen für Ecken und Kanten in der Handlung. Meine Hauptfiguren sind oft so ähnlich, dass man sie für Seelenverwandte halten könnte, manchmal sind sie aber auch völlig gegensätzlich. Doch eins haben sie alle gemeinsam: Einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Es gibt sogar Momente, in denen ich meine Figuren gerne um Rat fragen würde.

Literatopia: In Deiner Schublade sollen noch zwei Manuskripte zappeln, die sehnsüchtig darauf warten, veröffentlicht zu werden – kannst Du uns jetzt schon mehr darüber verraten? Was erwartet uns als nächstes von Dir?

Valentina Pfau: Genau genommen sind es zwei halbe Manuskripte und ein Fertiges, das ich wahrscheinlich noch einmal überarbeiten werde. Ich möchte auf zwei der Romane näher eingehen: Der eine ist ein psychologischer Thriller, der sich sehr intensiv mit dem Thema Angststörung auseinandersetzt. Wer allerdings etwas in Richtung Blutvergießen erwartet, wird enttäuscht werden. Es geht eher um psychologische Manipulationstechniken und darum, mehr Verständnis für psychische Erkrankungen zu schaffen.

Mein 2. Buchbaby, das ich voraussichtlich Ende 2025 veröffentlichen werde, trägt den Titel “Der Pfauenaugenblick”. Die Hauptperson ist eine Milliardärstochter, die sich selbst völlig verloren hat und am Anfang der Geschichte ironischer Weise durch einen Unfall, bei dem sie ihr Gedächtnis verliert, dazu gezwungen wird, herauszufinden, wer sie wirklich ist. Wie in all meinen Büchern, geht es darum, die Welt aus vielen Perspektiven zu betrachten, daher auch der Titel: Der Pfau hat mit seinen vielen Augen einen Rundum-Blick auf die Welt. Auch die Themen christlicher Glaube und philosophische Weisheiten werden wieder eine zentrale Rolle spielen und ohne Liebesgeschichte kommt bei mir sowieso kein Buch davon. :)

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!


Foto: Copyright by Valentina Pfau


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.