Das späte Leben (Bernhard Schlick)

das spaete leben

Diogenes (2023)
Hardcover, 240 Seiten, 27,50 EUR
ISBN: 978-3-257-07271-6

Genre: Belletristik


Inhaltsangabe/Klappentext

Martin, sechsundsiebzig, erfährt, dass ihm nur noch wenige Monate bleiben. Sein Leben und seine Liebe gehören seiner jungen Frau und seinem sechsjährigen Sohn. Was kann er noch für sie tun, was ihnen noch geben? Womit beschenkt, womit belastet er sie? Und wie gelingt es, loszulassen und versöhnt zu sterben? Martin erfährt, dass auch das späte Leben voller Überraschungen und Herausforderungen steckt.


Rezension

Bernhard Schlink erzählt in seiner literarischen Neuerscheinung Das späte Leben von einem betagten, emeritierten Professor, der sich nach einer letalen Krebsdiagnose zwangsläufig mit den existenziellen Fragen am Lebensende konfrontiert sieht.

Wie schon im Klappentext angedeutet versucht der Protagonist Martin in dem Roman Antwort zu geben auf die Fragen, die sich ihm in seinen verbleibenden Wochen stellen, ermisst was noch zu tun bleibt vor seinem Ableben und überlegt, wie er Vorsorge für seine deutlich jüngere Frau und den gemeinsamen sechsjährigen Sohn treffen kann. Währenddessen eröffnen sich neue, unerwartete Herausforderungen in seinem Familienleben.

Schlink bleibt auch hier seinem charakteristischen nüchternen und schnörkellosen Erzählstil treu und erzählt unaufgeregt und chronologisch den Verlauf von der Diagnose des Protagonisten bis hin zu dem angedeuteten Ende. Die sachliche Klarheit und Direktheit der Sprache ermöglicht ein verständliches und flüssiges Leseerlebnis. Trotz des melancholischen Grundtons und der Ernsthaftigkeit des Themas lässt der Roman an Tiefe vermissen. Die Handlung bleibt einfach und bewegt sich tendenziell an der Oberfläche, an der die existenziellen Fragen nur angerissen werden - wie der Glaube oder die Trauerphasen des Abschiednehmens - und Trivialitäten an Bedeutung gewinnen.

Die weiteren Charaktere werden nur schablonenhaft ausgearbeitet und die absonderliche Beziehungskonstellation erschwert es den Lesenden, in Resonanz mit der Lebensgeschichte zu gehen. Auch wenn Schlink womöglich einen neuen Aspekt des menschlichen Sterbens mit in die Handlung verwebt, in der, entgegen den Vorstellungen, der Mensch am Lebensende nicht alles in Perspektive sieht, sondern weiterhin mit den umtriebigen Gefühlen und Bedürfnissen seines flüchtigen Lebens kämpft, wirkt der Wechsel zwischen den trivialen und tiefsinnigen Passagen eher ungewollt und irritierend.

Dennoch geben die Reflexionen des Protagonisten über das Festhalten und Loslassen, die Liebe, das Leben und den Tod Denkanstöße, die einen jeden Menschen früher oder später beschäftigen werden und sich dem Thema in einem angenehm und flüssig zu lesenden Roman nähern.


Fazit

Insgesamt bietet Das späte Leben eine zum Nachdenken anregende Lektüre, die jedoch durch die blassen Nebenfiguren und den einfachen Plot an Intensität verliert. Leserinnen und Leser, die sich für existenzielle Fragen und Auseinandersetzungen mit dem Lebensende interessieren, werden dennoch auf ihre Kosten kommen. Auch wenn Bernhard Schlink mit dem neuen Buch hinter den Erwartungen zurückbleibt.


Wertungsterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5