Verlag: Splitter; (Juni 2023)
Gebundene Ausgabe: 72 Seiten; 19,80 €
ISBN-13: 978-3-98721-099-0
Genre: Krimi
Klappentext
„In der Belle Époque um 1900 besitzen die Frauen zwei außergewöhnliche Waffen:
Schönheit und Geld.“
1896. An Bord eines Schoners, gestrandet in der Bucht der Somme, wird die Leiche eines reichen Industriellen gefunden. Für einen solch hochkarätigen Fall entsendet Paris seinen besten Ermittler, Amaury Broyan. Schnell verdächtigt der Inspektor die Witwe und Erbin des immensen Fabrikimperiums. Die weiteren Ermittlungen ergeben, dass der Firmenchef auch eine Mätresse hatte, Axelle Valencourt, eine junge Frau, die für zahlreiche Künstler Modell gestanden hat, insbesondere für Alfons Mucha.
Broyan merkt schnell, dass der Fall komplexer ist, als es den Anschein hatte. Und von den schicken Pariser Villenvierteln bis zu den Kabaretts von Montmartre haben alle, der Inspektor inklusive, eine Schattenseite zu verbergen.
Rezension
Frankreich 1896.
Der Großindustrielle und Besitzer einer Gießerei Alexandre de Breucq wird tot auf einem Schoner gefunden. Da er offensichtlich mit Gift ermordet wurde, schickt der Minister seinen besten Ermittler. Inspektor Amaury Broyan soll den Fall aufklären und dies gestaltet sich schwieriger als erwartet. Denn scheinbar hatte der als Altruist bekannte De Breucq keine Feinde. Seine Arbeiter bezahlte er fair und teilte sogar seine Gewinne mit ihnen, statt mir seinen Aktionären. Aber dann erfährt Broyan immer mehr, was Zweifel an De Breucq und seine Motive hervorruft. Und der Inspektor muss sich nicht nur mit einer Witwe, die nicht trauert auseinandersetzen, sondern auch mit Anarchisten, Geliebten, Engelmacherinnen und Freimaurern herumschlagen.
Die Zeit der Belle Époque ist eine ziemlich romantisch verklärte. Dies liegt unter anderem auch an der Kunst, die damals entstanden ist und immer verträumt wirkt. Sie war aber auch eine Zeit der Umwälzungen, des Feminismus, der politischen Grabenkämpfe und des Elends. Philippe Pelaez und Alexis Chabert widmen sich mit ihrem Herbst an der Bucht der Somme all diesen Aspekten.
Ihr Krimi verknüpft die verschiedensten Themen und will sie alle gleichwertig darstellen. Weswegen unheimlich viel auf den Leser einprasselt. Es gibt viel zu verarbeiten und man muss aufmerksam lesen, um der Handlung zu folgen. Inspektor Broyan treibt mit seinen Ermittlungen mehr oder weniger durch die Ereignisse und das tut ebenso der Leser.
Zusätzlich zu den Mordermittlungen muss sich Inspektor Broyan dann auch noch mit dem Tod seiner Tochter beschäftigen und den Schuldigen dafür zu Rechenschaft ziehen. Das ist zwar letztendlich für den Schluss wichtig, da er ihn nachvollziehbarer macht, ist aber einfach ein bisschen zu viel für die gesamte Handlung, da diese noch weiter aufgebläht wird, als sie ohnehin schon ist.
Herbst an der Bucht der Somme ist ein Krimi, der sehr viel will, aber leider daran etwas scheitert, alle seine Themen ausreichend zu betrachten. Die Seitenanzahl ist einfach zu gering, um wirklich alles, was eigentlich notwendig wäre auf die Seiten zu bannen. Hätte sie mindestens das Doppelte der Seitenzahl oder würde sich Philippe Pelaez auf weniger Handlungsstränge beschränken, so könnte die Geschichte über den Tod eines Großindustriellen und das Paris der Belle Époque viel effektiver und besser erzählt werden. Dennoch muss man Philippe Pelaez eins zugestehen, das Paris der Jahrhundertwende zum Leben zu erwecken, indem er die Gegebenheiten, sowohl politisch, sozial als auch künstlerisch zur Sprache bringt, zeigt und miteinander verknüpft. Er präsentiert ein funkelndes Kaleidoskop Paris´, ohne die dunklen Seiten auszusparen.
Und Paris und die Belle Époque sind die eigentlichen Charaktere der Geschichte. Sie werden ausführlich dargestellt und man bekommt tatsächlich den besten Einblick in Stadt und Zeit. Die menschlichen Protagonisten bleiben dagegen eher etwas blass. Am ehesten sind Axelle Valencourt, Modell für Künstler, und der Inspektor noch etwas besser ausgearbeitet. Alle anderen kommen kaum über Schablonen hinaus. Das ist aber im Fall von Herbst an der Bucht der Somme nicht wirklich schlimm. Denn wie bereits erwähnt, stehen hier Stadt und Zeit im Vordergrund. Der Mordfall ist fast Nebensache, auch wenn er mit einer höheren Seitenanzahl deutlich faszinierender und spannender sein könnte, aber diese Chance wurde etwas geopfert.
Herbst an der Bucht der Somme spielt während der Belle Époque und da müssen die Bilder stimmen. Nichts wäre schlimmer für einen solchen Comic, wenn es nicht irgendwie einen Bezug zu der Zeit gäbe. Zumindest wenn der Comic, wie hier, Kunst und Zeit so in den Mittelpunkt stellt und die Geschichte etwas unterentwickelt bleibt. Alexis Chabert ist sich dessen nicht nur bewusst, er ist mit der Idee an den Comic herangegangen, die Belle Époque bestmöglich zu zeigen. Dafür bezieht er sich auf mehrere Künstler der Zeit und setzt ihre Werke in seinen Comicbildern um. Einen Einblick, welche er ausgewählt hat, gibt er im Nachwort. Wer aber eine noch genauere Auflistung haben möchte, sollte im Forum von bdgest nachsehen. Im Thread zu Herbst an der Bucht der Somme (den Titel auf französisch eingeben) haben sich Mitglieder des Forums auf die Suche gemacht und stellen die Werke, auf die sich Alexis Chabert bezieht, vor. Selbst ein Cover der Beatles wird von ihm zitiert. Die Zeichnungen gleichen mit ihrem feinen Strich und ihrer Kolorierung die eher schwach umgesetzte Geschichte locker aus. Alexis Chaberts Bilder wirken auf den Leser und transportieren ihn zurück in der Zeit. Da ist auch die nicht immer vollkommen gelungene Darstellung der Charaktere leicht zu verzeihen, denn Paris und alles andere ist wunderbar anzusehen. Detailreich, bunt und düster kommen die Zeichnungen daher und lassen alles lebendig werden. Der Charme der Belle Époque zieht sich durch den Band.
Das Bonusmaterial besteht aus einem sehr informativen Nachwort von Alexis Chabert, in dem er über seine Motivation für den Comic spricht und aus Figurenentwürfen und einem kleinen Making-of.
Fazit
Herbst an der Bucht der Somme lebt von der Darstellung der Belle Époque durch Alexis Chabert. Der Kriminalfall tritt deutlich in den Hintergrund und ist auch eher schwächer. Für die Zeichnungen allein lohnt sich jedoch bereits der Kauf des Comics.
Pro & Contra
+ detailreiche, wunderbare Zeichnungen
+ Darstellung der Belle Époque
0 Fall eher schwach und durchschnittlich
Bewertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5