Der Unbesiegbare (Stanislaw Lem)

der unbesiegbare

Suhrkamp (2021)
Taschenbuch, 227 Seiten, 10,00 EUR
ISBN: ‎ 978-3518471487

Genre: Science Fiction


Klappentext

In ferner Zukunft landet das mächtige Raumschiff »Der Unbesiegbare« auf dem Planeten Regis III, um das Schicksal seines dort verschollenen Schwesterschiffes »Kondor« zu ergründen. Doch obwohl diese Welt unbewohnt ist, lauern hier Gefahren, die sich die selbstgewisse menschliche Besatzung zunächst nicht träumen lässt. Lem spinnt ein spannendes Weltraumgarn, wäre aber nicht Lem, wenn er sich nicht noch quasi nebenbei die Nanotechnologie, die Technoevolution und vieles mehr ausdenken würde. Ein Klassiker der SF.


Rezension

Der "Unbesiegbare" ist ein Raumschiff der schweren Klasse. Es hat 83 Mann Besatzung. Und die Aufgabe, Nachforschungen über den Verbleib seines Schwesterschiffes "Kondor" anzustellen, denn dieses ist auf Regis III, einem Planeten im Sternbild der Leier, verschollen.

Als die Kondor gefunden wird, taucht ein Rätsel auf. Es gibt keine Überlebenden, obwohl Lebensmittelvorräte, Wasser- sowie Sauerstoffreserven für lange Zeit, viele Monate sogar, ausreichend gewesen wären. Äußerlich ist das Raumschiff unversehrt. Seine Innenräume sind aber in einem unbeschreiblichen Zustand. Es wirkt so, als habe eine Horde Wilder darin gewütet. Das Problem dabei: Es gibt kein feindliches Leben, weder Fauna noch Flöra, auf dem Planeten. Dafür aber eine Macht, die der Rettungsexpedition fast zum Verhängnis wird.

Dies ist ein klassischer Science-Fiction-Roman, bei dem es um Weltraumfahrt geht - Lem gehört schließlich zu den zeitgenössischen Klassikern dieses Genres.  Die literaturwissenschaftliche Sekundärliteratur beschreibt ihn zu Recht als Meister seines Faches, der nicht in Vergessenheit fallen sollte.

Diese Einschätzung erfolgt zu Recht. Fangen wir mit Äußerlichkeiten an. Lem gilt als Visionär, der zahlreiche Technologien Jahrzehnte vor ihrer tatsächlichen Entwicklung benutzte. So schrieb er bereits in den 1960er und 1970er Jahren über Themen wie Nanotechnologie, neuronale Netze und virtuelle Realität. Im vorliegenden Werk gibt es beispielsweise Androiden und Antimateriewerfer.

Das polnischsprachige Original ist im Jahre 1964 erschienen. Dort heißt das Buch "Niezwyciezony i inne oppowiadamia", was sich mit "das noch nicht besiegte Raumschiff" besser ins Deutsche übersetzen ließe.

Lem werden viel Sprachwitz, Wortspielerei sowie Wortneuschöpfungen bescheinigt. Das ist auch bei der deutschen Übersetzung zu spüren. Wer kennt schon Wörter wie Astragator, Kantraklysmus, Arctan, Azimuth, Perigäum oder Apogäum? Erklärt werden sie im Buch nicht; der Leser muss an vielen Stellen selbst herausfinden, was sie bedeuten. Etwas störend ist die übergenaue Detailverliebtheit, mit der Lem Personen und Landschaften beschreibt. Diese Zähigkeit verlangt viel Geduld vom Leser.

Andererseits wird so auch der Tiefgung des Buches sichtbar. Es geht um die zwischenmenschlichen Beziehungen der Hauptfiguren und um eine philosophische Frage: Warum reagieren Menschen aggressiv auf das, was ihnen unbekannt und unbegreiflich ist? Warum vernichten sie Andersartiges? Das Fremde wird zum Denkanstoß, zum Prüfungsstress für menschliches Denken und Moralvorstellungen. So könnte man Lems Ansatz beschreiben. Womit das scheinbar alte Buch eine ungewohnte Tagesaktualität gewinnt. Es ist auch heute noch sehr gut lesbar.


Dies ist eine Gastrezension von Andreas Rüdig, herzlichen Dank!