Das Mädchen im Pool (Joshilyn Jackson)

Verlag: Krüger, April 2009
Original: The Girl who stopped swimming,
übersetzt von Doris Heinemann
HC, 317 Seiten, € 17,95
ISBN: 978- 3810510655

Genre: Psychothriller


Klappentext

Laurel Gray lebt mit ihrer Familie in einer typisch amerikanischen Vorstadt in Florida: gepflegte Gärten, wohlanständige Nachbarn. Doch eines Nachts treibt die Leiche der 13-jährigen Freundin ihrer Tochter im Pool der Familie, und die vermeintliche Idylle zerbricht. Nur eine kann ihr in dieser Krise helfen: ihre tatkräftige Schwester Thalia, die wie eine Naturgewalt den Alltag der Grays durcheinander wirbelt und Laurel klarmacht, dass ihr Leben alles andere als perfekt ist.


Die Autorin

Joshilyn Jackson, in den Südstaaten der USA geboren, arbeitete einige Jahre als Schauspielerin am Theater, bevor sie in Chicago englische Literatur studierte. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten, Theaterstücke und Romane. Ihr Debütroman „Ein Wunder ist nichts dagegen“ war in den USA ein preisgekrönter Bestseller. Joshilyn Jackson lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Atlanta.


Rezension

Ein Mädchen tot im Pool – und ihre Welt wird auf den Kopf gestellt. So passiert es der amerikanischen Familie Laurel, David und Shelby Gray. Die Tote ist Shelbys Freundin Molly, die ihrer Mutter Laurel noch als Geist erschien. Denn das kann Laurel – mit Geistern reden. Ihren Onkel Marty sieht sie recht häufig, aber wahrscheinlich auch nur, weil noch eine unverarbeitete Geschichte mit ihm zusammenhängt.

Mollys Tod wird von der Polizei schnell als Unfall angesehen, aber Laurel will daran nicht glauben. Für sie ist ganz klar, dass ein Nachbar aus der Siedlung, den sie insgeheim als Kinderschänder abgestempelt hat, der Täter ist. Sie versteift sich völlig in dieser Annahme und missbraucht jeden in ihrem Umfeld, um die Tat nachzuweisen. Dass sie dabei aber andere Indizien völlig übersieht, bemerkt sie erst, als sie vor vollendete Tatsachen gestellt wird, die ihren angeblichen Pädophilen betreffen.

Eigentlich passiert sehr wenig, langatmig werden wieder einmal Gefühle und Gedanken beschrieben, wobei Laurel meistens im Mittelpunkt steht. Von ihr bekommt man den Eindruck einer lebensuntüchtigen Frau und überbehütenden Mutter. Sie lässt ihrer Tochter kaum Raum und wenig Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu machen. Was Shelby sagt und denkt ist immer ihr erster Gedanke, sie behandelt sie wie ein kleines, unmündiges Kind. Als Laurel und Thalia entschlossen sind, den Unfallhergang zu klären, ist ihr Hauptgrund nicht, den wahren Täter wegen des vermeintlichen Mordes an Molly zu bestrafen, sondern lediglich weil ihre geheiligte Shelby die tote Molly sehen musste – das kann ein Kindergemüt ihrer Meinung nach nicht verarbeiten.

Laurel selbst erscheint allerdings etwas hysterisch, lebensuntüchtig und eingeschüchtert zu sein, ein Mensch, der den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen ist. Sofort wünscht sie sich ihre Schwester zur Seite, die stellvertretend für sie die Polizisten in ihre Schranken weist, sich keine Fragen gefallen lässt und den Dingen auf den Grund geht, egal, wen oder was sie dabei niedertrampelt. Thalia ist das Gegenteil von Laurel, Feinfühligkeit gehört nicht zu ihren Stärken. Sie provoziert lieber und spricht aus, was sie denkt, sie lässt sich nichts vorschreiben und ist eine hervorragende Schauspielerin. Laurel ist eher die blasse Maus, die in ihrer Rolle als Mutter aufgeht und zum Hobby ein bisschen quiltet. Dass ihre Quilts aber kleine Kunstwerke sind und teilweise für sehr hohe Summen verkauft werden, wird von den anderen Familienmitgliedern nicht wirklich anerkannt. Thalia versucht immer, ihre Meinung den anderen aufzudrängen, mit manchmal brutalen Methoden bringt sie Laurel dazu, an einen vermeintlichen Ehebruch zu glauben, nur weil sie David nicht leiden kann. Ihrer Meinung nach hat Laurel etwas Besseres verdient, was allerdings gut für Laurel ist, interessiert sie nicht.

David und Shelby bleiben das ganze Buch über sehr blass, von ihnen selbst erfährt man sehr wenig. Shelby ist lediglich ein Schatten, der hin und wieder mal auftaucht, aber selten agiert. Ihre Charaktere lernt man hauptsächlich durch Rückblenden und Laurels Gedanken kennen. Davids Rolle wird zum Schluß hin etwas eindringlicher, aber Shelby bleibt weiterhin im Hintergrund, vergöttert von ihrer Familie.

Eine weitere wichtige Rolle hat Bet, Shelbys Freundin, die ihre Ferien bei den Grays verbringt. Sie kommt aus DeLop, dem Armenviertel der Stadt und der Heimat von Laurel, Thalia und ihrer Mutter. Eine Herkunft, die alle verzweifelt abschütteln möchten, sich aber nicht von ihr lösen können. Jedes Jahr zu Weihnachten verteilen sie wohltätige Gaben und Laurel hat sich sorgfältig ein Mädchen ausgesucht, das sich mit Shelby anfreunden kann. Shelby selbst darf nie mit ins Armenviertel, den Anblick kann ihr zartes Gemüt bestimmt nicht verkraften. Aber mit Bet, die sorgfältig ausgesucht wurde, kann Laurel ihr soziales Gewissen beruhigen und vermeintlich Gutes tun. Aber weder sie noch ihre Mutter können ihre Herkunft abschütteln oder vergessen, ständig wird darauf hingewiesen und selbst normale Pechsträhnen werden der Herkunft zugeschrieben. Natürlich ist es auch der perfekte Ort für den Showdown, der ziemlich dramatisch und übertrieben ausfällt. Hier zeigt sich endgültig, dass Laurel Shelby besser das Leben außerhalb ihrer Familie gezeigt hätte, nur so ist ihre unglaubliche Naivität zu begründen – Shelby kennt ja nichts Böses.

Völlig unvorbereitet springt die Geschichte hin und her, Gegenwart, Vergangenheit, man muss höllisch aufpassen, um mitzubekommen, wo man sich gerade befindet. Zusätzlich gibt es noch Träume, die abrupt erzählt werden, so dass man nicht nur zwischen Gegenwart und Vergangenheit springt, sondern zusätzlich auch noch zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Joshilyn Jackson macht es ihren Lesern nicht leicht, sich auf die Geschichte zu konzentrieren.

Dem Buch fehlt Atmosphäre, man stolpert öfter beim Lesen und auch die Personen bleiben einem fremd. Ihnen fehlt es an Tiefe, sie wirken sehr eindimensional und ihre Fehler werden immer besonders herausgestrichen. Laurel möchte man immer gerne schütteln und sie ins Leben holen und Thalia wirkt durch ihre provozierende und unangemessene Art wie ein Mensch, den man nicht unbedingt zu seinen Freunden zählen möchte.

Das Cover ist wunderschön gelungen, die einzelnen Segmente fügen sich wie ein Quilt zusammen. Auf den einzelnen Bildern kann man Details aus der Geschichte erkennen, geschickt wird das Thema Quilt und eine typische amerikanische Familie aufgenommen.


Fazit

Mehr eine Familienstudie als ein Psychothriller, so empfindet man dieses Buch. Eine Familie, mit der man sich auseinandersetzen muss, eine Familie, die man nicht einfach abschütteln kann, eine Familie, die trotz allen Widrigkeiten zu einem steht und unter die Arme greift. Die unsichtbaren Bande von Schwestern, die sich zwar streiten, aber immer miteinander verbunden sind. Wie jede Einzelne ihren Weg findet, alleine zwar, aber immer mit der Schwester verbunden, wird hier ausführlich dargestellt.


Pro und Contra

+ überraschendes Ende
+ Familienstudie

° zwischen Gegenwart, Vergangenheit, Realität und Fiktion wird permanent hin und her gesprungen

- etwas langatmig
- Gefühle und Gedanken werden ständig wiederholt
- Krimiplot eher nebensächlich
- der übersinnliche Touch ist völlig überflüssig und unglaubwürdig

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2,5/5