Kaja Evert (29.03.2025)

Interview mit Kaja Evert

kaja evert 2025Literatopia: Hallo, Kaja! In Deinem Roman „The Cursed Knight and the Broken Soul“ verbindest Du Dark Fantasy mit Gay Romance. Was erwartet Deinen Protagonisten Tibault in dem magischen Nebel, in den er sich flüchtet?

Kaja Evert: Moin und erstmal vielen Dank, dass ihr mich interviewt!

Im Nebel erwarten Tibault erst einmal die Nebelbestien, seltsame und gefährliche Monstren. Sie sind zusammengesetzt aus den Einzelteilen der Wesen, die der Nebel verschlungen und zerstört hat. Und außerdem die Macht, die über die Nebelbestien herrscht, in Gestalt einer geheimnisvollen weißen Frau. Alledings ahnt Tibault nicht, dass er auch einem Mann begegnen wird, der sein Leben verändert: Lucien, dem Ritter mit der Sonnenseele.

Literatopia: Tibault wurde als sogenannte Fetzenseele geboren – was bedeutet das für ihn? Und wie geht er mit diesem Schicksal um?

Kaja Evert: In der Welt, in der Lucien und Tibault leben, kann vor allem der Klerus menschliche Seelen sehen und auch magisch manipulieren. Menschen, deren Seele unvollständig ist, werden als „Fetzenseelen“ bezeichnet und gelten als gefährlich, da sie sich eines Tages in seelenverschlingende Monstren verwandeln sollen. Tibaults Ziehvater, selbst ein Priester, bringt ihm bei zu beten, um seine Seele vor weiterem Zerfall zu schützen. Das tut Tibault auch. Aber er stellt fest, dass es ihm nicht allzu viel nützt.

Literatopia: Ritter Lucien ist der erste, der Tibault nicht wie Abschaum behandelt, im Gegenteil: er ist freundlich. Begegnet Lucien allen Menschen mit dieser Freundlichkeit oder ist Tibault von Anfang an etwas Besonderes für ihn?

Kaja Evert: Die Figur des Ritters fasziniert mich, weil sie Ideale von Männlichkeit verkörpert – allerdings größtenteils überholte oder sogar schädliche Ideale. Mit diesem Thema habe ich mich in „Dornenritter“ auseinandergesetzt. Mit Lucien wollte ich dann einen Ritter erfinden, der für eine positivere und zeitgemäßere Art von Männlichkeit steht. Lucien spricht beispielsweise offen über seine Ängste, versucht Konflikte mit Worten zu lösen statt mit Gewalt und bietet anderen emotionale Unterstützung an. Aber er bekämpft auch, wie es ein „guter“ Ritter tut, Ungerechtigkeit und setzt sich für das ein, was ihm wichtig ist.

the cursed night and the brocken soulLiteratopia: Erzähl uns mehr über Dein Worldbuilding. Welche Rolle spielt die Kirche, der Tibaults Leben gehört? Ist sie an die christlichen Kirchen angelehnt?

Kaja Evert: Ich spoilere wahrscheinlich nur wenig, wenn ich sage, dass die Kirche die Rolle des Antagonisten im Roman hat. Sie ist von der christlichen Kirche inspiriert, speziell der katholischen, sollte aber nicht mit ihr gleichgesetzt werden. Es ist kein kirchenkritischer Roman. Kritisiert wird stattdessen eine Instanz, die willkürlich Menschen in Klassen einteilt und sich das Recht herausnimmt, über „Gut“ und „Böse“ und den Wert anderer zu bestimmen.

Literatopia: „The Cursed Knight & the Broken Soul“ ist eine Neuauflage von „Nebelritter“ – was hat sich außer dem Titel am Roman geändert? Und warum hast Du Dich entschieden, den Titel zu ändern?

Kaja Evert: Der Roman wurde unter dem ursprünglichen Titel „Nebelritter“ für die Fortsetzung meines anderen Ritter-Romans „Dornenritter“ gehalten, was er aber nicht ist. Das ist der hauptsächliche Grund, warum ich den Namen geändert habe. Ansonsten hat sich nicht viel geändert. Ich habe den Text nur noch einmal sprachlich überarbeitet und dem Buch ein neues Cover und ein neues Design gegeben.

Literatopia: „Klinge & Blutmagie“ handelt von Kjeld, einem Krieger der Inquisition, der bei der Jagd nach einem Dämon ausgerechnet auf die Hilfe des Schwarzmagiers Nino angewiesen ist. Wie kommt es zu dieser Zusammenarbeit?

Kaja Evert: Beide begegnen einander mehr oder weniger zufällig und stellen fest, dass sie dasselbe Ziel haben. Allerdings forciert Kjeld die Zusammenarbeit mehr als Nino. Kjeld will den Dämon nämlich um jeden Preis erledigen. Nino, der erkannt hat, dass der Dämon zu mächtig für ihn ist, versucht zuerst einfach wegzulaufen. Aber Kjeld lässt ihn nicht.

Literatopia: Für seine Rache ist Kjeld bereit, mit einem Schwarzmagier zusammenzuarbeiten, auch wenn er diesen verachtet. Und auch Nino ist nicht gerade begeistert von dem sturen Kjeld. Doch was fasziniert sie aneinander? Und wie gelingt es ihnen, ihre anfängliche Abneigung zu überwinden?

Kaja Evert: Die beiden haben, was dem jeweils anderen fehlt. Kjeld ist ernsthaft, aufrichtig bis zur Sturheit, rechtschaffen und ziemlich humorlos. Nino ist ein Trickster mit großer Klappe, nie um einen dummen Spruch verlegen. Neben der körperlichen Anziehung spüren sie vermutlich instinktiv, dass sie von dem anderen etwas bekommen können, was sie brauchen, um sich persönlich weiterzuentwickeln.

klinge und blutmagieLiteratopia: Welche Gefahren, abgesehen von dem Monster, das sie jagen, müssen sich Kjeld und Nino stellen? Und gibt es auch freundliche Fantasywesen in Deiner Welt?

Kaja Evert: Neben dem Dämon treffen die beiden auf eine Gruppe Schwarzmagier*innen, denen es in der Vergangenheit ziemlich schlecht ergangen ist, darunter auch alte Bekannte von Nino. Dadurch gerät Nino in einen Gewissenskonflikt. Er versteht die Position der Schwarzmagier – zum Teil zu gut – und beginnt mit ihnen zu sympathisieren. Sehr zum Ärger und zur Besorgnis von Kjeld, versteht sich.

Zu den (meistens) freundlichen Fantasywesen gehört auf jeden Fall Ofelia, Ninos winzige Vampirfledermaus. Sie ist so etwas wie der heimliche Star des Romans.

Literatopia: In Deinen Romanen finden meist sehr unterschiedliche und oftmals verfeindete Männer zueinander. Was reizt Dich persönlich an „enemies to lovers“ – und insbesondere Gay Romance?

Kaja Evert: Ich mag es, wenn Texte Wumms haben, sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben, und das Enemies-to-Lovers-Trope bietet jede Menge Konfliktpotenzial. Und Konflikt ist das Wichtigste für eine spannende Handlung mit Charakterentwicklung und Dialogen, die Spaß machen.

Ansonsten schreibe ich gern aus der Perspektive von Männern. Das ist eine persönliche Vorliebe und war schon immer so. Um die Romance geht es mir dabei nicht in erster Linie, aber sie bietet, finde ich, eine gute Möglichkeit zur Charakterentwicklung und macht die Geschichte für die meisten Lesenden spannender und zugänglicher.

Literatopia: Dark Fantasy ist wie der Genrename schon sagt düster und oft gewaltvoll – wie passt Romance in ein solches Setting?

Kaja Evert: Bestens! Dark Fantasy ist nicht nur düster und brutal, sondern bietet in der Regel auch den berühmten Funken Hoffnung, der die Charaktere dazu bringt, weiterzumachen. Liebe kann dabei ein wichtiger Faktor sein.

Literatopia: Du warst bereits als Kind von Mythologie und Sagen fasziniert, hast das Fantasygenre aber erst mit 15 durch Computerspiele für Dich entdeckt. Wie bist Du vom Spielen dann zum Schreiben von Fantasy gekommen?

dornenritter neuKaja Evert: Geschichten, die in fiktiven Welten und Settings angesiedelt sind und fantastische Elemente haben, habe ich schon immer geschrieben, auch bevor ich mit dem Genre in Kontakt kam. Da habe ich mich beispielsweise von Opern wie der Zauberflöte (die ich allerdings inhaltlich immer sehr kritisch gesehen habe!) oder „Les Contes d’Hoffmann“ inspirieren lassen, die ja wiederum von den Erzählungen von E. T. A. Hoffmann inspiriert sind. Von dort aus war es nur ein ganz kleiner Schritt ins „richtige“ Fantasygenre.

Literatopia: Inwiefern haben Computerspiele Deine Art zu Schreiben und Welten zu bauen beeinflusst?

Kaja Evert: Ich versuche etwas von dem Spaß und dem „Spielgefühl“, das ich kenne, in meine Romane zu übertragen. Das können aber ganz unterschiedliche Dinge sein. Dazu achte ich genau darauf, wie ein Spiel für eine bestimmte Atmosphäre oder ein bestimmtes Gefühl sorgt. Wie schafft z. B. „Dark Souls“ es, dass jeder gefundene Gegenstand seine eigene Geschichte hat und überlebenswichtig erscheint? Wie entstehen die Atmosphäre, die Dramatik, das Gefühl, sich in einem echten Kampf zu befinden? Wie sind Figuren in Spielen wie „Baldur’s Gate“ charakterisiert, damit sie unvergesslich werden? Wie schafft „Suikoden“ es, dass die Welt trotz der Fantasyelemente und schrägen Charaktere glaubwürdig wirkt? Natürlich funktioniert im Buch alles anders als im Spiel. Aber generell nutze ich diese Herangehensweise: Ich suche mir etwas, was ich toll finde, sehe mir genau an, wie es gemacht ist, modifiziere das, was ich übernehmen kann, und übertrage das Konzept, soweit es möglich ist, auf meine Geschichten.

Literatopia: Du magst keine Klischees beim Schreiben – wie vermeidest Du sie? Und hast Du Dich trotzdem schon einmal dabei erwischt, in Klischees abzugleiten?

Kaja Evert: Ja, natürlich. Klischees sind kein wirklicher Feind, sie können sogar ganz hilfreich sein. Ich kombiniere sie gern mit ungewöhnlichen Elementen. Die beste Möglichkeit, Klischees zu vermeiden, ist meiner Meinung nach, spezifisch zu bleiben. Wenn ich schreibe, wie eine bestimmte Figur z. B. einen Kuss empfindet, wird es nicht kitschig sein, solange ich dabei nah an der Figur dranbleibe und genau beschreibe, wie es ihr ergeht, anstatt Phrasen zu wiederholen, die wir alle schon hundert Mal gelesen haben.

Literatopia: Die meisten Autor*innen in Deutschland können nicht vom Schreiben leben und halten sich mit Brotjobs über Wasser, während das Schreiben ihre Freizeit frisst. Auch für Dich war es nie einfach. Was motiviert Dich, trotz aller Rückschläge weiterzumachen?

Kaja Evert: Stimmt, ich arbeite in Vollzeit. Aber ich will meine Geschichten erzählen und mit anderen teilen. Das ist mir extrem wichtig und motiviert mich, dranzubleiben. Der Moment, wenn aus dem Ideengewirr ein fertiger Text wird und dann noch einmal ein richtiges Buch mit schönem Cover, das ich anderen Menschen zum Lesen geben kann, ist für mich den langen und schwierigen Arbeitsprozess wert. Außerdem ist Geschichten erfinden und schreiben, seit ich klein bin, ein wichtiger Teil meines Lebens und lässt sich davon nicht trennen.

kraehenritterLiteratopia: 2025 soll der zweite Band von „Klinge & Blutmagie“ erscheinen – würdest Du uns abschließend verraten, was uns darin erwarten wird?

Kaja Evert: Ich versuche es, ohne viel zu spoilern: In Teil 1 kommen Inquisitor Kjeld und Schwarzmagier Nino einander näher, aber sie überwinden ihre Differenzen nicht vollständig, und das Ende ist offen. In Teil 2 knüpfe ich an dieses offene Ende an. Nino erhält ein Angebot, für die Inquisition zu arbeiten. So könnte er an Kjelds Seite bleiben. Aber die Inquisition traut ihm nicht, und als Dämonen die Hauptstadt angreifen, wächst der Verdacht, dass Nino ein Verräter sein könnte. Sogar Kjeld zweifelt an ihm, und es scheint ungewiss, ob es für beide eine Zukunft geben kann …

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!

Kaja Evert: Sehr gern, ich danke euch!


Autorinnenfoto: Copyright by Kaja Evert

Website: www.kaja-evert.de 

Rezension zu „Dornenritter“

Rezension zu „Talvars Schuld“


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.