Interview mit Lena Falkenhagen und Thomas Finn
Literatopia: Hallo, Lena, hallo Tom! Euer Fantasyroman „Ruinen der Elfen“, der erste Band der Reihe „Im Schatten Simyalas“, basiert auf dem Pen & Paper-Rollenspiel „Das Schwarze Auge“. Bereits vor über 20 Jahren habt Ihr die Spielkampagne um die Entdeckung der vor Jahrtausenden untergegangenen Elfenstadt Simyala verfasst, von der bis heute eine große Bedrohung für die Welt Aventurien ausgeht. Sie bildet die Grundlage für die Romane. Wie kam es dazu, dass Ihr diese Geschichte nach so langer Zeit wieder aufgegriffen habt?
Lena Falkenhagen: Tom und ich hatten seit einer Weile Lust darauf, miteinander zu arbeiten. Wir sind ja miteinander befreundet. Der zweite Grund aber war, dass die „Simyala-Kampagne“, also die originalen Abenteuerbücher für „Das Schwarze Auge", damals lose auf Bernhard Hennens „Phileasson-Tetralogie“ folgte, ebenfalls eine Spielkampagne. Und da die zwölf Bücher rund um Phileasson im Heyne Verlag zu einem Abschluss kamen, wollten wir mit Simyala direkt anschließen. Mit dem Piper Verlag haben wir dafür einen wunderbaren Partner gefunden.
Literatopia: Wie viel der damaligen Spielkampagne steckt im Auftaktband „Ruinen der Elfen“? Und gibt es komplett neue Handlungselemente?
Lena Falkenhagen: Wer die damaligen Simyala-Abenteuer kennt und vielleicht gar gespielt hat, wird sie auf jeden Fall wiedererkennen. Die originale Handlung ist natürlich der rote Faden. Im ersten Band folgt ihr speziell Tom.
Tom Finn: Genau, mein Part in „Ruinen der Elfen“ folgt am erkennbarsten der Handlung des ersten Kampagnenbandes. Allerdings wäre es langweilig, wenn die Romane einfach die einstige Rollenspielhandlung runterspulen würden. Die Fans des Schwarzen Auges erwarten gerade von Lena und mir, die wir die Spielwelt gute 15 Jahre als Redakteure betreut haben, etwas mehr. Also die eine oder andere aventurische Überraschung, neue Handlungsschauplätze, den Auftritt bekannter aventurischer Figuren und so weiter.
Lena und ich haben daher neulich mal versucht abzuschätzen, wie viel Unbekanntes die alten Hasen erwartet, und sind gerechnet über die vier Romane hinweg auf etwa 40% neuen Inhalt gekommen. Spielleiter, die die Kampagne noch nicht kennen, werden sie nach Lesen der Romane ganz sicher um einige Facetten ergänzen.
Lena Falkenhagen: Der von mir im ersten Band eingebrachte Handlungsbogen um die Skaldin Eyvin und ihre Freundin Vike Precht ist etwa vollkommen neu. Einer unserer Antagonisten ist nämlich Beorn der Blender, einer jener beiden rivalisierenden Kapitäne aus der Phileasson-Saga. Lesenden von Bernhard Hennens und Robert Corvus‘ Büchern ist er wohlbekannt, nur wird er am Ende von der bösen Seite entführt. Sein Schicksal wurde erst von uns in der Simyala-Kampagne zum Abschluss gebracht. Eyvin ist Beorns Tochter und sie versucht nichts Geringeres, als ihren verschwundenen Vater zu finden. Natürlich gewinnt diese Handlung eine völlige Eigenständigkeit und läuft am Ende von Band 1 dann organisch auf die Geschichte rund um Simyala zu.
Literatopia: Was ist so mysteriös an der uralten Hochelfenstadt Simyala? Und wie geraten Eure Protagonist*innen in die Ränke des finsteren Namenlosen Gottes?
Tom Finn: Simyala ist eine untergegangene Stadt der vor Jahrtausenden lebenden Hochelfen, die durch den sogenannten Basiliskenkönig ausgelöscht wurde. Ihre Ruinen liegt den Legenden nach im sogenannten Reichsforst. Der Reichsforst wiederum ist ein riesiges Waldgebiet, das mitten im Mittelreich zu finden ist, der am dichtesten besiedelten Region des ganzen Kontinents Aventurien!
Lena Falkenhagen: Ja, als wir damals die Spielbücher geschrieben haben, dachten wir uns: wir müssen unbedingt klären, warum noch niemand Simyala hat finden können! Und natürlich wird dieses Mysterium im Lauf der Bücher aufgeklärt. Tatsächlich scheint das Namenlose, ein finsterer Gott, seine Finger im Spiel zu haben.
Tom Finn: Ein Teil unserer Protagonist*innen gelangt anlässlich einer großen Treibjagd in dieses Waldgebiet und erhält dann einen Fingerzeig der Zwölfgötter, des Pantheons der Welt Aventurien. Diese greifen ein, weil sie unsere Helden für genau die richtigen halten, um die Welt vor einem erwachenden Übel zu retten … und sagen wir mal so: unsere Helden finden das anfangs nur so mittelprächtig.
Lena Falkenhagen: Die anderen Protagonistinnen suchen zunächst nach Eyvins Vater; später stellen auch sie dann in Havena fest, dass keine geringeren als Priester des Namenlosen Gottes gegen sie arbeiten. Das wird besonders in Band 2 „Bote der Finsternis“ deutlich.
Literatopia: Stellt uns Eure Protagonist*innen kurz vor – wer sind sie und was treibt sie an?
Tom Finn: In dem einen Handlungsstrang ist das der Adlige Wulfhardt von Rabenmund, der ein großes Geheimnis hat, das ihn im Laufe von Band 2 auf die Spur des Wirkens seines Vaters bringt. Er verliebt sich in die Jahrmarktszauberin „Franya die Fantastische“, eine weitere Hauptfigur, die ähnlich wie er eine geradezu Sherlock-Holmes-artige Auffassungsgabe besitzt. Franyas langjähriger Freund, der unwiderstehliche Barde und Halbelf Lindion, ist hingegen ein ziemlicher Tunichtgut. Er lebt ein bisschen zwischen den Welten der Menschen und der Elfen und wird dann im Laufe der Handlung an den Geschehnissen reifen. Und dann wäre da noch eine vierte, etwas überraschende Figur, die wir hier nicht verraten. Und zum Ende hin schließt sich dann auch noch eine fünfte Figur der Gesellschaft an.
Lena Falkenhagen: Eyvin Alvidsdottir ist eine Skaldin. Das ist in der Thorwaler Kultur (man denke: Wikinger) eine Mischung aus Bardin, Historikerin und Heldenschreiberin. Sie ist sehr jung und macht im ersten Roman quasi ihre ersten Schritte gen Heldenkarriere. Eine weitere Hauptfigur, Vike Precht, ist deutlich erfahrener. Sie ist eine Einbrecherin, die schon in vielen Großstädten gelebt und geklaut hat und in manchen davon verbrannte Erde hinterlassen hat. Sie lässt auch im Bett nichts anbrennen und verliebt sich natürlich Hals über Kopf in Eyvin.
Literatopia: Auf den ersten Blich sehen die Elfen Aventuriens aus wie die meisten Elfen in High-Fantasy-Romanen: groß, schlank, spitze Ohren. Doch inwiefern unterscheiden sie sich von anderen Elfendarstellungen?
Lena Falkenhagen: Es gibt in Aventurien drei bis vier verschiedene Elfenarten, die alle recht naturverbunden sind. Das ist natürlich nicht neu, denn diese orientierten sich gerade am Anfang des Rollenspiels alle ein wenig an Tolkiens Elfen. Allerdings führte erst Bernhard Hennen Anfang der 90iger die sogenannten Hochelfen als vor Jahrtausenden erloschene Hochkultur der heutigen Elfen Aventuriens ein. Sie sind noch am ehesten mit Tolkiens Elfen vergleichbar.
Im Laufe der letzten vierzig Jahre gewannen die heutigen Elfen Aventuriens dann zunehmend eigene ethnische Identitäten. Die Auelfen zum Beispiel leben meist an und in Flussläufen und besitzen Magie, die sich schwerpunktmäßig um das Leben am Wasser und die Natur dreht. Sie leben recht nah an den Menschen und vermischen sich auch mit ihnen. In Band 2 werden wir sie näher vorstellen.
Tom Finn: Die Waldelfen sind hingegen die zurückgezogenen und etwas entrückten Bewohner der tiefen, dichten Wälder. Sie können sogar leichtfüßig über die zartesten Wipfelkronen laufen, so wie Eichhörnchen. Diese Elfen werden im dritten Roman eine Rolle spielen.
Lena Falkenhagen: Zum Schluss gibt es die Firnelfen, also das Volk, das sich in Schnee und Eis am wohlsten fühlt. Sie leben total isoliert jenseits der Frostgrenze und sind absolute Eigenbrötler im Kampf um das Überleben. Sie spielen in unseren Büchern keine große Rolle – abgesehen von ein zwei Zaubern, die die sogenannten Dunkelelfen beherrschen. Denn diese Dunkelelfen sind quasi magisch aus sogenannten Hochelfen, den Urvätern und -müttern aller heutiger Elfenvölker, und Dämonen gekreuzt worden …
Tom Finn: Und dann gibt es noch kleinere Völker wie die Steppenelfen. Letztere kann man sich ein wenig wie die nordamerikanischen Ureinwohner vorstellen. Sie gehen eine magische Verbindung mit ihren Reittieren, zähen und langlebigen Ponys, ein. Wir werden ihnen im Abschlussband begegnen.
Literatopia: Wie sah Eure Arbeitsteilung aus? War jeder für bestimmte Handlungsteile und Figuren zuständig oder habt Ihr alles gemeinsam entworfen?
Tom Finn: Wir haben gerade am Anfang eine klare Aufteilung nach Handlungsfäden und Figuren gehabt. Wobei wir vereinbart hatten, dass jeder von uns jene Teile der Kampagne in Romanform umsetzt, für die wir damals auch in der Spielkampagne als Autoren verantwortlich waren. Ich habe daher im Auftaktband der Romanreihe die Handlung aus „Namenlose Dämmerung“ erzählerisch umgesetzt, Lena hingegen war sehr viel freier in der Ausgestaltung ihres Parts.
Lena Falkenhagen: Was sich auch gut ergänzt hat, da sich Toms Erzählstrang in und um einer kleinen bewaldeten Baronie abspielt, während ich die Leser in eine der bei den Fans beliebtesten Großstädte Aventuriens entführe: die Hafenstadt Havena mit ihrer vor 300 Jahren überfluteten Unterstadt. Und dieser Handlungsfaden ist auch für Kenner brandneu! In Band 2 folge ich dann dem ersten Teil der Handlung meines damaligen Abenteuers „Stein der Mada“, während Tom machen konnte, was er wollte.
Tom Finn: (lacht) Wie, das erfahre ich erst jetzt?
Lena Falkenhagen: (lacht) Ich gestehe, ganz so frei waren wir da beide nicht. Denn natürlich haben wir die komplette Handlung der damaligen Abenteuer neu aufgebohrt und um weitere Geheimnisse und erzählerische Kniffe ergänzt. Tom hatte schon am Ende des Startbandes der Abenteuerkampagne einige Ideen für Zwischenabenteuer eingestreut, die den Spielern damals helfen sollten, die Wartezeit bis zum Erscheinen des zweiten Kampagnenbandes zu überbrücken. Die haben wir jetzt zum Ausgangspunkt genommen, um die Leser auch in Band 2 auf völlig unbekanntes Terrain mit einigen wirklichen Überraschungen zu führen - gerade für Kenner des Schwarzen Auges.
Tom Finn: In Band 2 haben wir auch erstmals Figuren ausgetauscht – und dann verblüfft festgestellt, dass Lena plötzlich alle weiblichen Figuren in ihren Kapiteln hatte, während ich plötzlich mit allen Männern dasaß. Das war gar nicht beabsichtigt. Glücklicherweise mischt sich das für Band 3 dann abermals durch: Ich übernehme eine von Lenas weiblichen Figuren, und sie eine meiner männlichen. Aber wir verraten noch nicht, welche!
Literatopia: Muss man „Das Schwarze Augen“ kennen, um mit den Büchern seine Freude zu haben?
Tom Finn: Oh nein, absolut nicht! Unser oberster Ansatz war, dass man die Simyala-Romane völlig ohne Kenntnis des Rollenspiels oder der Hintergrundwelt lesen kann. Also so, wie zum Beispiel bei der bekannten und beliebten Dragonlance-Saga, die auf einer Spielwelt des Rollenspielsystems "Dungeons & Dragons" aufbaut. Und man muss selbstverständlich auch die Phileasson-Bücher von Heyne nicht gelesen haben. Die komplette Romanreihe ist so verfasst, dass auch völlige Neulinge in die Welt Aventurien eintauchen können.
Lena Falkenhagen: Das ist ganz wichtig. Wer einfach Lust auf dichte, spannende und epische High Fantasy hat, wird von Aventurien begeistert sein! Wenn sich dann der eine oder andere Leser für die hinter dem Roman stehende Welt zu interessieren beginnt, in der man selbst auch Geschichten erzählen kann, würde uns das natürlich glücklich machen.
Literatopia: In der deutschsprachigen Fantasy gibt es viele Romane, die in Aventurien, der Welt von „Das Schwarze Auge“, spielen. Was ist Eurer Meinung nach das Besondere an dieser Fantasywelt?
Tom Finn: Für mich unter anderem, dass sie eine lebendige Geschichte besitzt, die kontinuierlich fortgeschrieben wird. Die Fans des Schwarzen Auges können die Geschichte des Kontinents miterleben und vor allem: mitgestalten. Das geschieht jetzt bereits seit 40 irdischen Jahren so, was Aventurien zu etwas ganz Besonderem macht.
Lena Falkenhagen: Ja, es gibt zwar viele fiktive Welten, die sich so ähnlich anfühlen, wie das europäische Mittelalter, aber in Aventurien gibt es einfach durch die vielen, vielen Spielbücher, in denen man Land und Leute und die spannenden Geschichten eben mit eigenen Augen erleben kann, einen ganz eigenen Zauber. Es ist quasi eine lebendige Geschichte entstanden, an der man teilhaben kann.
Tom Finn: Ja, man ist damit Teil einer riesigen Spielerschaft, die die Historie Aventuriens alle ähnlich erlebt haben. Das verbindet ungemein.
Literatopia: Gibt es in „Ruinen der Elfen“ Verbindungen zu anderen Romanen, die auf „Das Schwarze Auge“ basieren?
Lena Falkenhagen: Auf jeden Fall zu den Phileasson-Büchern von Bernhard Hennen und Robert Corvus. An die knüpft mein Handlungsstrang rund um die Skaldin Eyvin ja an.
Tom Finn: Und dann gibt es da noch meinen Erstlingsroman „Über den Greifenpass“ – da gibt es einen ganz zarten inhaltlichen Anschluss. Und natürlich Lenas Havena-Romane!
Lena Falkenhagen: Stimmt, drei meiner Romane, die ich in Aventurien geschrieben habe, nämlich „Die Boroninsel“, „Kinder der Nacht“ und „Die Nebelgeister“, spielen alle in Havena. Man könnte „Ruinen der Elfen“ also als meinen inoffiziellen vierten Havena-Roman bezeichnen …
Literatopia: Das Cover-Artwork von „Ruinen der Elfen“ (und auch das des Folgebandes „Bote der Finsternis“) wurde nach Euren Wünschen gestaltet. Was waren Eure Anforderungen? Und wie zufrieden seid Ihr mit dem Ergebnis?
Lena Falkenhagen: Beide diesjährige Cover halten sich genau an unsere Beschreibungen. Wir finden sie beide unfassbar schön und gelungen. Wir hatten nur winzige Änderungsvorschläge, die die Dichte des Hintergrunds betrifft. Diese wurden vom Verlag sofort an den Cover-Designer weitergegeben. Und der hat die Vorschläge aufgenommen und diese großartigen Szenen daraus gestaltet.
Tom Finn: Ja, es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn das Cover wirklich einhundertprozentig neu für einen Roman angefertigt wird. Piper hat sich da große Mühe gegeben, und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Und das Schöne: Bereits jetzt arbeitet der Künstler am Cover für Band 3.
Literatopia: Lena, Du schreibst auf Deiner Website, dass sich Dein Schreibprozess durch die Arbeit an Spielen verändert hat und Du jetzt eher fragmentiert schreibst. Würdest Du uns das näher erläutern?
Lena Falkenhagen: Hm, früher habe ich immer gedacht, dass der erste Wurf, den man schreibt, schon perfekt sein muss, und dass man sich daher superviele und tiefe Gedanken zur Handlung und ihrem Verlauf machen muss. Natürlich muss man bis zu einem gewissen Grad planen, keine Frage. Aber durch das Schreiben von oft in verschiedenen Iterationsstufen entwickelten Stories in Computerspielen traue ich mich, da mehr loszulassen und Szenen zu schreiben, die oft noch nicht „rund“ und noch nicht ganz entwickelt sind. Dann mache ich einen zweiten, dritten, eventuell vierten Durchlauf und baue die Erzählung in der Dichte so vertikal, nicht horizontal auf.
So entsteht für mich die finale Handlung und die Entwicklung meiner Charaktere und besonders ihrer internen Konflikte im fragmentierten Schreibprozess. Das war bei mir ein sehr erleichterndes Umdenken.
Literatopia: Die FAZ zitiert Dich wie folgt: „Zu behaupten, ein Videospiel sei nicht politisch, ist Quatsch“ – wie politisch ist „Im Schatten Simyalas“?
Lena Falkenhagen: Die Romanreihe „Im Schatten Simyalas“ ist ja kein Computerspiel. Wir schreiben Romane in einer fiktiven Tischrollenspielwelt. Natürlich ist alles, was man schreibt, politisch, keine Frage. Jeder Text, den ich verfasse, wird meine Einstellung zur Gleichberechtigung von Frauen widerspiegeln, wird abbilden, dass man lieben kann, wen man will (solange legal konsensfähig), wird meine Werte in sich tragen.
Fantasy-Romane haben schon immer ein klares Verantwortungsgefühl der Figuren für die Welt ausgedrückt, in der sie handeln, und leben also vor, wie man sich in seiner eigenen Welt im besten Fall verhalten sollte. Das finde ich einen wichtigen Wert, den ich auch an meine Lesenden weitergeben möchte. Wenn Unrecht passiert, darf man nicht zuschauen. Wenn die Welt in Gefahr ist, muss man handeln, egal wie klein man sich fühlt, oder wie überfordert man sich vorkommt. Diese Aussage, die Aktivierung von normalen Menschen im Angesicht von großen Zwängen – das wünsche ich mir von meinen Mitmenschen in Bezug auf den Klimawandel und den heutzutage aufkeimenden Faschismus auch.
Literatopia: Tom, inwiefern hat sich Dein Schreiben über die Jahrzehnte verändert? Gehst Du heute anders an ein neues Werk heran an früher?
Tom Finn: Naja, auch ich dürfte über die Jahre handwerklich natürlich stilsicherer geworden sein. Mein grundsätzlicher Ansatz, an Erzählungen heranzugehen, hat sich aber eigentlich nicht sehr geändert. Ich war noch nie Bauchschreiber, sondern schon immer „Plotter“. Heißt, ich war schon immer ein begeisterter dramaturgischer Handwerker, der mit dem eigentlichen Schreiben erst dann loslegt, wenn ich gedanklich alle wesentlichen Brückenpfeiler des Plots, also der Handlung des jeweiligen Erzählung, bis zum Ende gesetzt habe. Das Schreiben eines Romans vergleiche ich dann gern mit dem Bau der Brücke über diese Pfeiler hinweg. Oder anders gesagt: Wenn ich nicht von Anfang an weiß, wer der Mörder in meinem Krimi ist, dann kann ich den Leser auch nicht gezielt auf falsche Fährten führen. Ein „Mal sehen, was passiert“ gibt es bei mir eigentlich nur bei einzelnen Szenen. Und Figuren, die plötzlich in eine andere Richtung ausbrechen, als ich es vorgesehen habe, in der Regel auch nicht. Grundsätzlich gehe ich heute aber wohl mit sehr viel mehr Selbstsicherheit an eine Story heran, völlig egal, wie kompliziert Setting oder Handlung anfangs auch erscheinen mögen.
Literatopia: Ihr seid beide sehr bekannt in der deutschsprachigen Phantastikszene. Inwiefern hat sich aus Eurer Sicht der Stellenwert von Phantastik verändert? Wird Phantastik heute ernster genommen als noch im letzten Jahrtausend?
Lena Falkenhagen: Ich habe unter anderem das Phantastik-Autor*innen-Netzwerk PAN mit Diana Menschig mitgegründet, weil ich den Stellenwert der Phantastik 2015 unzureichend fand. Heutzutage habe ich schon den Eindruck, dass sich der Blick auf das Genre geändert hat. Fantasy galt einst als rückschrittig und konservativ. Dass man darin auch neue, interessante Welten zeichnen kann, die Gesellschaft anders denken kann, hat sich in den letzten zehn Jahren auf jeden Fall durchgesetzt.
Tom Finn: Was Lena sagt. Die Fantasy ist definitiv auch mehr aus einer kleinen Nische im Mainstream angekommen. Die Literatur hat da lediglich nachgeholt, was etwa im Film schon lange vorgelebt wurde. Denn schaut man sich die dortigen Top 10 an, vergeht eigentlich kein Jahr, in dem wir da nicht drei bis vier phantastische Titel finden. Und da sprechen wir noch gar nicht von den Computerbranche.
Literatopia: Wie steht es insbesondere um High Fantasy in Deutschland?
Lena Falkenhagen: Die High Fantasy-Welle der frühen Nullerjahre ist ja leider vorbei. Ich freue mich für die Autor*innen von Romantasy, dass dieses Genre sich so gut verkauft, wünsche mir diese Zahlen aber auch wieder mehr für die klassische Phantastik.
Literatopia: Würdet Ihr uns abschließend einen kleinen Ausblick auf den zweiten Band „Bote der Finsternis“ geben? Und wie umfangreich soll „Im Schatten Simyalas“ einmal werden?
Lena Falkenhagen: „Im Schatten Simyalas“ wird aus insgesamt vier Bänden bestehen. Band 2, „Bote der Finsternis“ , ist fertig. Der Roman wird bereits Anfang August diesen Jahres erscheinen. Da suchen Franya die Fantastische und die Simyala-Expertin Gräfin Naheniel Quellentanz mit Punin eine weitere exotische Stadt Aventuriens auf, um dort nach einem Artefakt zu suchen, das im Fortlauf der Handlung noch sehr wichtig werden wird. Die beiden treffen dort erstmals auf Eyvin und Vike, die durch ganz andere Spuren an diesen Ort gelockt werden – bis beide Seiten erkennen, dass sie gegen den gleichen Gegner kämpfen. Ich kann versprechen, dass Eyvin auf ihren Vater Beorn „der Blender“ trifft. Ich kann auch andeuten, dass sie über diese Begegnung abschließend nicht glücklich sein wird. Die beiden Gruppen müssen sich dann vertrauen und miteinander arbeiten, aber das fällt nicht immer ganz leicht …
Derzeit schreiben Tom und ich gerade an Band 3, der pünktlich zur Leipziger Buchmesse 2026 erscheinen wird.
Tom Finn: Wie vorhin schon angedeutet, schicke ich unsere vier männlichen Helden in „Bote der Finsternis“ auf eine spannende Queste, die sie einmal quer durch das große Mittelreich im Zentrum des aventurischen Kontinents führt. Die Truppe kommt einem finsteren Geheimnis aus der jüngeren Vergangenheit der aventurischen Geschichte auf die Spur. Und zwar einem, von dem auch die versierten Kenner des Schwarzen Auges bislang nicht ahnen, dass es mit den Geschehnissen um die verschollene Hochelfenstadt Simyala verknüpft ist. Außerdem lernen wir die Auelfen Aventuriens kennen. Dass all das dramatische persönliche Konsequenzen für unsere Figuren zur Folge hat, versteht sich von selbst.
Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview!
Tom Finn: Vielen Dank dir!
Lena Falkenhagen: Ja, danke für die spannenden Fragen!
Autor*innenfotos: Lena Falkenhagen (oben rechts, Copyright by Antje S.), Thomas Finn (oben links, Copyright by Lacina, Florian)
Interview mit Thomas Finn (2013)
Rezension zu "Schwarze Tränen"
Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.