Verlag: Cross Cult; (April 2023)
Taschenbuch: 443 Seiten; 20 €
ISBN-13: 978-3-98666-200-4
Genre: Thriller
Klappentext
James Bond ist verschwunden
und die Zeit läuft ab …
Rezension
James Bond ist verschwunden. Er wurde von der Organisation Rattenfänger gefangengenommen. Weitere Doppelnullagenten wurden getötet. Es ist klar, dass ein Maulwurf im MI6 ist. Gleichzeitig machen sich die Briten Sorgen um den Techmilliardär Sir Betram Paradise. Der behauptet, den Klimawandel rückgängig machen zu wollen. Aber dessen Sicherheitschef und seine führende Wissenschaftlerin, die einen Quantencomputer entwickelt hat, sind verschwunden und deswegen schicken M und Moneypenny 004, Joseph Dryden, los, um Kontakt zu seinem Ex aufzunehmen, der nun der neue Mann für die Sicherheit bei Sir Betram ist.
Kim Sherwood wollte viel, sehr viel mit Doppelt oder Nichts, einem Roman, der in der Welt von James Bond spielt. Leider viel zu viel, dies kann ohne Umschweife festgestellt werden. Denn sie will unbedingt beweisen, dass sie einen James Bond-Roman schreiben kann. Leider schießt sie dabei viel zu sehr übers Ziel hinaus.
Neben ihrer Autorentätigkeit ist Kim Sherwood auch Dozent für kreatives Schreiben an der Universität von Edinburgh und dies ist deutlich zu merken. Es zeigt sich, dass theoretisch etwas zu wissen - und das Wissen, wie ein Roman geschrieben werden kann, hat sie definitiv - und etwas wirklich zu tun, zwei völlig verschiedene Dinge sind.
In Doppelt oder Nichts hat man permanent den Eindruck, dass Kim Sherwood die Liste eines Schreibratgebers abarbeitet und dabei bleibt die Kreativität und das Erzählen einer Geschichte auf der Strecke.
Aktuelle Themen, möglichst diverse Charaktere, Verwicklungen, zwischenmenschliche Probleme, Action und sogar etwas Gesellschaftskritik ganz am Rande, finden sich in Doppelt oder Nichts wieder. Das alles ist garantiert nicht schlecht, nur leider wirft Kim Sherwood das alles völlig unfokussiert in den Roman. Wenn einer der Hauptcharaktere, 004, schwarz, homosexuell, eine Art Cyborg, traumatisierter Kriegsveteran und Liebhaber eines Gegenspielers ist, dann wird die Figur nicht zu einem Charakter, sondern besteht nur noch aus Eigenschaften, lebt aber nicht, wird nicht real. Im Prinzip ist er nur ein wandelndes Klischee und das ist bei einem Roman, bei dem der Leser mitfiebern soll, fatal.
Aber das ist tatsächlich das kleinste Problem des Romans. Kim Sherwoods größtes ist, dass sie absolut keinen Fokus hat, weder in einzelnen Szenen noch im Ganzen. Mindestens vier verschiedene Handlungsstränge können gezählt werden, zwischen denen die Handlung hin und her springt, ohne dabei wirklich Spannung aufzubauen. Denn sobald so etwas wie ein Cliffhanger da ist, dauert es sehr lange bis Kim Sherwood zu ihm zurückkehrt und dann ist er meist bereits erledigt, ohne das der Leser erfährt, wie genau das geschehen ist. Spannung kann sich dadurch nicht aufbauen, auch in den Actionszenen nicht. Dafür sind sie zu sprunghaft und Kim Sherwood drückt sich allzu häufig um nähere Beschreibungen, lässt gerne Figuren für diesen Zweck ohnmächtig oder desorientiert werden oder, wie im schlimmsten Fall, schreibt einfach, dass sie es geschafft haben.
Spannung ist nicht ihr Ding. Aber auch die Charaktere sind ihr größtenteils misslungen, vor allem stolpern sie meist durch die Handlung und verhalten sich oft genug sehr dumm. Paradebeispiel ist Moneypenny und ihre Suche nach dem Maulwurf. Dieser ist sehr sehr leicht zu erkennen, und trotzdem darf er noch weiter frei herumlaufen. Wobei die Identität des Maulwurfs alleine schon unglücklich ist und das er überhaupt zu einem werden konnte, ernsthafte Fragen bezüglich des britischen Geheimdienstes aufwirft.
Ein weiterer Todesstoß für den Roman ist Kim Sherwoods Idee aus Q einen Quantencomputer zu machen, der wortwörtlich ein Deus ex Machina ist. Wenn sie es braucht, kann dieser einfach so Autos anhalten oder andere Dinge tun. Dabei interessiert es am Ende auch nicht, dass Q manipuliert wurde, noch dazu von einem anderen Quantencomputer. Da werden Fragen aufgeworfen, ohne beantwortet zu werden.
Das alles kulminiert in einem äußerst enttäuschenden Finale mit einem sehr schwachen Bond-Bösewicht. Kim Sherwood wollte hier eine große Actionszene schaffen, aber das gelingt ihr nicht, dafür erzählt sie den Verlauf zu platt und das Geschehen ist einfach zu sehr drüber. Mag sein, dass das für sie Bond ausmacht, aber die Zeiten sind eigentlich seit Roger Moore und Pierce Brosnans Stirb an einem anderen Tag vorbei, dessen Ende allerdings wenigstens zu unterhalten wusste.
Und doch ist Doppelt oder Nichts keine absolute Vollkatastrophe und dies liegt einzig darin begründet, dass man beim Lesen spürt, dass irgendwo in diesem Buch ein wirklich guter Roman verborgen liegt, der nur hätte herausgeschält werden müssen. Die Zutaten dafür sind alle da. Nur wäre es wahrscheinlich besser gewesen, jedem der drei Haupthandlungsstränge ein eigenes Buch zu spendieren, in dem sie richtig herausgearbeitet werden. Oder ein Vorgehen wie bei Der Wächter der Nacht-Reihe, in deren Romanen immer drei eigenständige Kurzgeschichten zu einer großen Handlung zusammenlaufen, wäre eine gute Alternative gewesen. So oder so wäre dann mehr Fokus und damit Spannung vorhanden. Die Cameoauftritte alter Figuren aus James Bond-Romanen ist auch eine nette Zugabe, wenn sie auch stellenweise etwas erzwungen wirken und zumindest das Flair des Luxus´ mit dem sich Bond immer umgibt, kann Kim Sherwood vereinzelt herüberbringen. Wenn sie das jetzt mit mehr Stringenz und Spannung verbindet, könnten die beiden folgenden Romane aus ihrer Feder deutlich besser sein.
Fazit
Doppelt oder Nichts ist ein Bond-Roman ohne James Bond, der doch indirekt mit dabei ist. Kim Sherwood schafft es jedoch leider nicht, ihre guten Grundideen überzeugend, spannend und fokussiert aufs Papier zu bringen. So ist der Roman stellenweise geradezu konfus. Dennoch ist er nicht absolut schlecht. Wenn Kim Sherwood das Potential ihrer Geschichte abruft, könnte am Ende noch eine recht gute Trilogie stehen. Dafür muss sie sich aber auf jeden Fall enorm steigern.
Pro & Contra
- zu viele Charaktere, Handlungsstränge und Klischees
- bleibt nicht bei einer Sache und mäandert durch die Geschichte
- Kim Sherwood kann keine guten Actionszenen schreiben
- Charaktere verhalten sich häufig sehr dumm
- Q ist wortwörtlich ein Deus ex Machina
Bewertung:
Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 2/5
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