Phantorion Verlag; (27. Mai 2025)
Taschenbuch, 385 Seiten, 15,95 EUR
ISBN: 978-3911884013
Genre: SciFi / Politthriller
Klappentext:
Nach den Neuwahlen herrscht Katerstimmung in der Solaren Union. Die neue Vizepräsidentin Selena Veyra muss sich nicht nur mit ihrem ehemaligen Widersacher, dem populistischen Präsidenten Julius Marek, herumschlagen, sondern auch noch eine Naturkatastrophe auf dem Mars und Aufstände auf den Saturnmonden bewältigen. Schon bald droht die fragile Koalition zu zerbrechen – und damit die gesamte Solare Union ins Chaos zu stürzen.
Doch im Schatten der glattgebügelten Politikfassade brodelt ein erbarmungsloser Machtkampf. Nicht nur Selena und ihr Mann Cedrik, sondern auch der Oppositionsführer Kallan Dresk, die getriebene Unternehmerin und Mutter Alina Corsis und das Präsidentenpaar höchstselbst verfolgen ganz eigene Pläne. Im Mahlstrom aus Loyalität, Liebe, Ehrgeiz und Rebellion wird jedes Desaster zu einer dornigen Chance. Während in den Hinterzimmern geheime Bündnisse geschlossen und brüchige Allianzen geschmiedet werden, reicht ein einziger Moment, um alles zu verändern. Wer zieht die Fäden? Wer wird geopfert? Und wer überlebt das Spiel um die Macht?
Ein fesselnder Near-Future-Thriller über Täuschung, Liebe, Verrat – und den Preis, den man für seine Überzeugungen zu zahlen bereit ist.
Rezension
Ein gnadenloser Tanz auf dem Minenfeld der Macht – in der Zukunft wie in der Gegenwart.
„Die Schatten der Solaren Union“ ist ein Roman, der unter der glänzenden Oberfläche von Sci-Fi-Technologie und interplanetarischem Fortschritt einen erbitterten, düsteren und waschechten Politthriller verbirgt. Eryx Vail hat mit seinem Debüt eine Geschichte geschrieben, die weniger von futuristischen Gadgets lebt, sondern von der Unberechenbarkeit menschlicher Machtspiele. Wer hier Lichtschwerter oder Alien-Invasionen erwartet, ist im falschen Buch. Wer aber eine komplexe Erzählung voller Täuschung, Verrat und politischer Taktik sucht – der sollte sich diesen Titel unbedingt vormerken.
Politik im Gewand der Zukunft – erschreckend aktuell
Vails Roman beginnt dort, wo politische Hoffnungsträger scheitern – nach der Wahl. Selena Veyra, frisch ernannte Vizepräsidentin der Solaren Union, steht in einem toxischen Spannungsfeld: Der neue Präsident Julius Marek, ein Populist mit zweifelhafter Agenda, lässt sie spüren, dass sie nur geduldet ist. Die Marskolonien werden von Naturkatastrophen bedroht, auf den Saturnmonden brechen Unruhen aus, und zwischen all dem kämpft Veyra mit den Fesseln ihrer Position, den Machenschaften anderer Akteure und ihren eigenen Idealen.
Was auf den ersten Blick wie klassische Science-Fiction erscheint, entpuppt sich schnell als bitterböser Kommentar zur Gegenwart. Vail versteht es, eine Zukunft zu entwerfen, die kaum futuristisch anmutet – gerade, weil ihre Mechanismen so bekannt wirken. Man muss nicht lange überlegen, um Parallelen zu aktuellen politischen Figuren oder Strömungen zu erkennen. Der Name Marek mag fiktiv sein, doch die Strategie, die er verfolgt, ist unschwer wiederzuerkennen: medienwirksam, nationalistisch, manipulativ. Dass Vail hier nicht mit dem Holzhammer arbeitet, sondern vielmehr mit feiner Ironie und kalkulierter Zuspitzung, macht seinen Ansatz umso wirkungsvoller.
Ein Cast mit Potenzial
Der Roman bietet ein breites Figurenensemble. Neben Selena Veyra ist da ihr Mann Cedrik, ein stiller Taktierer, der an mancher Stelle fast interessanter wirkt als seine Frau. Kallan Dresk, der Oppositionsführer, der mehr ist als nur ein politischer Gegenspieler. Die Unternehmerin Alina Corsis, Mutter und Getriebene, eine Figur mit spannender Fallhöhe. Und natürlich das Präsidentenpaar, das sich als Machtzentrum mit eigenen, undurchsichtigen Interessen präsentiert.
Das Problem: Die Figuren bleiben für mich oft zu distanziert, sie funktionieren als Bausteine der Handlung, eine echte Beziehung will und kann man nicht zu ihnen aufbauen. Das ist die literarische Entscheidung des Autors, die rückwirkend in Bezug auf die Geschichte auch Sinn ergibt. Dennoch wünscht man sich, tiefer in die Gedankenwelt dieser Menschen einzutauchen, ihre Zweifel, Ängste und Hoffnungen zu spüren.
Spannung mit Bruchstellen
Vail versteht es, Spannung zu erzeugen. Die Handlung schreitet schnell voran, Szenenwechsel gelingen ihm ausgesprochen gut, und gerade im letzten Drittel zieht das Tempo so an, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Die politische Eskalation, die Intrigen, die Machtspiele – das alles fesselt.
Doch es gibt Brüche. Manche Szenen wirken konstruiert, wichtige Konflikte werden zu früh abgebrochen, statt sie weiter zu verdichten. Gerade dort, wo die Geschichte ihr volles Potenzial entfalten könnte, zieht sich der Autor zurück, statt nachzulegen. Und so bleibt das Gefühl, dass „Die Schatten der Solaren Union“ noch packender, noch schärfer hätte sein können, wenn Vail mutiger gewesen wäre, seine Plotpoints zu Ende zu denken.
Sprachlich liefert Eryx Vail ein solides Debüt. Der Stil ist klar, gut lesbar, und besonders die Szenenübergänge sind gelungen – sie sorgen für einen flüssigen Lesefluss und eine ständige Bewegung in der Handlung. Doch gerade im ersten Drittel stolpert man über zahlreiche Wortwiederholungen und einige Logikfehler, die zwar nicht gravierend sind, aber den aufmerksamen Leser stören dürften. Sie sind kein Beinbruch, aber sie verhindern, dass sich das Buch nahtlos in die Riege der großen Politthriller einreiht.
Ein Spiegel der Gegenwart – mit Sci-Fi-Kulisse
Ein zentrales Thema des Buches ist die queere Identität einiger Figuren – ein Aspekt, der mit Bedacht in die Handlung verwoben wurde. Es geht nicht um plakative Repräsentation, sondern darum, wie Identität in einer politischen Welt zur Waffe oder Schwäche gemacht werden kann. Dennoch bleiben auch hier gemischte Gefühle: Für Leser*innen, die selbst zur queeren Community gehören, könnten einige Darstellungen belastend wirken. Die Darstellung ist nicht unsensibel, aber auch nicht immer einfühlsam genug. Hier hätte Vail ruhig etwas mehr Fingerspitzengefühl und Tiefe zeigen dürfen – nicht, um zu schonen, sondern um glaubhafter zu erzählen.
Was „Die Schatten der Solaren Union“ besonders macht, ist seine Relevanz. Der Roman spielt in einer fernen Zukunft, aber die Probleme sind unsere: populistische Machtstrategien, politische Manipulation, gesellschaftliche Spaltung, fragile Demokratien. Wer heute die Nachrichten verfolgt, wird sich unweigerlich fragen: Wie weit sind wir eigentlich noch von dieser Zukunft entfernt?
Die Vergleiche mit House of Cards sind gerechtfertigt – es geht um Intrigen, Machtkämpfe, Verrat, und darum, wie weit Menschen gehen, um ihre Position zu sichern. Doch im Gegensatz zu House of Cards fehlt hier oft der zynische Biss, der Blick in die Abgründe der Charaktere. Vail kratzt an der Oberfläche, aber selten geht er wirklich hinein.
Fazit: Gutes Debüt mit Luft nach oben
„Die Schatten der Solaren Union“ ist ein spannender Politthriller, der aufzeigt, wie dünn die Grenze zwischen Demokratie und Despotie sein kann – in der Zukunft wie in der Gegenwart. Vail hat ein gutes Gespür für Dynamik, politische Fallstricke und narrative Wendungen. Die thematische Tiefe und die Vielschichtigkeit des Settings verdienen Respekt.
Doch der Roman bleibt hinter seinen Möglichkeiten. Bei den Figuren hätte ich mir persönlich mehr Tiefe gewünscht, einige Szenen wirken zu inszeniert, manche Entwicklungen werden zu früh abgewürgt. Dazu kommen stilistische Schwächen und ein manchmal zu offensichtlicher Bezug zu realen politischen Vorbildern, der die Eigenständigkeit der Geschichte etwas untergräbt.
Trotzdem: Wer sich für Politthriller interessiert und keine Angst vor düsteren Zukunftsszenarien hat, bekommt hier ein Buch, das unterhält, herausfordert und nachwirkt. Es ist kein perfekter Roman – aber ein wichtiger. Und Band 2 ist nach diesem Cliffhanger ohnehin Pflicht.
Pro & Contra
+ Spannung durchgehend hoch: Kaum Leerlauf, gut gesetzte Cliffhanger, starker Spannungsbogen
+ Relevante politische Themen: Populismus, Machtmissbrauch, Identitätspolitik – brandaktuell und gesellschaftlich brisant.
+ Starker Einstieg und packendes Ende: Die Rahmenhandlung ist geschickt konstruiert und der Cliffhanger funktioniert.
o Reduzierter Weltenbau: Wer epische Sci-Fi erwartet, wird enttäuscht. Für Politthriller-Fans genau richtig.
o Ernsthafte Themen statt Eskapismus: Wer „klassisches“ Sci-Fi zur Flucht sucht, könnte das Buch als zu schwer empfinden.
- Flache Figurenzeichnung: Viele Charaktere bleiben eindimensional; innere Konflikte werden kaum ausgelotet.
- Wortwiederholungen und stilistische Unsauberkeiten: Vor allem im ersten Drittel auffällig.
- Parallelen zu realer Politik teils zu plakativ: Anspielungen auf aktuelle Figuren nehmen der Story teilweise ihre Eigenständigkeit.
Bewertung:
Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5