
Gmeiner-Verlag; (13. August 2025)
Taschenbuch: 312 Seiten; 17,00 EUR
ISBN: 978-3839209127
Genre: Thriller
Klappentext:
Entsetzen auf der weltbekannten Berliner Museumsinsel: Im Kuppelsaal der Nofretete wird eine grausam verstümmelte Leiche entdeckt. Augen, Ohren und Zunge wurden entfernt. Kurz darauf wird ein zweites Opfer gefunden. Die ganze Stadt spricht schon bald von einem Pharaonenfluch. Kommissarin Annetta Niedlich und ihr pensionierter Ex-Chef Magnus Böhm stehen vor einem Rätsel, denn der Täter hinterlässt keine Spuren - nur ein mysteriöses Symbol aus dem Ägyptischen Totenbuch. Dann schlägt der Killer im Pergamonmuseum zu und es wird klar, die Opfer verbindet ein dunkles Geheimnis. Aber was hat es mit der „Waage der Maat“ auf sich?
Rezension
Die ägyptische Mythologie fasziniert mich schon ziemlich lange, daher war ich auch ziemlich angefixt, als ich Totenbuch – Bloody Berlin beim Gmeiner-Verlag angefragt habe. Das musste ich einfach lesen. Ägyptische Mythologie, ein Mordfall mitten im Herzen Berlins, ein mysteriöses Symbol aus dem Totenbuch, ich meine, wie oft bekommt man einen Krimi serviert, der in der Nofretete-Halle spielt? Eben. Also rein ins Abenteuer, oder besser gesagt: rein in die Ermittlungen.
Zunächst mal zum Setting: Die Berliner Museumsinsel. Ich war selbst noch nie dort, aber Alex Thomas schafft es, sie so plastisch zu beschreiben, dass man meint, man würde direkt zwischen Pergamonmuseum und Altem Museum herumspazieren. Die Kulisse ist dabei ein echter Pluspunkt, nicht nur, weil sie historisch aufgeladen ist, sondern weil sie auch perfekt zu dieser etwas düsteren, leicht morbiden Atmosphäre passt, die sich durch das ganze Buch zieht. Allein der Fund der ersten Leiche im Kuppelsaal vor der Nofretete ist stark gemacht: Augen, Ohren, Zunge, alles entfernt. Das ist mal ein heftiger Einstieg. Aber es passt zur Geschichte und zur Grundstimmung, die sofort klarmacht: Hier geht’s nicht um irgendeinen 08/15-Mordfall.
Obwohl das Buch auf dem Cover mit „Thriller“ wirbt, muss ich ehrlich sagen: So richtig „thrillig“ wurde es für mich leider nicht. Wenn man will, war es eher ein klassischer Krimi mit leichten Mystery-Vibes. Und das war dann auch so ein bisschen mein erstes Aha-Erlebnis, ich hatte nämlich mehr Adrenalin erwartet, mehr Thrill und vor allem mehr überraschende Wendungen. Bekommen habe ich einen soliden Krimi, mit einem gut konstruierten Fall, aber ohne die ganz großen Highlights, die einen Thriller eben auszeichnen. Das muss an sich nicht schlecht sein, aber es hat meine Erwartungshaltung eben etwas auf den Kopf gestellt.
Was ich wirklich gelungen fand, war die Verflechtung der zwei Handlungsstränge. Während Kommissarin Annetta Niedlich und ihr Ex-Chef Magnus Böhm in Berlin ermitteln, geht, einige Wochen zuvor, DCI Warren Reeves im British Museum in London einem ähnlich bizarren Mordfall nach. Eine Leiche im Sarkophag. Anfangs fragt man sich noch, wie das zusammenhängt, aber je weiter die Geschichte fortschreitet, desto klarer wird: Das ist kein Zufall. Die beiden Stränge sind klug miteinander vernetzt und laufen am Ende auch überzeugend zusammen. Gerade dieser internationale Aspekt hat für mich dann noch mal eine zusätzliche Spannungsebene reingebracht.
Allerdings: So ganz hat mich das Erzähltempo nicht überzeugt. Gerade im Mittelteil hatte ich das Gefühl, dass sich die Geschichte etwas verliert. Es werden viele Details beschrieben, teilweise auch Dinge, die am Ende überhaupt keine Relevanz für die Lösung des Falls haben. Das bremst die Spannung stellenweise aus, ich musste mich da schon ein bisschen durchkämpfen. Nicht, weil es schlecht geschrieben wäre, sondern weil es einfach unnötige Umwege nimmt. Man hätte das alles ein bisschen straffer erzählen können, ohne dass die Atmosphäre oder der Tiefgang der Figuren darunter gelitten hätte.
Apropos Figuren: Für mich überwiegend das Herzstück des Romans. Annetta Niedlich ist eine interessante Ermittlerin, auch wenn ich finde, dass sie im Vergleich zu ihrem Kollegen Böhm etwas blass bleibt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich den ersten Band nicht gelesen habe, möglich, dass dort mehr zu ihrer Persönlichkeit erzählt wird. Hier hätte ich mir jedenfalls gewünscht, auch bei ihr mal einen Blick hinter die Fassade werfen zu dürfen. Anders bei Magnus Böhm: der ist ein echtes Original. Grummelig, kantig, aber auch mit Herz, vor allem mit dem Pflegehund Isbert. Man merkt einfach, dass da eine Geschichte dahintersteckt, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Ich mochte ihn tatsächlich sofort, vielleicht auch, weil er so ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt.
Die Chemie zwischen den beiden funktioniert jedenfalls gut. Es ist kein erzwungenes Ermittlerdreamteam, sondern eher eine zweckgerichtete Zusammenarbeit mit einer gewissen Tiefe und einem gut dosierten Augenzwinkern. Man spürt, dass da eine gemeinsame Vergangenheit ist, auch wenn nicht alles auserzählt wird. Das hat mir gut gefallen, genauso wie die Tatsache, dass die Dialoge zwischen den beiden nicht künstlich wirken. Authentizität ist bei solchen Konstellationen keine Selbstverständlichkeit, hier hat sie recht gut funktioniert.
Und dann ist da noch der Gegenspieler, oder besser gesagt: der Mörder. Für mich leider der schwächste Part des Romans, wie ich finde. Ohne zu spoilern: Die Motivation ist nachvollziehbar, aber die Figur selbst bleibt mir einfach zu blass.
Ich hätte mir hier etwas mehr Raffinesse gewünscht, eine Person, die mich wirklich überrascht, vielleicht sogar verstört. Stattdessen bleibt das Ganze relativ harmlos, beinahe sachlich. Und das ist schade, weil die Ausgangssituation so viel Raum für psychologische Tiefe geboten hätte.
Der Schreibstil von Alex Thomas ist insgesamt solide, aber, und das muss ich ehrlich sagen, eher nüchtern. Kein stilistisches Ausbrechen nach links oder rechts, keine großen Überraschungen, sondern klare, oft fast sachliche Sprache. Das hat den Vorteil, dass man gut durchkommt und die Handlung im Vordergrund bleibt. Aber es fehlt halt auch ein bisschen der Charme, der besondere Ton, das, was einen Stil unverwechselbar macht. Für mich war das zwar kein Grund, das Buch aus der Hand zu legen, aber es bleibt eben auch nicht lange nach dem Lesen im Kopf.
Was hingegen wirklich stark war: die Einbindung der ägyptischen Mythologie. Das Totenbuch, die „Waage der Maat“, all diese Elemente verleihen dem Buch eine fast mystische Ebene, bleibt dabei aber immer auf dem Boden der Tatsachen. Dennoch ein guter und spannender historischer Unterbau. Für mich als Fan ägyptischer Mythologie war das durchaus ein Highlight. Ich hätte mir sogar noch mehr davon gewünscht, ein bisschen mehr Hintergrundwissen, ein bisschen mehr Geheimnis, ein bisschen mehr … Gänsehaut. Schließlich gehört das ja auch zu einem Thriller.
Fazit
Unterm Strich bleibt für mich ein Krimi, der handwerklich gut gemacht ist, mit einem spannenden Setting punktet und überwiegend interessanten Figuren aufwartet, aber auch Luft nach oben hat. Wenig überraschende Wendungen, ein eher blasser Antagonist und ein etwas zähes Mittelstück haben verhindert, dass Totenbuch – Bloody Berlin für mich ein echter Pageturner wurde. Und trotzdem: Für eingefleischte Fans von Kriminalromanen ist das Buch absolut lesenswert. Es ist vielleicht kein Must-Read, aber definitiv ein solides Werk, das gut unterhält, wenn man seine Erwartungen etwas anpasst.
Pro & Contra
+ Spannendes und atmosphärisch dichtes Setting rund um die Berliner Museumsinsel
+ Gut ausgearbeitete Figuren, vor allem Magnus Böhm
+ Interessante Verflechtung zweier Handlungsstränge
- Erwarteter Thriller-Charakter bleibt eher aus, es ist mehr ein Krimi
- Der Gegenspieler bleibt blass
- Im Mittelteil zieht sich die Handlung stellenweise
- Der Schreibstil ist eher nüchtern
Bewertung: ![]()
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5
