Thomas Plischke (08.01.2010)

Interview mit Thomas Plischke

Literatopia: Hallo Thomas! Stell Dich doch bitte zuerst kurz vor. Wer bist Du und in welchen Genres siedeln sich Deine Bücher an?

Thomas Plischke: Ich kam vor nunmehr 35 Jahren in Ludwigshafen am Rhein zur Welt. Somit bin ich gebürtiger Pfälzer (trinke also ganz gerne Wein), lebe aber inzwischen in der Diaspora im schönen Hamburg, wo ich nun in erster Linie phantastische Bücher schreibe. Damit wären wir dann auch schon beim Genre: Ich fühle mich hauptsächlich in der Phantastik mit ihren Spielarten Fantasy, Sci-Fi und Horror am wohlsten, wobei mir die besondere Erzählweise des Thrillers allerdings auch sehr gute Dienste leistet.

Literatopia: Im Dezember 2009 ist bei Piper der Phantastik-Thriller „Kalte Krieger“ erschienen. Worum geht es? Und was sind richtige „Thriller-Elemente“ in Deinem Roman?

Thomas Plischke: "Kalte Krieger" ist mein persönlicher Beitrag zum von mir heißgeliebten Superheldengenre. Anstelle der dort sonst oft dominanten Action wollte ich stattdessen den Schwerpunkt auf die Psyche der Figuren mit außergewöhnlichen Fähigkeiten legen, sodass am Ende ein Psychothriller daraus geworden ist. Beim Thriller geht es ja immer um Spannung, Zeitdruck, überraschende Wendungen und das Aufdecken verborgener Wahrheiten – und das steht eben auch bei "Kalte Krieger" im Vordergrund. Ein wenig Action und Romantik gibt es natürlich auch, aber die Thriller-Anteile überwiegen schon deutlich.
Es geht eigentlich um Nina und Amy, zwei junge Frauen, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird. Amy ist eine Psychologiestudentin aus Boston, die es für ein Praktikum nach Portland in Maine verschlägt. Rechnet man nur die Stadt Portland und nicht das umliegende Einzugsgebiet, dann hat Portland ungefähr 60000 Einwohner und ist damit bereits die größte Stadt des gesamten Bundesstaats. Das allein ist für die urbane Amy schon ein echter Kulturschock, aber ihr Betreuer ist noch dazu ein ziemlich schräger Vogel, der sie prompt in die Ermittlungen zu einem mysteriösen Mord und eine verschwundene Patientin hineinzieht. Der Mord ist deshalb etwas ungewöhnlich, weil das Opfer erfroren aufgefunden wurde – bei sommerlichen Temperaturen. Die verschwundene Patientin ist Nina, die wir 10 Jahre vor dem Mord ins Sommercamp Wagosh begleiten, wo sie sich nicht nur mit den Irrungen und Wirrungen ihrer ersten großen Liebe, sondern auch noch den finsteren Machenschaften einer Gruppe von ziemlich skrupellosen Verschwörern herumplagen muss. Selbstverständlich hängen die Ereignisse in der Vergangenheit mit denen in der Gegenwart zusammen, aber wie genau, will ich lieber nicht verraten.

Literatopia: Im April 2010 wird ebenfalls bei Piper „Die Zombies“ erscheinen. Wurdest Du vom Verlag angesprochen, ob Du etwas zu diesen zwischen Elfen, Orks und Vampiren noch fehlenden Fantasykreaturen schreiben magst oder kam die Idee von Dir und bekam vom Verlag eben den typischen Fantasytitel á la „Die Elfen“ aufgedrückt?

Thomas Plischke: Da muss ich mal mit einem entschiedenen "Jein" antworten. Sowohl die Idee als auch der Titel sind von mir *lacht* Die wandelnden Toten gehören seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingskreaturen – natürlich vor allem im Film. Irgendwie fand ich, dass es mal Zeit war, für diese kannibalischen Gesellen mit dem immens schlechten Ruf eine Lanze zu brechen. Oder eine Stimme zu geben, die über Knurren und Stöhnen hinausgeht, wenn man so will. Als sich Anfang 2009 die Veränderung der Völkerreihe in Richtung der eher aus dem Horror- und Gruselbereich stammenden Geschöpfe andeutete, hat mein Co-Autor Ole die Zeichen der Zeit erkannt und mit mir flugs einen Entwurf für unser Zombie-Epos erstellt, den Piper dann sehr gerne angenommen hat.

Literatopia: Und natürlich das Wichtigste: Worum geht es in „Die Zombies“? Sind die Zombies bei Dir halb zerfallene Kreaturen, die gerne Hirne verspeisen oder haben sie vielleicht sogar etwas Romantisches wie die modernen Vampire?

Thomas Plischke: Der Ansatz, für den Ole und ich uns entschieden haben, weicht ein bisschen von dem ab, was man von einem Völker-Roman oft erwartet. Anstatt das "Volk" der Zombies in eine feste Form zu pressen, wollten wir möglichst viele verschiedene Arten von Zombies mit im Boot haben, die aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Quellen stammen. Bei der Recherche im Vorfeld hat sich dann auch schnell gezeigt, dass es eigentlich auf der ganzen Welt Geschichten über körperlich aus dem Jenseits wiederkehrende Tote gibt, die uns Lebenden nicht sonderlich wohl gesonnen sind – und innerhalb dieser Gruppe sind die Bluttrinker gegenüber den Fleischfressern sogar deutlich in der Unterzahl. Böse Zungen behaupten gar, der Vampir sei letzten Endes nichts anderes als eine besondere Spielart des Zombies. Heutzutage zwar meist eine recht attraktive und verführerische, aber nichtsdestoweniger handelt es sich bei ihnen häufig auch um nichts anderes als auf übernatürliche Weise zu neuem Unleben erwachte Leichen. Man sieht also, dass ruhelose Tote ein sehr breites Spektrum abdecken, und in "Die Zombies" gibt es folglich sowohl die halbverwesten Unholde als auch die beinahe noch vollkommen menschlichen Bestien. Gehirn steht aber bei allen auf dem Speiseplan, wobei sie nötigenfalls auch mit Fleisch vorliebnehmen ...
Die Hauptfigur ist Lily, eine junge Frau, die quasi einen Teil unserer eigenen Recherchearbeit nachvollzieht: Sie schreibt als Anthropologin ihre Doktorarbeit über die zahllosen Mythen und Legenden aus aller Welt, in denen wandelnde Tote in Erscheinung treten. Doch im Zuge ihrer Nachforschungen muss sie am eigenen Leib erfahren, was es heißt, zu tief in den Schatten zu stochern und den Hunger zu wecken, der darin lauert. Nebenbei macht sie die Bekanntschaft zweier Männer, die jeweils vollkommen unterschiedlich mit dem Phänomen "lebende Tote" umgehen und zwischen denen sie sich auch entscheiden muss. Etwas später im Roman beginnen zwei zusätzliche Handlungsstränge mit Figuren, deren Familien schon seit langer Zeit im Bann der Untoten stehen und die sich nun darüber klar werden müssen, ob sie diesen teils sehr verstörenden Tradition folgen möchten oder ob sie lieber ihren eigenen Weg gehen wollen. Es geht also um die drei großen Themen im Leben: Liebe, Freiheit und Tod.

Literatopia: Nächstes Jahr wird es bei Piper Fantasy ein Special zu „Die Zombies“ geben, in dem es um die Entstehung des Covers geht. Magst Du uns jetzt schon ein bisschen was verraten? Welche Stationen durchläuft ein Cover?

Thomas Plischke: Allzuviel möchte ich jetzt zwar noch nicht verraten, aber eines kann ich völlig gefahrlos preisgeben: Bis ein Cover steht, verstreicht manchmal eine erstaunliche Menge Zeit und es sind auch erstaunlich viele Leute an diesem Prozess beteiligt. Der Autor ist dabei aber zugegebenermaßen das kleinste Licht, obwohl er bisweilen den ersten Anstoß für das Cover gibt. Neben ihm basteln auf die eine oder andere Art auch noch der Lektor, der Art-Director, die Cover-Agentur, der Künstler und schließlich auch noch die Leute aus dem Verkauf an dem schnöden Bildchen mit – man muss also sehr viele Meinungen unter einen Hut bringen.

Literatopia: Warum eigentlich gerade Phantastik? Was fasziniert Dich an den phantastischen Genres? War die Begeisterung dafür schon immer da oder hast Du sie erst später für Dich entdeckt?

Thomas Plischke: Im Laufe des Erwachsenwerdens wird die Welt für einen Menschen scheinbar immer erklärbarer: Den Weihnachtsmann gibt es ebenso wenig wie den Klapperstorch, Liebe ist nur ein biochemischer Prozess und selbst das Wetter kann man (mehr oder minder zuverlässig) vorhersagen. Diese "Rationalisierung" der Welt raubt ihr aber meiner Meinung nach auch einen Teil ihres Zaubers. Irgendwann stellte sich mir dann die Frage: Was wäre, wenn auch nur ein winziges bisschen von all dem Unerklärlichen, das einem als Kind eventuell gehörig Angst eingeflößt hat, doch noch da ist? Nur gut versteckt und absolut unerkannt? Und was, wenn es alles andere als freundlich ist (also eben nicht so harmlos hirnzersetzend wie der Coca-Cola-Nikolaus)? Da wären wir dann bei der klassischen Phantastik, bei der das Unerklärliche in die Welt zurückkehrt.
In den letzten Jahren ist das Unerklärliche aber auch in technologisierter Form wieder auf dem Vormarsch: als GPS, Handy und Internet. Welcher Durchschnittsmensch wie ich kann denn schon genau erklären, wie ein Mobilfunk-Netz funktioniert? Oder ein MP3-Player? Vom "Clouding" oder dem "Nacktscanner" mal ganz zu schweigen *grinst* Die Technik offenbart einerseits immer unglaublichere Möglichkeiten und wird in vielen Varianten für den Nutzer zwar leichter nutzbar, aber das, was sie mit uns anstellt, und das, was sie ausmacht, bleibt andererseits für den Laien immer undurchschaubar. Da sind wir dann bei meiner Begeisterung für Sci-Fi.
Fantasy hingegen wird zwar inzwischen oft gleichbedeutend mit Phantastik im Allgemeinen gebraucht, aber für mich als Fan der alten Schule lebt sie von den Parallelwelten, die eben nicht die gute alte Mutter Erde sind.
Diese Welten sind natürlich von sich aus schon unerklärlich und voller Rätsel, weshalb ich ihnen gerne das eine oder andere Element aus unserer vertrauteren Wirklichkeit aufzwinge: Warum sollte es in einer Fantasywelt keine industrielle Revolution, keinen Rassismus und keinen Faschismus geben? Das haben doch wir Erdenbewohner ebenso wenig für uns allein gepachtet wie Feudalismus, Paladinorden und Drachen ...

Literatopia: Wie wir wissen, schreibst Du nicht alleine, sondern mit Deinem Co-Autor Ole Johan Christiansen. Wie genau läuft die Zusammenarbeit bei Euch ab? Musstet Ihr schon einmal ein Projekt abbrechen oder vorübergehend auf Eis legen, weil Ihr euch nicht einigen konntet?

Thomas Plischke: Ole und ich sind ein ganz spezieller Fall von Vernarrtheit auf den ersten Blick. Wir haben beide unsere alten Leben hinter uns gelassen und gemeinsam ein neues angefangen – das klingt jetzt nicht nur wildromantisch, sondern das war es auch definitiv. Seitdem sind wir nie fast nie länger als ein paar Stunden voneinander getrennt und damit auch sehr glücklich.
Beim Schreiben ist Ole vor allem für Konzepte, Recherche, Exposés und das Vorlektorat zuständig. Ich übernehme in weiten Teilen die eigentliche Textstellung – eine Aufteilung, die ganz hervorragend funktioniert. Streit gibt es selten, was aber auch daran liegt, dass Ole einen unglaublichen Output an Ideen und Konzepten hat, weshalb wir dann genau die Projekte aussuchen können, auf die wir beide Lust haben und die auch einem Verlag gefallen (könnten). Gelegentlich legen wir Projekte dann zwar auf Eis, aber das liegt daran, dass der Tag eben nur 24 Stunden hat. Unsere Fantasy-Reihe "Asche" zum Beispiel befindet sich im "Limbus" und wird da wohl noch einige Jahre verweilen, bis wir uns ihrer wieder annehmen können. Zunächst mal sind jetzt die Zerrissenen Reiche, die Zombies und nicht zuletzt die Kalten Krieger dran.

Literatopia: Wann tritt Ole selbst einmal in Erscheinung? Ist er z.B. auf Lesungen dabei oder liest Du grundsätzlich alleine?

Thomas Plischke: Das (Vor)-Lesen übernehme ich alleine, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil Ole geschriebene Texte nach eigener Überzeugung unfassbar schlecht ablesen kann, ohne sich zu verhaspeln oder falsch zu betonen; er hat allerdings ein großes komödiantisches Talent, wenn es um die allgemeine Verballhornung von Texten geht, aber es ist ihm sehr peinlich, wenn ihm dies unfreiwillig vor zahlenden Gästen passiert, die gerade etwas anderes von ihm erwarten. Teilweise organisieren wir Lesungen aber auch wie Vorträge, und die machen wir dann gemeinsam (unter anderem weil er sich mit der Technik viel besser auskennt als ich).

Literatopia: Bereitet Dir Lesungen viel Spaß oder ist es jedes Mal eine Überwindung? Gibt es eine Lesung, die Dir besonders positiv im Gedächtnis geblieben ist?

Thomas Plischke: Mir sind meine Leser wichtig. Deshalb gebe ich gerne Interviews, schreibe Blog und antworte auf wirklich jede Anfrage – und in diese Sparte des bedingungslosen Leserkontakts fallen für mich auch Lesungen. Nur da sehe ich meine Leser ja mal von Angesicht zu Angesicht und kann ihnen Fragen direkt und schnörkellos beantworten. Besonders schön war sicher die Premierenlesung zu "Die Zwerge von Amboss", weil ich da volles Haus hatte, das Publikum mir ausgesprochen wohlgesonnen war und das Ambiente stimmte. Was jetzt nicht heißen soll, dass ich nicht auch vor zwei Leutchen lesen würde, solange sie Lust haben, mir zuzuhören.

Literatopia: Bekannt geworden bist Du mit „Die zerrissenen Reiche“. „Die Zwerge von Amboss“ und „Die Ordenskrieger von Goldberg“ mussten unter anderem erdulden, als „zu politisch“ bezeichnet zu werden. Wie politisch sind die Romane nun wirklich? Und was meinst Du persönlich zu Politik in der Phantastik?

Thomas Plischke: Den Vorwurf "zu politisch" lasse ich mir in Teilen gern gefallen. Ich bin ein politischer Mensch und habe zu einigen Themen auch eine Meinung. Warum sollte ich mit dieser Meinung ausgerechnet beim Schreiben hinter dem Berg halten? Letzten Endes kann mir alles, was ich sage oder schreibe als politische Stellungnahme ausgedeutet werden, selbst wenn ich das in bestimmten Momenten vielleicht gar nicht möchte, und da ist es mir dann doch lieber, wenn man deutlich merkt, dass mein Herz links schlägt und ich mit Rassismus, Faschismus und Raubtierkapitalismus so meine Probleme habe.
Sowohl feudale Systeme als auch das verfluchte Auserwählten-Motiv finden sich (leider) viel zu oft in der Fantasy, ohne dass auch nur in einem Nebensatz mal durchschimmert, wie sich der Autor zu seinem eigenen Weltentwurf positioniert und dessen Schattenseiten darstellt. Natürlich greife ich auch solche Ideen auf, aber nur um sie dann gehörig in die Mangel zu nehmen und auch das aufzuzeigen, was mich an ihnen als Mensch stört.
Gerade die "Zerrissenen Reiche" sollten und sollen politisch sein, und sie sind es auch geworden. Wem das nicht gefällt, der hat ja noch reichlich andere Werke zur Auswahl.

Literatopia: In der Phantastik hat man es oft mit starken Charakteren zu tun, seien es mutige Helden oder grimmige Bösewichte. Hattest Du schon einmal mit einem Charakter zu kämpfen, der so gar nicht wollte wie Du? Was hast Du dann mit ihm gemacht? Umgeschrieben oder gnadenlos gelöscht?

Thomas Plischke: Vorweg muss ich wohl schicken, dass ich kein "aus dem Bauch"-Schreiber bin. Ich plane sehr genau und entwickle die Figuren passend zur Geschichte. Daher entwickeln sie nur ein bedingtes Eigenleben und halten sich wie Schauspieler an ihr Drehbuch (aber wie man es von guten Schauspielern erwartet, improvisieren sie manchmal, um mich zu überraschen). Ab und an kommt es auch vor, dass Figuren erst im Lauf der Vorplanungen zur Geschichte immer wichtiger werden. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist Karu Schneider aus den "Zerrissenen Reichen", eine Sucherin aus dem Zwergenbund – ursprünglich, also ganz, ganz am Anfang der allerersten Überlegungen, war sie nur eine Nebenfigur. Nach und nach, heimlich, still und leise hat sie sich dann immer weiter in den Vordergrund gedrängt. Gerade Band 3 (bei dem ich derzeit in den letzten Zügen liege), dreht sich ganz massiv um sie und ihre Rolle im Widerstand gegen die herrschende Ordnung.

Literatopia: Zu Deinen bisherigen Werken zählt unter anderem ein prämiertes Theaterstück. Was kannst Du uns darüber erzählen? Und worauf muss man beim Schreiben eines Theaterstücks Deiner Meinung nach besonders achten?

Thomas Plischke: Uiuiui, da werden ja jetzt die ganz ollen Kamellen herausgekramt. Besagtes Theaterstück entstand im Rahmen meiner Facharbeit in der Oberstufe und ist gelinde gesagt verflixt politisch (was für ein Schock, nicht wahr ...). Bei Theaterstücken kommt es meiner Meinung nach vor allem darauf an, den recht eng gesteckten zeitlichen Rahmen optimal zu nutzen und sich immer wieder die Grenzen der Darstellbarkeit von Ereignissen auf einer Bühne ins Gedächtnis zu rufen: Der Hintergrund von Figuren etwa kann nur indirekt so stark beleuchtet werden, wie man es bei einem Roman kann. Stattdessen müssen die Schauspieler mit ihrem Auftreten und ihrem Spiel den Figuren Leben einhauchen, sodass der Zuschauer erkennen kann, was er für einen Charakter vor sich hat. Da hatte ich natürlich den Vorteil zu wissen, wer das Stück denn als erstes zur Aufführung bringt: unser eigenes Schülertheater. Es würde mich sicher reizen, nochmal ein Theaterstück zu schreiben, aber dazu fehlt mir aktuell einfach die Zeit.

Literatopia: Du schreibst auch Kurzgeschichten, unter anderem auch preisgekrönte mit ungewöhnlichen Titeln wie „Krüppel“ und „Fickpisse“. Worum geht es in diesen Geschichten? Und hast Du Dich sehr über die Auszeichnungen des Literaturwettbewerbs der Julius-Springer-Schule gefreut?

Thomas Plischke: In beiden Geschichten geht es um den alltäglichen Wahnsinn, der uns umgibt (und das ist gar nicht zwingend böse gemeint). Es passieren tagtäglich unendlich viele ungewöhnliche und bizarre Ereignisse, die von den meisten Menschen einfach übersehen oder absichtlich ignoriert werden. Beide Kurzgeschichten haben so ein kleines Erlebnis zum Inhalt.
Die Auszeichnung selbst hat übrigens für einen kleinen Eklat an meiner Berufsschule gesorgt, weil man den Titel von "Fickpisse" zensiert sehen wollte, und man hat dahingehend sogar Druck auf meine damaligen Arbeitgeber ausgeübt. In Teilen hat der Wettbewerb aber ein wenig dazu beigetragen, dass ich mir mehr zugetraut habe – vorher wäre ich nie darauf gekommen, dass ich ein Talent zum Schreiben haben könnte.

Literatopia: Was schreibt sich Deiner Meinung nach schwieriger: Ein guter Roman oder eine gute Kurzgeschichte? Was haben beide gemeinsam und wo liegen Deiner Meinung nach die großen Unterschiede?

Thomas Plischke: Der Roman schreibt sich schwieriger – und zwar bei weitem. Für die Kurzgeschichte brauche ich eine zündende Idee, und sobald ich die habe, ist der Drops quasi gelutscht. Sie lebt letztlich ja von einem einzigen Kniff, einem einzigen Höhepunkt. Ein Roman ist viel komplexer und aufwändiger. Hier reicht eine einzige gute Idee in der Regel nicht aus. Mal ganz im Ernst: Kann sich jemand "Das verräterische Herz" von Poe auf 350 Seiten ausgewalzt als angenehme Lektüre vorstellen? Ich jedenfalls nicht. Die beim Roman vorhandenen Freiheiten bei der Handlung und den Figuren, die sich durch ein Mehr an Platz und Aufwand ergeben, machen die zusätzliche Mühe beim Schreiben wieder wett.

Literatopia: Wie bereitest Du Dich auf das Schreiben Deiner Romane vor? Wie viel Zeit investierst Du z.B. in Recherche und inwiefern ist diese bei Deinen Büchern notwendig?

Thomas Plischke: Ich recherchiere und plane meist in etwa so lange wie ich an einem Roman schreibe, also jeweils 3 bis 4 Monate, was für einen Einzelroman also 6 bis 8 Monate Vorlaufzeit bedeutet. Glücklicherweise greift mir Ole dabei sehr unter die Arme und übernimmt viel von den wirklich aufwändigen Recherchearbeiten, beispielsweise Material in Form von Büchern und Filmen zu sichten, sich den Markt genau anzuschauen und entsprechende Fachliteratur zu besorgen. Ohne ihn könnte ich wohl längst nicht so viel veröffentlichen, wie ich es im Moment tue.

Literatopia: Als literarisches Multitalent hast Du Dich auch schon an Drehbüchern zu Hörspielen versucht. Wo liegen hier die besonderen Anforderungen an einen Autor? Und zu welchen Hörspielen hast Du das Drehbuch geliefert?

Thomas Plischke: Das Hörspiel ähnelt ein wenig dem Theaterstück, weil – wen wundert's – Dialoge im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Daneben ist die Hauptschwierigkeit die, die nötigen Informationen, die die Geschichte nachvollziehbar machen, rein über das Gehör zu vermitteln: Wie vermittle ich nur mit Stimmen und Tönen die Handlung? Üblicherweise braucht man also einen Erzähler, der auf keinen Fall zu geschwätzig sein darf, und die Figuren müssen auf möglichst subtile Weise ständig ihr eigenes Verhalten kommentieren oder Dinge aussprechen, die echte Menschen in den geschilderten Situationen nie sagen würden (weil ihnen zum Beispiel beim plötzlichen Erscheinen eines Monsters in der Kanalisation ganz einfach die Worte fehlen beziehungsweise die Stimme versagt). Das ist aber alles sehr viel leichter gesagt als getan. Man muss sich da schon einiges einfallen lassen, wenn man alles aus dem Medium herausholen will.
Ich habe Drehbücher zu zwei Hörspiel-Umsetzungen für Computerspiele geschrieben, einmal "Die Chroniken von Aris: Legend – Hand of God" und den Fünfteiler "Sacred 2 – Der Schattenkrieger". Bei beiden Projekten, die ich mit dem ausgesprochen liebenswerten und fachkundigen Team von audionym umsetzen durfte, konnte ich mich stark auf bereits vorhandenes Material stützen, und beides sind waschechte Fantasy. Das hat sicher immens dabei geholfen, dass ich eine passable Leistung abliefern konnte.

Literatopia: Auf Deiner Homepage erzählst Du sehr offen von Dir und Deinem Leben. Ist es Dir wichtig, Deinen Fans eine schön gestaltete Anlaufstelle mit Informationen über Dich zu bieten? Und nutzen die Fans auch kräftig die Kontaktmöglichkeiten zu Dir?

Thomas Plischke: Meine Bücher gehören zu mir, da beißt die Maus keinen Faden ab. Jeder Leser hat also zumindest bis zu einem gewissen Grad das Recht zu wissen, wer denn da eigentlich ein "Machwerk" nach dem anderen auf den Markt wirft *lacht*
Meine Homepage soll eine Anlaufstelle für all jene sein, die das ähnlich sehen wie ich, und man darf mir gerne E-Mails schreiben oder in meinem Blog selbst Stellung beziehen. Beides wird zwar durchaus rege genutzt, aber sehr viel weniger, als ich es mir als alte Quasselstrippe wünschen würde *schmunzelt* Aber das kommt ja vielleicht noch.

Literatopia: Schaust Du intensiv nach Rezensionen zu Deinen Romanen, z.B. im Internet? Nimmst Du sie Dir sehr zu Herzen oder schaffst Du es, sie mit dem nötigen Abstand zu betrachten? Gab es eine Kritik, die Dich besonders gefreut / geärgert hat?

Thomas Plischke: Kaum ein Autor ist (so glaube ich wenigstens) absolut frei davon, nach den Rezensionen zu schauen, die zu seinen Büchern veröffentlicht werden. Was dort dann aber geschrieben steht, darf sich niemand zu sehr zu Herzen nehmen. Es sind immer nur persönliche Meinungen. Trotzdem ärgert man sich natürlich, wenn ein Buch, in das man viel Schweiß, Blut und Tränen gesteckt hat, von jemandem zerrissen wird, aber die Freude über positive Rezensionen überwiegt eigentlich immer.

Literatopia: Findest Du eigentlich noch genug Zeit zum Lesen? Und liest Du dann vorwiegend Phantastik oder auch ganz andere Genres? Vielleicht mal ein Drama oder eine kitschige Liebesgeschichte?

Thomas Plischke: Finde ich und muss ich finden. Meiner Meinung nach muss ein Autor auch selbst viel lesen und sich immer dahingehend mit anderen Autoren vergleichen, als dass er sich bei einer Stelle, die ihn stört, fragen sollte, wie er sie anders geschrieben hätte (ob er sie tatsächlich besser hinbekommen hätte, steht auf einem ganz anderen Blatt). Aufgrund meines Studiums – Amerikanistik, Anglistik und Medienkultur – sowie meiner Vorgeschichte lese ich vor allem englische Bücher. Pro Woche schaffe ich ein bis zwei Stück. Nebenbei schaue ich aber auch sehr viel Filme und Serien, zum einen als Teil meiner Recherche und zum anderen, um ein Gefühl für die aktuellen Stimmungen, Meinungen zu bekommen, die in der Popkultur vorherrschen. Bei den Genres bin ich relativ offen für alles, wobei sich in erster Linie die Vertreter der Phantastik und des Thrillers auf meinem Bücherstapel finden. Gegen Liebesgeschichten, Drama oder sogar Heftchenromane habe ich rein gar nichts (ich war jahrelang bekennender John-Sinclair-Süchtiger), nur haben andere Bücher meist Vorrang.
Den Großteil der Lesearbeit macht bei uns aber Ole, der in der Woche 3 bis 7 Bücher verschlingt, je nachdem, wie viel Zeit ihm neben seiner eigentlichen Arbeit als Übersetzer noch bleibt. Auch bei der Filmsichtung übernimmt Ole die Vorarbeiten und sortiert für mich aus. Aktuell fräst er sich durch eine absurde Menge an Thrillern aus den letzten dreißig Jahren.

Literatopia: Hast Du literarische Vorbilder? Gibt es einen Autor, den Du bewunderst; dem Du in jungen Jahren vielleicht sogar nachgeeifert hast?

Thomas Plischke: Es gibt eine ganze Menge Autoren, die mich beeindruckt haben oder auch immer noch beeindrucken. Ein richtiges Vorbild ist aber nicht dabei – jeder Autor muss schließlich seinen eigenen Weg finden. Was mich genau an einem bestimmten Autor beeindruckt, ist aber sehr unterschiedlich: Bei Stephen King ist es die Spannbreite und die Vielfalt seines Werks, bei M.R. James dessen meisterlicher Umgang mit der Erzählhaltung, bei Shirley Jackson das wunderbar Unheimliche im Alltäglichen. Da gibt es viel zu viele, als dass ich sie alle aufzählen könnte. Als Erstes nachgeeifert habe ich übrigens Jason Dark mit seinem John Sinclair – da würde ich gerne mal aus Spaß einen Band schreiben *grinst*

Literatopia: Was wird uns in Zukunft von Dir erwarten? Bleibst Du der Phantastik treu oder wirst Du vielleicht auch einmal einen reinen Thriller ohne Phantastik-Elemente schreiben? Was erwartet uns allgemein im nächsten Jahr von Dir?

Thomas Plischke: Also, im nächsten Jahr stehen erst einmal "Die Zombies" an. Daran werden sich dann wohl zwei Bände aus den "Zerrissenen Reichen" anschließen, an denen ich gerade sitze.
Bei den zukünftigen Projekten scheinst du ja meine Gedanken gelesen zu haben: In der Tat denken Ole und ich gerade sehr intensiv über mehrere Projekte nach, die eher Thriller sind und nur kleine oder gar keine phantastischen Elemente aufweisen. In der Pipeline sind ansonsten bei uns gerade auch noch ein waschechter Fantasy-Roman, ein sehr garstiger Horror-Thriller und ein paar Fortsetzungen. Über zu wenig Arbeit können wir beide also nicht klagen.

Literatopia: Vielen Dank für das tolle Interview, Thomas!


Autorenfoto: Copyright by Isa Scharfenberg

Autorenhomepage von Thomas Plischke

Rezension zu "Kalte Krieger"

Gewinnspiel zu "Kalte Krieger" (bis 05.02.2010)


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.