Verlag: Cross Cult; 1., Aufl. (September 2009)
208 Seiten, Hardcover, 26,4 x 17,6, 26€
ISBN-13: 978-3941248311
Genre: Science Fiction
Klappentext
Life. Only Better
2054. In einer nicht allzu fernen Zukunft hat das menschliche Miteinander vor der künstlich simulierten Welt der Computerwirklichkeit kapituliert. Neue Entwicklungen in der virtueller Realität und Robotik haben zu einer Revolution in der Verbraucher-Technologie geführt: Die Surrogaten, menschenähnliche Roboter, durch die ihre Besitzer mit der Außenwelt interagieren können, ohne jemals die Sicherheit der eigenen vier Wände verlassen zu müssen.
Es ist eine perfekte, alterslose Welt, in der Ressentiments, Tötungsdelikte und Gewaltverbrechen in einer synthetischen Stellvertreter-Gesellschaft aufgelöst worden sind. Eine perfekte Welt, in der das Leben erfahren und nicht gelebt wird, in der jeder sein kann, was er möchte, aber niemand er selbst ist.
Den Polizeibeamten Harvey Greer und Pete Ford obliegt die Aufgabe, über diese schöne, neue Welt zu wachen. Denn ein Technoterrorist, der den Menschen die digitalen Scheuklappen von den Augen nehmen möchte, macht sich daran, die Surrogat-Technologie zu zerstören.
Newcomer Robert Venditti hat zusammen mit dem amerikanischen Zeichenkünstler Brett Weldele eine außergewöhnliche Science Fiction-Graphic Novel über Technologiehörigkeit, Schönheitswahn und das Verschwinden der sozialen Identität im Zeitalter des zweiten, digitalen Lebens in der Tradition der fortschrittskritischen Futurologen Philip K. Dick und William Gibson geschaffen.
Rezension
Mit „The Surrogates“ ist das Debüt von Robert Venditti, der von Brett Weldele als Zeichner unterstützt wurde, jetzt endlich in Deutschland von Cross Cult veröffentlicht worden. Eins, das ungemein und unerwartet erfolgreich ist. So sehr, dass Hollywood zu griff und die Graphic Novel in einem Film mit Bruce Willis, der demnächst in die Kinos kommt, umgesetzt hat.
Doch was macht „The Surrogates“ des Newcomers Robert Venditti aus?
Oberflächlich gesehen, handelt es sich bei der Graphic Novel um eine einfache Kriminalgeschichte, die noch nicht einmal besonders verzwickt ist.
Aber auf dieser Ebene bleibt die Graphic Novel zum Glück nicht. Viel mehr stellt sie eine fundierte Gesellschaftskritik dar. Denn zusammen entwerfen Robert Venditti und Brett Weldele eine düstere Zukunftsvision, auch wenn sie sicherlich manch einem zunächst mehr als nur erstrebenswert erscheinen mag.
Und genau daraus bezieht „The Surrogates“ seine Ausgangslage.
Wer fände es aus einen Impuls heraus nicht schön, sein Äußeres so zu bestimmen, wie man es gerne hätte? Wie wäre es nie wieder vor die Tür gehen zu müssen, wenn man nicht möchte? Man kann jederzeit sein, wer man will! Doch nur ein bisschen weiter gedacht, treten die ersten Risse in dieser anziehenden Phantasie auf. Mit wem hätten man dann wirklich Kontakt, eine Beziehung? Gibt es den Menschen gegenüber in der Realität oder ist er nur eine Erfindung?
Auf diese Gedanken stützt sich die Erzählung von Robert Venditti und Brett Weldele.
Getragen von Charakteren, die glaubwürdig und wohl durchdacht sind. Allen voran ist da Harvey Greer zu nennen, ein älterer Polizist, der nach Jahren zum ersten Mal wieder gezwungen ist, ohne Surrogate zu arbeiten und sich damit selbst der Gefahr auszusetzen. Doch anders als man erwarten könnte, erstarrt er nicht vor Furcht, verkriecht er sich eben nicht wieder so schnell wie möglich zu hause hinter einem künstlichen Gesicht. Vielmehr scheint er aufzublühen, während er an dem Fall arbeitet und vielleicht sogar sein Leben riskiert.
Seine schlussendliche Entscheidung ist dabei eine konsequente Weiterentwicklung seiner Figur.
Ebenso fügen sich die anderen Charaktere ein und machen aus einem Comic um einen einfaches Verbrechen eine bemerkenswert tiefgründige, kritische Geschichte.
Ihr Thema vertiefend schufen Robert Venditti, Brett Weldele und ihr Team eine fiktive Surrogatenanzeigenkampagne, die auf den Heftrücken der US-Ausgabe erschien und bei Cross Cult im Anhang zu finden ist, und eine Vielzahl an Begleittexten, wie Zeitungs- und Forschungsberichte, mit denen sie ihrer Zukunftsvision immer glaubwürdiger gestalten
Science Fiction ist immer dann am stärksten, wenn sie derzeitige Gegebenheiten in die Zukunft mitnimmt und konsequent zuende denkt. Genau das tun Brett Robert Venditti und Brett Weldele.
Im Prinzip ist die Idee hinter den Surrogaten nichts anderes, als eine Weiterführung von „Second Life“ und anderen virtuellen Welten und somit halten sie uns gekonnt den Spiegel vor.
Weldeles Zeichnungen sind dabei leider nicht besonders kunstvoll. In Nahaufnahmen der Charaktere schon eher grob, aber noch detailliert, wirken die handelnden Personen aus größerer Entfernung mehr wie Strichmännchen. Und doch geht eine eigenartige Faszination von den Bildern aus, die er mit realen, verfremdeten Hintergründen versehen hat. Gerade durch ihre Einfachheit ziehen sie den Leser in die Geschichte hinein. Kein unwichtiges Detail lenkt ihn von dem Erzählten ab. Das Artwork wirkt nicht nur unterstützend, sondern erzeugt mit dem Text zusammen einen Lesefluss, der einen im Nu durch die Geschichte trägt. Dazu passt auch die triste Farbgebung, die den Leser in die richtige Stimmung versetzt für diese Dystopie.
Beim Zusatzmaterial scheint Cross Cult ein weiteres Mal kaum zu bremsen.
Bei „The Surrogates“ findet man neben der fiktiven Werbekampagne des Konzerns „Virtual Self“, eine gestrichene Szene, eine Bildergalerie mit Zeichnungen von anderen Künstlern, ein Interview mit den Autoren und ein wirkliche Besonderheit.
Robert Venditti und Brett Weldele lassen den Leser einen Blick hinter die Kulissen werfen. Auf knapp 14 Seiten zeigen sie wie aus einem Konzept eine Comicseite entsteht. Vom Skript, über die ersten Bleistiftzeichnungen bis zur kolorierten Seite. Für jeden, der sich etwas mehr für Comics und Graphic Novels interessiert, ein sehr interessanter Einblick.
Neben der normalen Ausgabe von „The Surrogates“ ist eine auf 333 Exemplare limitierte Variantcover-Edition erschienen, diese ist allerdings inhaltsgleich. Ob man dafür neun Euro mehr ausgeben möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Fazit
Ein dunkler, verstörender Alptraum in einer scheinbar erstrebenswerten, schönen Zukunftsvision.
Robert Venditti und Brett Weldele holen das Optimum aus ihrem Universum heraus. Da kann man nur eine Empfehlung aussprechen und auf die Verfilmung und vor allem auf weitere Geschichten aus der Feder dieses Teams zu den Surrogates warten.
Pro & Contra
+ Charaktere mit echten Ecken und Kanten
+ glaubwürdiger und dadurch erschreckender Hintergrund
+ interessante Grundidee
+ das Artwork trägt die Geschichte voran
0 Brett Weldeles Zeichnungen sind Geschmackssache, aber nicht unbedingt für Ästheten
Bewertung:
Zeichnungen: 3/5
Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Literatopia-Links zu weiteren besonderen Graphic Novels von Cross Cult:
Rezension zu Mouse Guard - 1152 (David Petersen)
Rezension zu Freaks of the Heartland (Steve Niles/ Greg Ruth)
Rezension zu M - Eine Stadt sucht einen Mörder (John J. Muth)