Gretchen (Chelsea Cain)

Verlag: Limes, Oktober 2009
Originaltitel: Evil at heart,
Übersetzt von Fred Kinzel
HC, 352 Seiten, € 19,95
ISBN: 978- 3809025351

Genre: Thriller


Klappentext

Schon zweimal hat Detective Archie Sheridan den teuflischen Tanz um Leben und Tod mit der schönen, eiskalten Serienmörderin Gretchen Lowell überlebt. Es hat ihn alles gekostet, sie hinter Gitter zu bringen. Benahe sogar sein Leben, jetzt glaubt jeder, dass sie nach ihrer Flucht weiter morden wird. Doch die schöne Serienmörderin ist spurlos verschwunden, und Archie wieder bei seiner Familie. Bis eine neue Mordserie die Ermittler erschüttert. Unverkennbar trägt sie die Handschrift der grausamen Täterin. Eine Botschaft an Archie? Gegen den Willen der zuständigen Polizei drängt er sich in die Ermittlungen – und gelangt zu der Gewissheit, dass die neuen Morde von einem Trittbrettfahrer begangen wurden. Kopiert ein perverser Fan etwa Gretchens Vorgehensweise? Um dies beweisen zu können, braucht Archie die Hilfe seiner eiskalten Peinigerin. Und ahnt nicht, wie tödlich nah ihm Gretchen bereits wieder gekommen ist. Schon holt sie zum letzten vernichtenden Schlag aus…


Die Autorin

Chelsea Cain, geboren 1972, verbrachte ihre Kindheit auf einer Farm in Iowa. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalismus und arbeitet als freie Autorin. Nach einigen preisgekrönten Jugendbüchern ist ihr mit Furie ein Debüt im Thriller Genre gelungen, das weltweit zum Bestseller wurde. Ein Erfolg, den sie mit Grazie, dem nächsten Roman um Gretchen, die eiskalte schöne Serienkillerin, noch steigerte. Chelsea Cain lebt mit ihrer Familie in Portland, Oregon.


Rezension

Wehe wenn sie losgelassen – dann geht das Morden weiter. Nach ihrer geglückten Flucht in Grazie ist Gretchen Lowell, die eiskalte Serienmörderin, nun auf der Flucht. Erwarten würde man, dass sie nun ganz weit weg sich irgendwo versteckt, aber Gretchen wäre nicht Gretchen, wenn sie Archie Sheridan zurücklassen würde. Als neue Morde entdeckt werden, die eindeutig ihre Handschrift tragen, ist die Polizei sich sicher, dass sie sich noch in der Stadt aufhält. Aber war es wirklich Gretchen, die die Morde verübt hat? Sie hatte Archie versprochen, nicht mehr zu morden und Archie glaubt ihr eigentlich. Aber wer ist es dann? Geübte Trittbrettfahrer? Oder etwa einer ihrer Fans?

Von denen gibt es nämlich sehr viele, ein wahrer Gretchen Lowell Kult ist entstanden. Was macht eine Serienmörderin so faszinierend, ihre Schönheit oder ihr eiskalter Intellekt? Welch perfider Genuß muss es sein, einem Fanclub anzugehören und ihre Freiheit zu verlangen? Geführte Bustouren zu den Mordschauplätzen sind fast immer ausgebucht und als dann wieder und wieder Leichen auftauchen, hat die Polizei viel mehr damit zu tun, die Schaulustigen zurückzuhalten, damit sie keinen Tatort verseuchen. Was denken sich die Leute, die mit Lauf Gretchen T-Shirts herumlaufen und wahrhaftig an ihrer Schuld zweifeln. Es ist ein surrealistisches Geschäft mit dem Blutrausch entstanden, an dem die einmalige Psyche der Serienkillerin ihren größten Anteil hat. Kann es diese Faszination in diesem Ausmaß wirklich geben? Aber reale Anhänger von wirklichen Massenmördern haben uns ja eines Besseren gelehrt, nichts ist den Menschen heilig.

Die zentrale Figur ist natürlich wieder Archie Sheridan, der in einer psychiatrischen Klinik verweilt und versucht, sein Stockholm Syndrom zu überwinden. Gretchen übt eine fast unüberwindbare Faszination auf ihn aus, vom ersten Tag an, als sie als Psychiaterin der Task Force zur Verfügung stand, war er von ihr wie besessen. In einigen Rückblicken erfährt man Näheres über ihre Beziehung, als Archie noch nicht wusste, wer Gretchen wirklich ist. Es geht um die Zeit, bevor sie ihn verschleppt und grausam quält. Diese Einblicke bekommt man in Furie, dem ersten Band der Serie. In Grazie ist Gretchen im Gefängnis und bietet ihr ganzes psychisches Können auf, um Archie weiter zu foltern – diesmal mit ihrem Verhalten. Zum Schluß gelingt ihr wieder die Flucht, dann beginnt der jetzige Band, Gretchen.

Warum muß Archie nur soviel leiden? Sein Körper ist bereits mit Narben übersät, und trotzdem rennt er wieder wie ein personifizierter Prügelknabe in die Falle und wird wieder auf grausame weise gequält. Kann ein Mensch wirklich soviel ertragen? Etwas unrealistisch mutet es schon an, wie er sich am Schluß mit seinen neuen Wunden verhält und agieren kann. Und genau dieser Schluß macht den Roman unglaubwürdig und bizarr, es ist einfach zu überzogen. Gibt es wirklich Leute, die Spaß daran haben, an ihren Hoden zu schaukeln? Chelsea Cain hatte ja schon immer ein Händchen fürs Blutrünstige und Bizarre, grausame und perfide Foltermethoden hat sie ausführlich und realistisch beschrieben. Aber hier büßt sie viel von ihrer Glaubwürdigkeit ein, das Ende ist geschmacklos und die Charaktere handeln unüberlegt und nicht nachvollziehbar. Wie kommt Gretchen eigentlich an all die Informationen? Sie ist allgegenwärtig, tritt über ein Handy mit Archie in Kontakt und ist schneller am Tatort als die Polizei. Woher hat sie das Geld? Wieso kann sie sich so frei bewegen, da doch ihr Photo auf sämtlichen Plakatwänden, an Bussen, als Zeitungscover und auf T-Shirts zu finden ist? Archie hingegen handelt wie ein ferngesteuerter Roboter, seine Handlungen sind berechenbar und genau so, wie Gretchen es will. Auch Susan sollte aus den vorherigen Ereignissen gelernt haben, aber nach all ihren Erfahrungen mit Gretchen geht sie ungeschützt in ein verlassenes Haus und wundert sich über die Dinge, die passieren. Pfefferspray ist nun mal keine wirksame Waffe, auch wenn sämtliche Frauen in Thrillern das nie glauben wollen. Wenigsten beharrt sie diesmal nicht ständig auf ihren Quellenschutz und das Recht der Bevölkerung auf Information.

Chelsea Cain hat sich keinen Gefallen mit der Entwicklung dieses Buches getan. Das Ende weist auf einen weiteren Band hin, so zieht sich die Reihe endlos in die Länge. Zwar gewohnt gut geschrieben, mit einem fesselnden Stil, ziemlich blutrünstig und mit neuen, interessanten Foltermethoden aber mit einer abstrusen Story und einer Verherrlichung der Mörderin. Archie bleibt ihre Marionette und muss unnötige weiter Qualen erleiden – was zuviel ist, ist einfach zuviel. Sie hätte es besser hier zu einem endgültigen Ende gebracht und nicht zu einem Ende, an dem man sich fragt, was und wie das eigentlich alles hatte passieren können. Es bleiben ein paar offene Fragen zurück, Gretchen lässt alle über den eigentlichen Ablauf zweifeln, wer weiß, ob die Wahrheit jemals ans Licht kommen wird.


Fazit

Spannend, packend, blutrünstig und abstrus, aber auch unglaubwürdig und unrealistisch - so wirkt das dritte Buch um die betörende Serienmörderin Gretchen Lowell. Willenlose Charaktere und überzogene Ereignisse stören den Handlungsablauf und das Ende verpufft und lässt den Leser mit einem zwiegespaltenen Gefühl zurück. Einerseits die Freude über einen weiteren Band, andererseits die Zweifel, ob das wirklich nötig ist. Wirklich interessant und teilweise witzig waren hingegen die ständigen Einwürfe von Susan, die in jeder Situation eine Statistik über mögliche und unmögliche Todesursachen hatte. Jetzt weiß man wenigstens, wie viele Menschen durch herunterfallende Kokosnüsse gestorben sind.


Pro und Contra

+ gewohnt spannend und einfach geschrieben
+ neue Handlungsverläufe

o blutrünstig

- perfider Kult um eine Serienmörderin
- ferngesteuerte Charaktere
- nicht nachvollziehbare Handlungen
- Serie unnötig in die Länge gezogen

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5