Verlag: Splitter; Auflage: 1., Aufl. (April 2008)
72 Seiten, Hardcover 32 x 23 x 1 cm, € 15,80
ISBN-13: 978-3940864185
Genre: Sagen/Fantasy
Klappentext
„Die unsterblichen Götter herrschen über das Universum.
Alle Lebewesen fürchten ihre Macht.
Alle Lebewesen, außer einem.
Ein Kind ...“
Geboren aus den Wikingersagen
und der Musik von Richard Wagner
Siegfried
Rezension
Eine alte Sage in frischem Gewand. Der französische Zeichner Alex Alice widmet sich in „Siegfried“ einem der wohl bekanntesten Helden aus der germanischen Sagenwelt. Dabei stützt er sich weniger auf das mittelalterliche Nibelungenlied, sondern mehr auf die älteren nordischen Legenden und vor allem Richard Wagners „Ring der Nibelungen“. So erklärt sich auch leicht der Anfang dieses wunderbaren Comics. „Ouvertüre“ steht am Beginn der Einleitung und des Schicksals Siegfrieds. Die ersten neun Seiten, auf denen der Tod der Eltern und die Rolle Odins dabei beschrieben wird, kommen ohne Worte aus und sind dennoch sehr beeindruckend. Denn schon hier spielt Alex Alice mit Farben und Formen, verwendet ganze Seiten darauf die winterliche Landschaft ins rechte Licht zu rücken. Die Handlung wird rein über die Bilder erzählt, deren Stimmung und Farben passend düster gewählt sind. Odin erscheint zunächst mehr beängstigend, denn als guter Gott. Dieser ganze Beginn wirkt wie die Illustration einer Oper, womit ein Brückenschlag zu Wagner getan wäre. Einer von vielen. Auch wenn Alice vieles abändert, scheint der Komponist doch seine Hauptquelle zu sein. Eingebettet wird die nun beginnende Erzählung um Siegfried in eine Rahmenhandlung. Eine von Odins Töchtern, eine Walküre, will mehr über Siegfrieds Zukunft erfahren. Ob er es sein wird, der den Drachen Fafnir erschlagen und das Nibelungengold von ihm zurückfordern kann, um die Götter zu schützen. Dazu sucht sie sich Hilfe, doch ihr wird nur die Vergangenheit offenbart, nicht die Zukunft.Und so sieht sie den Beginn des Konflikts zwischen den Göttern und den Nibelungen. Erfährt wer Fafnir einst war und wie Mime der Schmied mit ihm in Verbindung steht. Und Mime ist es schließlich, der Siegfried erzieht. Dabei kommen einem unweigerlich Parallelen zu Disneys Dschungelbuch in den Sinn, denn genau wie dort, wird Siegfried als ein Junge gezeigt, der mit den Tieren aufwächst, in diesem Fall mit Wölfen, und eine enge Verbindung mit ihnen hat. Auf den ersten Blick ungewohnt, erklärt sich diese Tatsache aber später aus seinem Ziehvater heraus. Dieser ist kein Mensch, sondern Mime gehört den Nibelungen an. Einem Volk, das unter der Erde lebt und versteinert, wenn es dem Sonnenlicht ausgesetzt wird.
Und so verbringt Siegfried seine Zeit mit den Wölfen und lernt schon früh, sie richtig einzuschätzen und damit auch Freundschaft, Neid, Missgunst und Grausamkeit. So ungewöhnlich diese Beziehung ist, ist sie doch wichtig für Siegfrieds Charakter innerhalb des Comics und zeigt schon früh seinen Mut und seinen Willen, aber auch seine Gutmütigkeit, die er als Held besitzen muss. Skurriler wirkt da schon eher Mime. Der aussieht, als ob er von Jim Henson, dem Erfinder der Muppets, höchstpersönlich entworfen worden wäre. Aber auch dieser eigentümliche Entwurf der Gestalt passt sich später perfekt in die Geschichte ein. Alice benutzt ihn immer wieder, um die Stimmung etwas aufzulockern, sei es über seine charakterlichen Eigenschaften oder seine Gesichtsausdrücke. Denn gerade die, sind bei Mime äußerst vielfältig. Von hinterhältig böse, über freundlich, bis hin zu fassungslos und erstaunt. Jede einzelne Emotion ist bei ihm aus der Zeichnung ablesbar. Mime ist auch der bei weitem interessantere der beiden Charaktere. Denn er ist es, der die Geschichte weiter vorantreibt. Er ist der Grund warum Fafnir eine solche Macht besitzt, wie ihm von Odin schmerzlich bewusst gemacht wird und er ist es auch, der Siegfried gegen den Drachen benutzen will, um an den Nibelungenhort zu kommen. Sein Plan Siegfried anschließend zu ermorden, ist von Anfang an fester Bestandteil seines Vorgehens.
Vor allem zwei Stellen sind in „Siegfried“ hervorzuheben. Einmal als Odin als Wanderer bei Mime erscheint und mit ihm einen Wissenswettstreit abhält, den er natürlich zu Mimes Leidwesen gewinnt und das Schmieden des Schwertes durch Siegfried - und der anschließende endgültige Bruch von Ziehvater und Ziehsohn. Ist die erste eher kammerspielartig und düster, entfaltet Alice in der zweiten eine Wucht in seinen Bildern, dass man die Musik Wagners praktisch dazu hören kann.
Generell scheint Alex Alice sein Hauptaugenmerk auf die Zeichnungen gelegt zu haben. Und das ist gut so. Seine Illustrationen sind einfach fantastisch anzusehen. Gerade wenn es um Odin, Fafnir und den Verrat an den Nibelungen geht. Sie sind es, die den Leser tiefer eintauchen lassen und mit sich reißen. Der Text wird nur nebenher wahrgenommen und dient mehr der Erklärung des Hintergrundes. Allein die wundervollen Zeichnungen der verschneiten Landschaft laden zum Verharren ein. Aber Alex Alice beschränkt sich nicht darauf. Er verleiht „Siegfried“ etwas von einem modernen Fantasymärchen und scheut auch nicht davor zurück, Reminiszenzen an die Superheldencomics einzubauen, z.B. wenn er Siegfried besonders heroisch aussehen lässt. An einer Stelle geht dies soweit, dass er gar wir ein frühzeitlicher Batman erscheint. Aus all diesen Zutaten nimmt sich Alice das Beste und macht daraus eine erinnerungswürdige und faszinierende Comicumsetzung einer alten Sage, die er damit behutsam in die Neuzeit führt.
Die Ausgabe von Splitter unterstützt dabei nur den positiven Gesamteindruck des rund 70 Seiten starken Werkes. Allein die Seitenzahl ist schon ungewöhnlich und zeugt von dem Vertrauen, das Alice seitens der Verlage entgegengebracht wurde. Die Druckqualität mit den kräftigen Farben und das Überformat sind weitere Pluspunkte, die einen sehr guten Comic abrunden. Hier wurde einfach alles richtig gemacht.
Zusätzlich zur normalen Ausgabe gibt es noch eine Special Edition mit ca. 80 Seiten Bonusmaterial und einer DVD, auf der der Trailer zum kommenden Animationsfilm zu finden ist. Diese Ausgabe kostet mit € 39,80 allerdings auch erheblich mehr, dürfte für Fans von Alex Alices Werken aber interessant sein.
Fazit
Alex Alice schafft das Kunststück, der Nibelungensage eine weitere Facette abzuringen, wofür er die Vorlage comicgerecht komprimiert, ohne zuviel wegzulassen. Die Handlung an sich, wirkt noch mehr wie eine Einleitung für die kommenden zwei Bänden, für die er hier die Bühne bereitet. Doch die Zeichnungen lassen „Siegfried“ mehr sein.
Diese sind eine Augenweide und die Geschichte um die Walküre verspricht noch interessanter zu werden, als es der erste vorliegende Band war. Unbedingte Kaufempfehlung!
Pro & Contra
+ fantastische Zeichnungen der Landschaften
+ gelungene Umsetzung des Sagenstoffes
+ Auftreten Odins
+ Mime
o Mimes Aussehen dürfte nicht jedem passend erscheinen
Bewertung:
Handlung:4/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5
Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Alex Alice:
Rezension zu Siegfried – Die Walküre
Rezension zu Siegfried – Götterdämmerung
Rezension zu Das Schloss in den Sternen Bd.1
Rezension zu Das Schloss in den Sternen Bd.2
Rezension zu Das Schloss in den Sternen Bd.3
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Rezension zu Das Dritte Testament Bd.1 - Markus
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Rezension zu Die Odyssee (Pérez Navarro, Martín Saurí)
Rezension zu Die Ilias
Rezension zu Jason und das goldene Vlies
Rezension zu Herakles
Rezension zu Theseus und der Minotaurus
Rezension zu Die Odyssee (Clotilde Bruneau, Giovanni Lorusso, Giuseppe Baiguera)
Literatopia-Links zu weiteren Titeln über die nordische Mythologie:
Rezension zu Odin Bd.1
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Rezension zu Walhalla – Die gesammelte Saga Bd.2