Wildnis (Roddy Doyle)

Verlag cbj, Januar 2010
HC, 208 Seiten, € 12,95
ISBN 978- 3570135532

Genre: Belletristik / Jugendbuch


Klappentext

Ein großes Abenteuer – das bedeutet für die Brüder Tom und Johnny die Reise nach Finnland, die sie mitten im Winter mit ihrer Mutter unternehmen. Um dem häuslichen Ärger mit der älteren Stieftochter zu entgehen, hat die Mutter für sich und ihre Söhne kurzerhand eine Husky-Tour durch die finnische Wildnis gebucht. Und tatsächlich haben die Jungen in der weißen Weite und mit den Schlittenhunden einen enormen Spaß. Da passiert das Undenkbare: Ihre Mutter geht im Schnee verloren und viel zu schnell geben die Schlittenführer die Suche auf. Nicht aber Tom und Johnny. Heimlich spannen sie die Huskys vor die Schlitten und begeben sich mit Hilfe der Hunde auf eigene Faust auf die Suche…


Der Autor

Roddy Doyle, 1958 in Dublin geboren, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Für seinen Roman „Paddy Clarke Ha Ha Ha“ erhielt er den renommierten Booker Prize. Auch als Autor für Kinder hat er sich einen großen Namen gemacht. Roddy Doyle lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.


Rezension

Wolldecken und ein heißer Kakao sind unverzichtbare Utensilien für den gelungenen Lesegenuß dieses Jugendbuches. Roddy Doyle schafft es, die Kälte der finnischen Wildnis ins eigene Wohnzimmer zu bringen, sie beißt im Gesicht und man kann den Fahrtwind spüren, der den Schlittenfahrern um die Nase weht. Tom und Johnny fliegen mit ihrer Mutter nach Finnland und erleben das größte Abenteuer ihres bisherigen Lebens. Die Kälte, die Atmosphäre und vor allem die Huskys beeindrucken die beiden Jungen sehr, und sie vergessen sogar, sich zu streiten – zumindest meistens. Gleichzeitig versucht zuhause ihre Stiefschwester Grainne den Kontakt zu ihrer Mutter wieder zu finden, die sie als Baby bei ihrem Vater gelassen hat. Schnell schließen die beiden Jungen Freundschaft mit den Hunden und dem Hundeführer, sie dürfen bei ihm im Schlitten mitfahren, da sie noch nicht kräftig genug sind, um auf der Bremse stehen zu können. Alle anderen mitfahrenden Erwachsenen bekommen ihren eigenen Schlitten, so auch ihre Mutter. Erst bei einem abschließenden Halt in einer Berghütte stellen sie fest, dass ihre Mutter sich nicht unter den restlichen Erwachsenen befindet. Als die Führer die Suche wegen der Dunkelheit einstellen wollen, schirren sie heimlich Hunde vor einen Schlitten und suchen auf eigene Faust.

Grainne, die 18jährige Schwester, hat es im Moment nicht leicht mit ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie ist aufmüpfig, redet kaum, kleidet sich provozierend und hört laute Musik – ein ungenießbarer Teenager. Ihre Mutter hat sie und ihren Vater verlassen, als sie zwei Jahre alt war und ist nach Amerika gegangen. Jetzt hat sie sich wieder angekündigt und Grainne weiß einfach nicht, wie sie damit umgehen soll. Will sie überhaupt mit ihr reden? Kann ihre Mutter überhaupt irgendetwas sagen oder tun, um ihr Handeln rechtfertigen zu können? Gibt es überhaupt eine Rechtfertigung? Doyle schleust die Geschichte ganz behutsam in die andere Geschichte mit ein, anfangs sind es nur ein paar Zeilen, dann eine halbe Seite, dann eine ganze und dann wird es immer ausführlicher. So hat man am Ende zwei Geschichten gelesen, die der Jungen in Finnland und die eines verunsicherten Mädchens, das ihre Gefühle einordnen und sich ihrer Mutter wieder annähern möchte, aber immer noch grenzenlos wütend ist.

Als Erwachsener merkt man natürlich sofort, dass Wildnis für Jugendliche geschrieben wurde. Kurze knappe Sätze, einfache Worte und Satzbau und eine nicht zu sehr ins Detail gehende Handlung. Aber das schmälert den Lesespaß in keinster Weise, trotz der knappen Handlung bekommt man ein Gefühl für alle Personen und die eindrucksvolle Landschaft Finnlands. Kinder und Jugendliche werden sich bestimmt auf das Abenteuer stürzen und das Handeln der beiden Jungen mutig finden. Ältere Jahrgänge sehen eher die Schwäche der Handlung, der bodenlose Leichtsinn der beiden, fiebern jedoch ebenso mit den Jungen mit, die zwar durch eine Hölle gehen, aber trotzdem mit Erfolg belohnt werden. Es gibt auch noch so manch andere Schwächen, aber mit einem Augenzwinkern kann man auch darüber hinwegsehen. - Jugendliche machen sich bestimmt keine Gedanken über Toilettengänge oder die Unzulänglichkeiten in der Zusammensetzung der Schlittenhunde. Sie werden die Fahrt genießen, ebenso wie Erwachsene und das Buch erst aus der Hand legen, wenn die letzte Seite umgeblättert wurde. Anschließend wird jeder Leser auf das wunderschöne Cover mit den eindringlichen Hundeaugen starren und sich so einen wundervollen Gefährten für das eigene Zuhause wünschen.


Fazit

Roddy Doyle hat ein wunderschönes Abenteuerbuch mit einem außergewöhnlichen Setting geschrieben. Die Schlittenfahrt ist einmalig geschildert, die Kälte dringt durch das Buch und jeder wird sich insgeheim wünschen, die Stelle der Kinder einzunehmen. Der Autor hätte sich allerdings für eine Geschichte entscheiden sollen. Grainnes Probleme sind nachvollziehbar und regen zum Nachdenken über aufmüpfige Teenager an, denn sie können nicht jedes Problem alleine lösen. Doyle verurteilt nicht, er zeigt sensibel Lösungsmöglichkeiten aus einer verfahrenen Situation. Trotzdem interessiert die Schlittenfahrt eher Jungen, Grainne und ihre Mutter ist etwas für Mädchen. Wenn man sich aber darüber im Klaren ist, sollte man sich dieses leider etwas zu kurze Abenteuer auf keinen Fall entgehen lassen.


Pro und Contra

+ außergewöhnliches Setting
+ packendes Abenteuer
+ bildreiche Sprache
+ Stil kindgerecht
+ interessante Probleme und deren Lösung
+ auch Erwachsene werden die Geschichte spannend und interessant finden

o sich auf eine Geschichte zu beschränken, die aber ausführlicher zu erzählen

- bodenloser Leichtsinn der Jungen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5