Saphirblau (Kerstin Gier)

Verlag: Arena, Januar 2010
HC, 400 Seiten, € 15,95
ISBN: 978- 3401063478

Genre: Fantasy, Jugendbuch


Klappentext

Frisch verliebt in die Vergangenheit, das ist keine gute Idee. Das zumindest findet Gwendolyn, 16 Jahre alt, frisch gebackene Zeitreisende. Schließlich haben sie und Gideon ganz andere Probleme. Zum Beispiel die Welt zu retten. Oder Menuett tanzen zu lernen. (Beides nicht wirklich einfach!) Als Gideon dann auch noch anfängt, sich völlig rätselhaft zu benehmen, wird Gwendolyn klar, dass sie schleunigst ihre Hormone in den Griff bekommen muss. Denn sonst wird das nichts mit der Liebe zwischen allen Zeiten!


Rezension

Frau Gier mag es kompliziert, denn schon am Anfang ist es recht schwierig zu verstehen, wer wann wohin elapsiert, also in die Vergangenheit gesprungen ist. Dann müssen die Personen auch noch aufpassen, dass sie sich nicht selbst begegnen. Oder Briefe an bestimmte Personen schreiben, die sie dann in ihrer Zukunft treffen möchten – wenn sie dann wieder in die Vergangenheit gesprungen sind. Verwirrt? Zeitreisen ist eben nicht einfach – und als Autorin muss man sich schon ganz schön viel merken, damit die Geschichte noch glaubwürdig bleibt. Gideon fasst es auf Seite 49 in einem Gespräch mit Gwen sehr schön zusammen:

„Ich habe es dir doch schon mal versucht zu erklären. Jetzt bist du möglicherweise vollkommen unwissend und… unschuldig, aber niemand weiß, was du in der Zukunft tun wirst. Vergiss nicht, auch dann kannst du in die Vergangenheit reisen und so könntest du Lucy und Paul von unserem Besuch berichten… äh, du würdest berichten können.“

So passiert es immer wieder, Menschen treffen sich in der Vergangenheit, durch Briefe oder andere Mitteilungen, die andere aus der Zukunft zurückgelassen haben. Oder vielleicht waren es die Zeitreisenden auch selber, die sich Warnungen hinterlassen haben, oder, oder, oder. Man merkt, es gibt eine Menge Spielraum für Spekulationen, jeder trägt sein Scherflein dazu bei. Gwen ist völlig verwirrt und weiß bald schon nicht mehr, wem oder was sie glauben soll. Es verletzt sie auch sehr, dass die anderen Mitglieder des inneren Kreises ihr immer noch misstrauen und sie nicht akzeptieren. Sie ist der Rubin – zumindest an dieser Tatsache lässt sich nichts mehr ändern, auch wenn es den anderen einfach nicht passen will. Der Graf von St. Germain versteht es allerdings vortrefflich, ihr Zweifel einzusäen und Situationen aus völlig anderen Blickwinkeln darzustellen. Bis zum Schluss dieses Buches ist sie sich nicht sicher, ob Gideon sie nun mag oder ihr nur etwas vorspielt.

Saphirblau ist ein typisches Mittelbuch, Handlungen werden vorangetrieben, neue Entdeckungen werden gemacht, aber es wird nicht zu viel preisgegeben. Wieder endet es abrupt, mitten aus der Geschichte heraus und man ist wirklich nicht gewillt, jetzt schon wieder aufzuhören. Denn man wird förmlich in dieses Buch hineingesogen, Gwens und Gideons Welt ist so anschaulich geschildert, dass man seine eigenen Umgebung völlig vergisst und mit dem Neuen absolut verschmilzt. Es ist wie eine unendliche Geschichte, bei der man nie aufhören möchte zu lesen. Wenn man dann doch widerwillig wieder in die Gegenwart auftaucht, zwicken die Bauchmuskeln noch von den Lachanfällen. Denn Kerstin Gier hat es geschafft, ihre ganz eigene Art der Situationskomik zu finden, die ein Dauerschmunzeln auf die Lesergesichter zaubert. Eine unvergessliche Soiree, die Schwierigkeit des Menuetttanzens und ein herrlich ironischer Wasserspeier ziehen sich wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte und sorgen für ihren Glanz.

Xemerius ist die absolute neue Attraktion, der kleine katzenähnliche Wasserspeier, der auch fliegen kann, stiehlt allen die Schau. Anhänglich und intelligent schleicht er sich in die Herzen, mit seiner Fähigkeit, durch Wände zu gehen, ist er der geeignete Spion für Gwen, da ihn außer ihr auch keiner sehen kann. So kann er sich in Meetings einschleichen oder einfach ein Treffen von Gideon und Charlotte überwachen und Gwen anschließend berichten. Mit seiner erfrischenden offenen Art trifft er genau ins Herz und sorgt für so manches Grinsen. Auch Leslie, Gwens Freundin, ist wieder unermüdlich bei ihren Recherchen und mit Raphael, Gideons Bruder, kommt noch eine neue interessante Figur ins Schachspiel. Ob wohl Raphael und Leslie noch ein Paar werden?

Diesmal springen die beiden ein bisschen mehr in die Vergangenheit, Gideon begleitet Gwen oft, wenn sie nur ihren Rhythmus einhalten soll und in einen leeren Kellerraum einige Zeit verbringen soll. Aber Gwen ist gewitzt, sie tritt mit ihrem Großvater in Kontakt und lernt dort ein jüngeres Ich von ihm kennen. Charlotte begleitet sie ständig in London, immerhin soll Gwen ja nun in kurzer Zeit lernen, wofür Charlotte jahrelang Zeit hatte. Mit Gideon soll sie eine Soiree und einen Ball besuchen, alleine schon die Beschreibung der Kleider lassen Glanz und Prunk aufleben. Aber Charlotte schafft es immer wieder, mit kleinen wohlfeilen Bemerkungen Gwen zu verunsichern, aber ihre Freunde Leslie und Xemerius stehen ihr immer mit Rat und Tat zur Seite. Und auch Gideon nimmt so manches Mal Charlotte den Wind aus den Segeln.

Leider endet das Buch mal wieder ziemlich abrupt mitten in der Geschichte. Ärgerlich für alle, die lieber eine abgeschlossene Geschichte hätten. Man weiß allerdings von vorneherein, dass es eine Trilogie ist, die aufeinander aufbaut und die man auch in ihrer Reihenfolge lesen muss. Wer warten kann, dem steht bestimmt ein außergewöhnlicher Lesespaß bevor, wenn man alle drei Teile ohne Pause genießen kann. Andererseits ist Vorfreude ja auch eine schöne Freude und das Warten auf den nächsten Teil lässt ihn dann gleich noch einmal viel wertvoller werden. Spekulationen gehören auch dazu, man kann sich mit Gleichgesinnten austauschen und über mögliche Plots und Enden diskutieren. Wenn eine Geschichte so etwas schafft und so viele Menschen zusammenführt, die sich die merkwürdigsten Windungen ausdenken und mit einer solchen Freude beim Spekulieren dabei sind, dann ist es zurecht eine Geschichte der Extraklasse und man kann der Autorin nicht genug für ihre Ergüsse danken. Ein Buch, das dermaßen Jung und Alt zusammenbringt, sie zum Diskutieren herausfordert und für so viel Gesprächsstoff sorgt – da kann man nur noch sinnbildlich den Hut ziehen. Chapeau, Frau Gier.

Auch dieses Buch ist wieder sehr edel gestaltet. Dickes, angenehmes Papier, zweifarbig bedruckt, diesmal alles in Blau, ein Schutzumschlag aus dicker, pergamentähnlicher Qualität mit schwarzen Jugendstilornamenten und einem Pärchen aus lackähnlichen Material bedruckt machen das Buch zu einer wahren Augenweide. Der Preis ist der Qualität angemessen, diese Bücher sind wahre Schmuckstücke.


Fazit

Irgendwas mit Kutte und Lava – die lateinischen Parolen sind nur eines der kleineren Highlights dieser Geschichte. Wieder erleben wir Gwen und Gideon auf Zeitreisen, Gwen lernt Menuett tanzen und bringt auf einer Soiree im 18. Jahrhundert den Leuten schon einmal Andrew Lloyd Webber nahe. So langsam findet sie sich in dem ganzen Durcheinander zurecht, und ihre Gegenwartskomik ist einfach nur herrlich. Ironische Bemerkungen von ihr und Xemerius sorgen für Heiterkeit und erfrischende Auftritte von handelnden Personen bringen richtig Schwung in die Geschichte. Man möchte diese Welt gar nicht mehr verlassen, und bei all den noch offenen Fragen und Handlungssträngen wird der abschließende Band, Smaragdgrün, bestimmt ganz schön dick. Vorfreude ist eben doch die schönste Freude.


Pro und Contra

+ witzige Situationen
+ fesselnd
+ für alle Altersstufen geeignet
+ facettenreiche Charaktere
+ pointierte und bissige Bemerkungen
+ spannende Einblicke in die Vergangenheit
+ viele Handlungsstränge
+ interessantes Thema
+ viele zauberhafte Gestalten

Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5


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