Bis ans Ende aller Tage (Jodi Picoult)

Verlag: Piper, November 2009
TB, 640 Seiten, € 9,95
ISBN: 978-3492248303

Genre: Belletristik


Klappentext

Die Golds und die Hartes sind Nachbarn in einer wohlhabenden Stadt in New Hampshire und seit vielen Jahren eng befreundet. Ihre Kinder, Chris und Emily, wachsen miteinander auf. Von Kindesbeinen an sind sie unzertrennlich - bis sich diese innige Freundschaft in der High School in eine romantische Liebe verwandelt. Die Eltern sind zufrieden, da sie mit dieser Verbindung gerechnet haben. Doch dann bricht eine völlig unerwartete Tragödie über sie herein, die das Glück von Chris und Emily zerstört ...


Die Autorin

Jodi Picoult, geboren 1967 auf Long Island, veröffentlichte 1992 ihren ersten Roman, der sofort zu einem großen Erfolg wurde. 2003 wurde sie mit dem New England Book Award ausgezeichnet. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern in Hanover, New Hampshire. Mit dem Roman »Beim Leben meiner Schwester«, der wochenlang auf den Bestsellerlisten stand, gelang ihr der Durchbruch in den USA. Sie gehört inzwischen zu den erfolgreichsten amerikanischen Erzählerinnen weltweit und wurde 2007 in England zur Autorin des Jahres gewählt.


Rezension

Friedlich plaudernd sitzen die befreundeten Familien Harte und Gold in einem Restaurant an einem Tisch, als ein unfassbares Unglück passiert. Emily Gold stirbt durch einen Kopfschuss, ihr Freund Chris Harte wird bewusstlos neben ihr gefunden. Ausgehend von einem Verbrechen erfahren alle erst später von Chris, dass die beiden einen Doppelselbstmord geplant hatten. Zuerst sind alle geschockt, aber schnell taucht die Frage nach dem Warum auf. Warum wollten sie sich umbringen? Warum ist Emily gestorben und Chris nicht? Für Melanie, Emilys Mutter, steht schnell fest, dass Chris ihre Tochter ermordet hat. Die Hartes fragen sich dagegen, warum Chris, der sehr viel Freude an seinem Leben hat, sich umbringen wollte. Welches Geheimnis hatte das junge Paar, das so schwerwiegend ist, dass man damit nicht mehr leben möchte?

Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass Emily sich die Kopfverletzung nicht selbst beigebracht haben kann. Außerdem war sie schwanger. Wollte Chris das Kind nicht? Beide wollten studieren und haben in eine hoffnungsvolle Zukunft geschaut. Chris wird somit der Hauptverdächtige und er kommt in Untersuchungshaft. Seine Eltern engagieren Jordan McAfee, der auch in „Neunzehn Minuten“ mitspielt. Melanie Gold allerdings ist fest von Chris’ Schuld überzeugt, denn ihr Kind war bestimmt nicht depressiv und wollte sterben – das kann einfach nicht sein. Verbissen und uneinsichtig eröffnet sie eine wahre Hexenjagd auf Chris – die 18 Jahre lang währende Freundschaft mit seinen Eltern hat keine Gültigkeit mehr. Sie vergräbt sich in ihrer Trauer und ist keinen Argumenten mehr zugänglich, selbst als sie Emilys Tagebuch findet, kann sie die Wahrheit einfach nicht akzeptieren. Unterdessen findet Jordan Anhaltspunkte und Indizien für Emilys Depressionen und Selbstmordabsichten. Mitten im Prozess ändert Chris völlig überraschend seine Geschichte.

In Rückblicken erzählt Picoult immer wieder, wie sich Chris und Emily kennen und lieben gelernt haben. Sie verbringen jede freie Minute miteinander und völlig natürlich verlieben sie sich auch ineinander. Für alle sind sie das perfekte Paar, aber einer von beiden war zutiefst unglücklich. In Emilys Tagebuch finden sich schockierende Wahrheiten, die leider nur von Melanie gelesen werden. Die Trauer hat sie völlig aus der Bahn geworfen und ihre Handlungen sind schockierend und nicht mehr nachzuvollziehen.

Genauso schockierend sind die Erlebnisse, die Chris im Gefängnis machen muss. Jodi Picoult schildert eindringlich einen jungen Mann, der verstört ist und sich der harten Knastwirklichkeit stellen muss. Denn er ist nicht alleine dort, Sadisten wollen ihn quälen und mit jedem Tag wird die Angst größer, zum Opfer zu werden. Gefängnis ist eben nicht nur der Freiheitsentzug, man muss sich auch mit den Insassen auseinandersetzen. Hier wird es sehr berührend und intensiv geschildert, der Leser muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Chris diese Erlebnisse verdient hat und keine bleibenden Schäden davon trägt.

Außerdem muss man sich als Leser mit den ethischen Gesichtspunkten der Hilfe bei Suizid beschäftigen. Picoult beleuchtet das Thema aus mehreren Blickwinkeln, zwingt dem Leser aber keine Entscheidung auf. Hatten die beiden wirklich ausreichende Gründe für den Selbstmord? Hätte man die nicht auch anders lösen können? Bis zum Schluss bleibt es spannend, was wirklich an diesem Tag mit den beiden passiert ist. Durch überraschende Wendungen ändert das Buch ständig seine Richtung, man bleibt ratlos zurück und behält ganz viel zum Nachdenken. Und ganz oft möchte man so einige Personen einfach nur Schütteln und sie zwingen, endlich einmal die Wahrheit zu sagen. So wäre bestimmt einiges verhindert worden. Nicht miteinander Reden wird hier zur wahren Kunst gemacht.


Fazit

Teenagerliebe, Freundschaft, Suizid und Gefängnisaufenthalt bieten eindringliche Einblicke in die Abgründe menschlichen Verhaltens. Das Buch lässt den Leser atemlos zurück, man wird geradezu gezwungen, sich mit den Ereignissen auseinander zu setzen. Welcher Blickwinkel ist der Richtige? Musste das alles so enden? Was ist eine jahrelange Freundschaft noch wert, wenn die Trauer alles überschattet? Ein Buch, das so berührt und die Leser mit so viel Redebedarf zurücklässt, gehört eindeutig in die Kategorie lesenswert. Hier gibt es viele Ansatzpunkte zum Überdenken einiger Situationen und Meinungen, Picoult beleuchtet Themen aus verschiedenen Blickwinkeln, die dem Leser oft neue Erkenntnisse bringen.


Pro und Contra

+ spannend
+ interessantes Motiv
+ neue Erkenntnisse über bekannte Situationen
+ nähere Einblicke, die zum Nachdenken anregen
+ wechselnde Erzählperspektiven

- einige Längen
- Protagonisten handeln irrational

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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