Nein! ich will keinen Seniorenteller! (Virginia Ironside)

Goldmann (Februar 2010)
Taschenbuch, Seiten: 288
ISDN 978-3-442-46868-3
€ (D) 8,95

Genre: Belletristik


Klappentext

Ein wunderbar komisches Lesevergnügen!

Herbst des Lebens? Generation Silber? Unsinn! Marie Sharp wird demnächst sechzig und denkt gar nicht daran, das zu beschönigen. Im Gegenteil: Sie findet, das ist ein Grund zum Feiern. Schon wegen all der Dinge, die sie jetzt nicht mehr tun muss, wie etwa Volkshochschulkurse besuchen. Nichts hasst Marie so sehr wie umtriebige Senioren, die nur so alt sind, wie sie sich fühlen. Sie hingegen stürzt sich kopfüber in das Vergnügen, nicht mehr jung sein zu müssen. Dazu gehören ihre neue Rolle als Großmutter und eine alte Liebe. Denn Maries Jugendschwarm ist wieder zu haben …


Rezension

Entsprechend dem Untertitel „Das Tagebuch der Marie Sharp“ ist das Buch auch in Tagebuchform gehalten. Beginnend am 3. Oktober bekommt der Leser Einblicke in die folgenden 22 Monate. Im Gegensatz zum geheimen Büchlein eines pubertierenden Mädchens, sind hier leserfreundliche und durchaus humorvolle Auszüge aus Maries Leben anzufinden. Als roter Faden in diesem Tagebuch dienen das neugeborene Enkelkind, das Marie zu einem liebetranspirierenden Kuschelmonster mutieren lässt, die Krankheit eines sehr guten Freundes und die langjährige Schwärmerei für ihre heimliche Jugendliebe, die plötzlich wieder zu haben ist. Und das gerade zu dem Zeitpunkt, als Marie die ganze Sexsache an den Nagel gehängt hat. Mit diesen drei Thematiken wird das ganze Gefühlsspektrum abgedeckt. Nebenbei werden, wie es sich in einem Tagebuch gehört, auch skurrile Alltagsgeschichten behandelt und wenn es sonst nichts zu erzählen gibt, werden die neusten Spammails diskutiert.

Die Autorin Virgina Ironside, selbst in Maries Alter, lässt offenbar autobiografische Erfahrungen einfließen und das macht diesen Roman zu einem authentischen Werk. Maries positive Einstellung zum Älterwerden ist stellenweise so inbrünstig, dass sie dem Leser die Angst vor dem Älterwerden nehmen kann. Denn das Leben ist mit sechzig eben noch nicht vorbei. In all ihrem Bemühen zu dem zu stehen, was sie ist, fallen die Ungereimtheiten jedoch umso mehr auf. Denn während sie keinesfalls Sport machen möchte - denn sie hat es nicht mehr nötig - versteckt sie ihre wabbelnden Oberarme unter langen Ärmeln. Sie war ein sechziger Jahre Blumenkind, hatte Drogen und Männer konsumiert, ist mit sechzig aber zugeknöpft bis zur Stirn. Manche Einstellungen scheinen sich einfach zu widersprechen und lassen den Charakter etwas schizophren wirken.

Marie ist gegen diesen ganzen Schönheitswahn. Straffungen von Gewebe, an welchen Stellen auch immer, sind ihr zuwider. Diese Einstellung ist nachvollziehbar, denn in Würde zu altern, ist eine löbliche Einstellung. Auf den ersten Blick macht das die Protagonistin sympathisch. Bei genauerem Hinsehen, merkt man aber schnell, dass Marie nichts anderes mehr machen will, als dazusitzen und auf den Tod zu warten – und über ihren Alkoholismus zu lachen. Sich fit halten und Fahrrad fahren? Niemals! Sich weiterbilden, um den Denkmuskel fit zuhalten? Auf keinen Fall! Auf aterienverstopfende Nahrungsmittel verzichten, um wenigstens ein weiteres Jahr zu leben? Nein, ich will keinen Seniorenteller! Eine gewisses Maß an Prinzipien ist ja erlaubt, aber eine penetrante Miesepetrigkeit, die jede lebensbejahende Lebenseinstellung eines Rentners im Keim erstickt, ist nicht besonders liebenswert.

Es ist nicht immer leicht Marie Sharp zu mögen.
Durch die Tagebuchform kommen viele Figuren nur am Rande vor und bleiben dadurch blass. Besonders Maries Sohn ist schnell vergessen. Dennoch bekommen die wichtigen Charaktere genug tiefe, um Raum für Identifikation zu lassen.

Nein! ich will keinen Senioren Teller! ist eine Aneinanderreihung von alltäglichen Situationen, die durch Maries zynische Gedankengänge in einer unterhaltsamen Art und Weise erzählt werden. Leider ist in diesem Buch nicht mehr zu holen, als dieser stoische, oberflächliche Blick auf die Welt. Es ist keine Abrechnung mit einer fanatischen Welt, die nach der ewigen Jugend sucht, wie man am Titel vermuten könnte. Dafür ist es schlicht zu banal und engstirnig.


Fazit

Ein fiktionales Tagebuch, das zu unterhalten, aber auch zu nerven weiß. Wer über eine ältere Dame lesen möchte, die alles verneint, was das Alter interessant machen könnte, außer Weintrinken, ist hier richtig. Alle anderen nicht.


Pro und Kontra

+ teils humorvoll
+ kurzweilig

- Marie Sharp

Beurteilung:

Handlung 2,5/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3,5/5