Haempes offener Brief an Perry Rhodan

Lieber Perry Rhodan (oder muss ich sagen: „Sehr geehrter Mr. Rhodan, ehemaliger Großadministrator des Solaren Imperiums, ehemaliger Ritter der Tiefe, ehemaliger Erster Terraner usw.“?),

Du hast es nicht leicht gehabt in Deinem mehrtausendjährigen (fiktiven) Leben. Dein (fiktives) Alter reicht für mehrere Renten. Vielleicht solltest Du auch in dieser / unserer (realen) Welt in Rente gehen. Verdient hättest Du es! Verdient in diesem und in jenem Sinne.

Als Du vor vielen (fiktiven und realen) Jahren Deinen Weg ins All angetreten hast, da hattest Du eine gewaltige, großartige Vision: die Vision einer geeinten Menschheit! Manche unterstellten Dir deshalb auch, dass Du die Menschheit als führende, herrschende Rasse sehen wolltest und Dich als Erben des Universums. Nun gut, so habe ich das nie gesehen.
20.000 Jahre gab ES Zeit, diese Vision zu verwirklichen. Verknüpft mit allerlei seltsamen Aufgaben und kleinen Streichen. Doch leider, leider hast Du diese Vision mittlerweile aus den Augen verloren. Nun ja, ich gestehe, mit zunehmendem Alter wird das Sehvermögen schlechter und man verliert so manches aus den Augen.

Doch Du konntest ja einen Ausgleich schaffen: die Dinge wurden einfach größer, damit Du sie besser sehen kannst. Wo früher eine kleine Flotte von tausend Schiffen reichte, wurden es eben Millionen Schiffe. Oder waren es Milliarden? Endlos eben und damit nicht zu übersehen. Warum aber diese große Flotte vor Dir kaum jemand anderes erblickt hat, das wird Dein Geheimnis bleiben.
Du bist auch nicht mehr von Stern zu Stern gereist, nicht einmal mehr von Galaxis zu Galaxis, sondern hast Dich gleich auf die andere Seite des Universums auf den Weg gemacht. Aber das ist verständlich. Man möchte ja die Größe seines Erbes einmal in Augenschein nehmen. Auch wenn es sehr groß sein muss, damit man es noch sieht, mit Sehschwäche und so.

Ich weiß, Du hattest und hast es wirklich nicht leicht. Nach dem Gegner war für Dich immer vor dem Gegner und der nächste Gegner war immer mächtiger, stärker und überlegener als der vorhergehende Gegner. Und größer natürlich … die Sehschwäche. Dass man da natürlich von dem Weg einer kleinen Vision abkommt, die Sterbliche einmal hatten, kann ich verstehen. Ebenso verstehe ich, dass dabei ein paar Weggefährten auf der Strecke bleiben mussten. Sei es in Deinem Perryversum oder in unserem Leserversum. Du hast dann einfach aus der Not eine Tugend gemacht und immer wieder neue Gefährten gesucht. Natürlich waren sie größer. Du weißt schon, die Sehschwäche.

Wer will auch nicht an Deiner Seite sein, wenn es darum geht, einen Teil des universalen Erbes abzubekommen. Gut, wie im richtigen Leben hast Du dabei Kompromisse eingehen müssen. Dass der eine oder andere Kompromiss einen schalen Beigeschmack hat, liegt ja nicht an Dir. Die Zwänge höherer Mächte wie Kosmokraten, Chaotarchen, Hyper- und Superintelligenzen, Expokraten, Redakraten, Fanokraten, Lesekraten und so weiter ließen Dir manchmal einfach keine andere Wahl. Zudem wurden mit zunehmendem Alter (ob fiktiv oder real) die Wahlmöglichkeiten auch immer geringer. Ein Zurück zur Vision gelang trotz zahlreicher Versuche nicht. Was soll man auch noch erleben, wenn man das Tiefenland durchschritten hat, der Endlosen Armada begegnet ist oder auf der anderen Seite des Universums war? Wie im richtigen Leben fangen irgendwann die Wiederholungen der Ereignisse an. Neu nur noch für jene, die nicht von Beginn an auf dem Weg an Deiner Seite waren.

Ach Perry, Mensch, Terraner, was hattest Du für eine wunderbare Vision, einen verwegenen Plan und einen phantastischen Auftrag. Die Vision ist längst dahin; der Plan bleibt unvollendet; der Auftrag, den ES gab, wird nie ausgeführt werden. Manchmal sollte man einfach dazu stehen, dass seine Zeit abgelaufen ist. Auch wenn es lange vor den 20.000 Jahren ist.

Zeit in Rente zu gehen, Perry. Du hast es Dir redlich verdient!

Es grüßt Dich herzlich
Dein ehemaliger Weggefährte Thor Haempe