Verlag: rororo, April 2008
TB, 320 Seiten, € 7,95
ISBN: 978- 3499246180
Genre: Krimi
Klappentext
In der ostfriesischen Kleinstadt Norden wird eine Schülerin ermordet aufgefunden. Alles deutet auf ein Sexualdelikt hin. Die ganze Region verdächtigt den pädophil veranlagten Gernot Huckler, der vor kurzem aus der Haft entlassen wurde und nun unauffindbar ist. Hat er diesmal gemordet? Als auch auf Spiekeroog ein Mädchen verschwindet, scheint sich der Verdacht zu bestätigen. Kommissarin Wencke Tydmers will sich von der allgemeinen Hysterie jedoch nicht anstecken lassen. Auch Esther Vanmeer glaubt an die Unschuld ihres neuen Lebensgefährten. Bis ihre Tochter Griet nicht mehr nach Hause kommt…
Die Autorin
Sandra Lüpkes, geboren 1971, aufgewachsen auf der Nordseeinsel Juist, lebt in Münster und Ostfriesland, wo sie als Autorin und Sängerin arbeitet
Rezension
Atmosphärisch brillant, Meeresrauschen inklusive, so präsentiert sich wieder mal der neue Fall von Kommissarin Wencke Tydmers. Beheimatet in ihrem Kommissariat in Aurich, so muss sie doch des Öfteren auch auf den Nordseeinseln ermitteln. Dieses Mal führt sie ein Fall nach Spiekeroog. Wencke ist mittlerweile Mutter eines kleinen Jungen, deshalb nimmt sie dieser Fall auch besonders mit. Sandra Lüpkes ist es wirklich gut gelungen, ein hochbrisantes Thema anzupacken und nichts zu verschönern. Pädophilie ist ein heikles Thema, nicht nur für die Opfer, auch für die Täter. Pädophilie ist nicht heilbar, aber mittlerweile gibt es Medikamente, die den Trieb unterdrücken.
Als die Mädchen verschwinden gerät Georg Huckler sofort unter Verdacht - ist er doch gerade erst aus dem Gefängnis gekommen. Da Pädophilie eine Krankheit ist, die man nie wieder loswird, ist es doch logisch, wer der Schuldige ist. Aber vielleicht geht es ja doch, das Leben mit der Krankheit, ohne gleich wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Zumindest glaubt Ester Vanmeer an ihn, denn immerhin lebt sie mit ihm zusammen und möchte ihn heiraten. Auch Griet, ihr Teenagertochter, kommt mit Georg recht gut zurecht. Als sie und Georg dann allerdings auch verschwinden, ist es nicht verwunderlich, dass ihre Überzeugung ein bisschen ins Schwanken gerät. Aber auch Wencke lässt sich von Indizien nicht beeinflussen und mit ihrem außergewöhnlichen Instinkt und ihrer Kombinationsgabe kommt sie dem wirklichen Verbrecher auf die Schliche. Es passiert sehr viel nebenher in diesem Fall, Langeweile gibt es nicht, dazu gibt es zu viele verdächtig Handelnde und man kann gespannt auch weiterhin das Privatleben von Wencke und Axel verfolgen. Es ergeben sich dramatische Wendungen, die auch zum Reiz dieser Serie gehören. Das stimmungsvolle Cover lädt zu einem Strandspaziergang ein und dazu, sich den Nordseewind um die Nase wehen zu lassen.
Kann ein Pädophilier wirklich wieder ein normales Leben führen? Einmal pädophil - immer pädophil? Oder gibt es doch etwas wie Reue und Bedauern über ihre Taten? Denken sie überhaupt an ihre Opfer? Und - die wichtigste Frage überhaupt - kann man mit so einem Menschen zusammenleben und eine Ehe führen? Nicht alle Fragen werden beantwortet, es gibt dafür auch keine allgemeingültigen Antworten. Wie viel Schuld trägt die Gesellschaft, die Triebtäter immer ausgrenzt und pauschal kriminalisiert. Sandra Lüpkes scheut sich nicht vor Konsequenzen, sie gibt Denkanstöße, lässt den Leser sich aber eine eigene Meinung bilden. Als Leser ist man dann schon zwiegespalten, kann man sich wirklich mit so jemandem anfreunden? Kann man ihm seine Taten verzeihen? Es zeigt zwar, dass auch ein Pädophilier mit seiner Krankheit umgehen kann, sie unterdrücken kann und ein normales Leben führen kann - aber Zweifel wird es wohl immer geben. Und ein gewisses Unverständnis, denn die Opfer müssen mit den Taten auch weiterhin leben - an sie denkt meistens keiner mehr.
Auf einer Lesung erzählt Sandra Lüpkes jedoch, wieso sie ausgerechnet dieses Buch geschrieben hat. Es geht ihr nicht darum, Missbrauch und Opferperspektiven zu schildern, sondern die Krankheit darzustellen, und herauszustellen, dass es Menschen gibt, die dagegen ankämpfen und nicht alle vorschnell verurteilt werden sollten.
Der Titel „Die Blütenfrau“ bezieht sich auf Esther Vanmeer. Sie ist Heilpraktikerin und so erfährt man nebenbei auch noch eine Menge über diesen Beruf. Jedes Kapitel ist liebevoll mit einer Bachblüte überschrieben, deren lateinischer Name und ihre Wirkung kurz erläutert werden. Solche reizvollen kleinen Details heben dieses Buch noch aus der Masse hervor, hier werden wirklich viele Kleinigkeiten zusammengetragen und man kann sich mit allen möglichen Themen auseinandersetzen.
Fazit
Eines der besten Bücher aus der Wencke Tydmers Reihe, hochbrisante Themen, deren Umsetzung zum Nachdenken anregen. Sandra Lüpkes drängt in keine vorbestimmte Richtung, sie lässt dem Leser viel Spielraum, sich eine eigene Meinung zu bilden, weicht aber auch dem wirklich heiklen Thema nicht aus. Man muss sich mit gesellschaftspolitischen Problemen auseinandersetzen, dem Miteinander in einer sozialen Gesellschaft und der Rückführung eines Strafgefangenen in die Gesellschaft nach angemessener, verbüßter Zeit. Aber was ist schon angemessen?
Pro und Contra
+ stimmige Atmosphäre
+ Auseinandersetzung mit Pädophilie
+ lieb gewonnene Charaktere
+ interessante und hochbrisante Themen
+ außergewöhnliche Todesursache
+ regt zum Nachdenken an
o das Thema Pädophilie und der Umgang damit mag nicht jedem liegen
Wertung:
Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5