Darwinia (Robert Charles Wilson)

 
Heyne Verlag (Februar 2010)
Taschenbuch, 400 Seiten, EUR 8,95
ISBN: 978-3453526464

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Eines Tags geschieht das Unbegreifliche: Der europäische Kontinent, so wie wir ihn kennen, verschwindet und zurück bleibt ein fremdartiges und mysteriöses Land, das auf den Namen „Darwinia“ getauft wird. Eine amerikanische Expedition macht sich auf, diese bizarre neue Welt zu erforschen. Es wird eine Reise ins Herz der Finsternis …


Rezension

Als Fotograph dieses Expeditionsteams macht sich auch Guilford Law auf ins Ungewisse. In eine Welt, deren Fremdartigkeit Wilson perfekt einzufangen und zu vermitteln versteht. Durch die Augen eines Fotographen sieht der Leser eine fremde Flora und Fauna, sieht er primitiv anmutende Siedlungen, mit denen der Mensch versucht, den Kontinent zurückzuerobern. Wilsons Beschreibungen versorgen dabei das innere Auge des Lesers mit genügend Material, wobei er sich nicht auf die nüchterne Darstellung des Settings beschränkt, sondern vielmehr diesem durch kleine Details und einen bildhaften Schreibstil Leben einhaucht.

Ausgangspunkt der Expedition ist das neu aufgebaute London; ein Provisorium aus Holzgebäuden und schlammigen Straßen, das eine Stimmung zwischen Trostlosigkeit und Hoffnung ausdrückt, die für das ganze Buch bezeichnend ist. Dort lässt Guilford auch seine Frau, Caroline, und seine Tochter zurück, um zum Festland aufzubrechen. Dadurch, dass die Erzählperspektive auch während Guilfords Aufenthalt auf dem Festland immer wieder zu Caroline wechselt, schafft Wilson, indem er sie über Guilford nachdenken lässt, ein noch differenzierteres Bild von seinem ohnehin schon plastischen Protagonisten.

So manch anderer Autor hätte aus der faszinierenden Grundidee wohl einfach eine spannende Abenteuergeschichte gestrickt und es dabei belassen. Nicht so Robert Charles Wilson. Denn „Darwinia“ ist mehr als nur eine Abenteuergeschichte, auch wenn Liebhaber von Abenteuergeschichten durchaus auf ihre Kosten kommen werden; Spannung, Entdeckungen, eine unerforschte Welt mit vielen Rätseln – all dies ist natürlich vorhanden und gut umgesetzt.
Darüber hinaus legt er dieser Abenteuergeschichte aber eine faszinierende und phantastische Idee zugrunde, die in ihrer Kreativität und vor allem in ihrer Dimension beispielsweise an die Werke von Alastair Reynolds erinnert. So gelingt es ihm, eine befriedigende Lösung für das Rätsel „Darwinia“ zu präsentieren, womit man im ersten Teil des Buches nicht unbedingt gerechnet hätte.
Allerdings ist seine Umsetzung dieser Idee Geschmackssache; dem einen oder anderen mag es gegen Ende des Buches etwas zu phantastisch - teilweise leider auch ein wenig zu verworren – hergehen. Dadurch, dass er den Fokus stur auf dem Protagonisten belässt, verschenkt er zudem einiges an Potential seiner Idee, die in ihrem Maßstab doch einer etwas ausschweifenderen Ausführung bedurft hätte.
Dafür bekommt der Leser auf der anderen Seite einen Protagonisten geboten, der sich glaubhaft entwickelt, der auf der einen Seite Überraschungen bereithält und auf der anderen Seite nachvollziehbar handelt, sodass man ihm Sympathie entgegenbringen kann und an seinem Schicksal Anteil nimmt.

Ein Schicksal, bei dem man durchaus das eine oder andere Mal schlucken muss. Was sich im Laufe des Buches offenbart und mit welchen Mächten und Kreaturen man es zu tun bekommt, ist darüber hinaus nicht immer für zarte Gemüter geeignet, denn Wilsons Detailverliebtheit macht auch vor Beschreibungen dieser nicht halt.


Fazit

Eine Abenteuergeschichte nach Wilson-Art: Mit phantastischen Ideen, schönem Erzählstil und einem glaubhaften Protagonisten. Darwinia ist ein fesselnder Schauplatz, der ein unglaubliches Geheimnis birgt.


Pro & Kontra

+ spannend
+ kreative Idee, die dem Rätsel zugrunde liegt
+ bildhafter und detaillierter Erzählstil
+ nachvollziehbare Figuren

- verschenktes Potential bei der Beschreibung seiner Ideen
- teilweise sehr abstoßende Schilderungen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5