Monsieur Mardi-Gras - Unter Knochen - Bd.1 (Éric Liberge)

Splitter (September 2008)
Hardcover, Seiten: 64
Preis 13,80€
ISBN: 978-3940864314

Genre: Fantasy


Klappentext

Ein fataler Sturz beim Tritt auf das im Badezimmer vergessene Spielzeugauto, und Victor Tourterelle findet sich kurzerhand auf der anderen Seite des Spiegels, in einer Kreidewüste, unter einem Himmel so schwarz wie Tinte wieder. Es herrscht Totenstille, keine Seele lässt sich blicken. Zwar erfreut sich Victor in seiner neuen Gestalt noch seines vollen Bewusstseins, doch von seinem Körper sind nur noch die Knochen geblieben. Mardi-Gras Aschermittwoch, so lautet sein Name von nun an, hat keine Ahnung, dass er am Beginn eines der verrücktesten Abenteuer steht, das einem Verstorbenen in der jenseitigen Welt jemals widerfahren ist …


Rezension

Kinder sind ein Segen – aber nicht immer. Victor Tourterelle rutscht im Bad ausgerechnet auf dem Spielzeugauto seines Kindes aus und bricht sich dabei das Genick. Als er wieder aufwacht, hat er wortwörtlich kein Fleisch mehr auf den Knochen. Alles, was ihm von seinem Leben geblieben ist, ist sein Skelett. Aber immerhin funktionieren seine Sinne. Das Jenseits ist aber ganz und gar nicht zu vergleichen mit den paradiesischen Gärten, die er eigentlich erwartet hätte. Oder war er in der Hölle gelandet? Hatten ihm seine kleinen Fehltritte den Himmel verwehrt? Auf diese Fragen erhofft er sich Antworten, als der Postbote Nr. 23 vor ihm steht mit einem Brief adressiert auf seinen neuen Namen: Mardi-Gras Aschermittwoch. Gestorben genau um Mitternacht zwischen Mardi-Gras (in Frankreich Faschingsdienstag) und Aschermittwoch. Doch anstatt Fragen zu beantworten, nimmt ihn der Postbote mit nach Sainte-Cecile, wo noch mehr Fragen aufgeworfen werden.

Die Geschichte beginnt für den Leser ebenso unvermittelt wie für Mardi-Gras. Mitten in einer düsteren Einöde wartet man darauf, dass einem erklärt wird, worum es eigentlich geht. Die Geschichte nimmt schnell an Fahrt zu und stürzt das Skelett sowie den Zuschauer in eine Welt, die sonderbarer nicht sein könnte, geschweige denn an ein stereotypes Nachleben erinnern würde. In Saint-Cecile wird einiges schnell klar: Es gibt nur zwei Sachen, die in diesem nicht enden wollenden Albtraum wertvoll sind. Zum einen sind es die Knochen, denn im Gegensatz zu früher wachsen Knochen nicht mehr nach. Und so muss sich ein jeder davor in Acht nehmen, nicht in Einzelkomponenten auf dem Wühltisch eines Schwarzmarktes zu enden. Und die zweite und noch seltenere Kostbarkeit ist Kaffee. Das aromatische Warmgetränk gibt es an diesem Ort nicht. Doch manchmal gelangen wenige Bohnen doch dorthin und um an diese ranzukommen, ist nichts heilig, wie Mardi-Gras schnell feststellen darf. Während sich das Hauptskelett versucht zurecht zu finden, werden einige Hebel in Bewegung gesetzt, die Mardi-Gras in den Folgebänden vermutlich in ein unerahnt großes Abenteuer schicken werden. Diese Erkenntnis gibt es allerdings erst ganz zum Schluss und der Leser bleibt also zunächst einmal im Dunkeln, worum es in dieser Geschichte denn nun tatsächlich geht. Dennoch gibt es genügend zu entdecken in Sainte-Cecile und Langeweile kommt nicht auf. Im Gegenteil. Es bleibt viel Raum für Spekulationen.

Ebenso skurril wie die Grundgeschichte ist Mardi-Gras selbst. Und neben dem Postboten Nr. 23 ist er vorerst die einzige erwähnenswerte Figur, auch wenn sich abzeichnet, dass sich manche noch als wichtig erweisen werden. Besonders ausgeprägt ist sein Hang zur Cholerik. Unter keinen Umständen möchte er sich mit den herrschenden Gepflogenheiten zufrieden geben. Er hatte als Lebender kein Quecksilber getrunken und hat es auch nicht jetzt vor. Und auch keines der anderen giftigen Abfallprodukte, die auf der Bestellkarte stehen. Seine Ausraster werden von den eingesessenen Skeletten nicht toleriert und so stolpert Mardi-Gras von einem Fettnäpfchen in das nächste, bis man kaum mehr zuschauen möchte. Besonders interessant sind seine Ausraster, wenn man bedenkt, dass es sich immerhin um ein Skelett handelt. Emotionen zeigen ist nicht unbedingt die Stärke eines Schädelknochens. Dennoch gelingt es dem Zeichner Éric Liberge seinen Figuren alle Gefühle mitzugeben, wie sie ein lebender Mensch hat. Auch wenn er dafür einige anatomische Grundlagen ignorieren musste. Ebenfalls gelungen ist ihm die Erschaffung von zahllosen Skeletten, die sich bei genauerer Betrachtung alle voneinander unterscheiden. Denn für gebrochene Knochen muss Ersatz gefunden und eben jene Metallstangen und –platten verleihen den Figuren ein individuelles Aussehen.

In der ursprünglichen Auflage wurde diese Comic-Reihe in Schwarz-Weiß herausgegeben. Inzwischen wurde aber eine Kolorierung nachgereicht. Auch wenn die erste Auflage sicher ihren Charme hatte, war die Kolorierung keine schlechte Entscheidung. Die Zeichnungen reichen von beinahe leer bis hin zu unglaublich überladen und besonders bei den vollgestopften Bildern helfen die Farben bei der Orientierung. Es gibt Zeichnungen, die wie eine Hommage an „Wo ist Walter?“ wirken. Auf dem gesamten Bild tummeln sich Dutzende Skelette und das eine wichtige zu entdecken, kostet Zeit – trotz Farbe. Unabhängig von den Details, ist jede Zeichnung konsequent gut gelungen. Es steckt immer eine gewisse Dynamik darin, die die Geschichte schnell voranbringt.


Fazit

Monsieur Mardi-Gras - Unter Knochen - Bd1 führt den Leser in eine düstere Version des Lebens nach dem Tod. Mit subtilem Humor und eigenwilligen Ideen werden mehr Fragen aufgeworfen, als erklärt. Aber auf diese Art darf der Leser die Geschichte erleben, anstatt sie nur zu lesen.


Pro und Kontra

+ innovativ
+ viele Skelette
+ witzig
+ gelungene, abwechslungsreiche Zeichnungen
+ vielversprechender Einstieg
+ Individualität der einzelnen Figuren ist sehr gut gelungen

o die Cholerik Mardi-Gras’ kann anstrengend sein

Beurteilung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


 

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