Das Glück Saramees (Hrsg. Christoph Weidler)

Atlantis-Verlag (Oktober 2009)
Titelbild: Chris Schlicht
Innenillustrationen: Chris Schlicht
Paperback, ca. 172 Seiten, 12,90 EUR
ISBN 978-3-941258-17-4.

Genre: Phantastik-Anthologie


Geschichten / Autoren

Saramee - eine Stadt unzähliger Schicksale, Abenteuer und Geschichten. Einige hiervon werden in dieser Anthologie erzählt.

Das Glück Saramees - Stephan R. Bellem
Mit Brief und Siegel - Katja Brandis
Das Götzenloch - Tom Cohel
Abu Risas zweite Chance - Andrea Tillmanns
Der Glanz der Durtone - Michael Schmidt
Goldrausch - Guido Krain
Neue Wege - Chris Schlicht
Das 226. Elixier - Tobias Radloff
Turm der Fallen - Markus K. Korb
In den Gärten von Bol D’Agon - Arthur Gordon Wolf
Helden der Nacht - Christian Endres
Träume, Blüten und Liköre -Martin Clauß
Dschungelatem - Linda Budinger
Das Geheimnis der Schatulle - Alfred Bekker & Hendrik M. Bekker

Rezension

Inzwischen gibt es zu „Saramee“, der Stadt der Vertriebenen, einige Romane und auch Geschichtenbände. Mit „Das Glück Saramees“ hat Christoph Weidler nun eine Anthologie herausgegeben, die mit vielen recht kurzen Beiträgen gefüllt ist und somit einen schnellen und facettenreichen Einstieg in die Welt Saramees ermöglicht. In verschiedensten Bildern wird der Charakter der Stadt beleuchtet und wo im Titel noch vom „Glück“ die Rede ist, offenbaren sich in den Geschichten die Schattenseiten und das Pech. In Saramee regieren Armut und Verbrechen, wobei man Schwarz-Weiß-Malerei vergebens suchen wird. Denn die Hafenstadt ist Heimat für Menschen mit vielfältigen Schicksalen, die die Autoren in dieser Anthologie trotz Kürze lebendig erzählen und in diversen Grauschattierungen darstellen. Und zwischen all den Betrügern, Dieben und Schlägern findet sich auch die ein oder andere gute Seele, auch wenn sie selbst schwarz wie die Nacht ist. Saramee ist die Stadt der Verdammten, der Armen und Narren und hat einen trügerischen, dunklen Charme – sie ist eine phantastische Welt mit dem Flair einer orientalischen Piratenstadt. Die Szenen aus dem Alltag Saramees erfüllen die Leserschaft mit Abscheu, aber auch mit Neugier und Abenteuerlust. Ein paar von diesen Abenteuern sollen an dieser Stelle genannt werden:

Mit „Das Glück Saramees“ bietet Stephan R. Bellem einen herrlich atmosphärischen Einstieg in die Anthologie. Alle, die Saramee noch nicht kennen, werden vom rauen Charme der Stadt eingefangen – und auch alte Bekannte werden wohl ob der grausamen Schönheit aufhorchen. Die Geschichte eines jungen Mannes, der sein Glück in der Stadt der Verdammten sucht, eignet sich dabei hervorragend, um eine erste oder auch erneute Reise in die dunklen Gassen zu wagen …

Das Götzenloch“ von Tom Cohel zeigt, wie Lug und Betrug in Saramee an der Tagesordnung stehen. Die Charaktere ecken mit ihren vielen Katen gewaltig beim Leser an, sei es ein widerwärtiger Verkäufer von Götzenbildern oder seine fettleibige, skrupellose Frau. Diese rauen Personen bereiten viel Freude beim Lesen und der Protagonistin einige Scherereien …

In „Der Glanz der Durtone“ von Michael Schmidt erwirbt ein erfolgreicher Geldwechsler in einem unfairen Handelt uralte Münzen. Sie scheinen zunächst wertlos, doch der gerissene Mann schmückt ihre Herkunft mit blutigen Legenden aus und muss bald merken, dass die Münzen doch nicht so wertlos sind, wie gedacht. Auch in dieser Geschichte blickt der Leser in das betrügerische, gewissenlose Herz der Stadt.

Tobias Radloff braut mit seinem 226. Elixier ein gleichermaßen faszinierendes wie tückisches Gift. Ungewöhnlich ist hier die „Du“-Perspektive, die jedoch zum kunstvoll gespannten Handlungsbogen bestens passt. Ein Geselle will hier seinen Meister töten – für all die Qualen, die er in seiner Lehre erdulden musste. Doch der inzwischen gebrechliche Meister will dem Vatermörder vor seinem Tod noch das Geheimnis des 226. Elixiers anvertrauen …

In „Dschungelatem“ zeigt Linda Budinger dem Leser die grünen, aber nicht minder gefährlichen Seiten Saramees. Außerhalb der Stadt residiert ein grausamer Alchemist, der den jungen Dariu gefangen hält. Als dieser heimlich nachts durch das Anwesen schleicht, entdeckt er zwei Diebe. Zwischen dichtem Pflanzenwuchs und blutgierigen Insekten hofft Dariu nun auf Freiheit …

Arthur Gordon Wolf entführt den Leser in die Gärten von Bol D’Agon, die von einem geheimnisvollen Orden gehütet werden. Auch ein raffgieriger Geldwechsler erliegt ihrer Schönheit, doch vom Glanz eines Edelsteins geblendet stürzt er in sein Unglück. Eine Geschichte über Süchte und die verborgenen Schätze Saramees …

Insgesamt bewegen sich alle Beiträge auf ähnlich hohem Niveau, wobei einem wie bei Anthologien üblich wohl manche mehr und manche weniger gefallen werden. Es sei jedoch gesagt, dass „Das Glück Saramees“ wie eine Schatzkiste ist, in der ein jeder mehr als nur ein Goldstück finden dürfte! Hier und da gelingt es nicht gänzlich, die Spannung bis zum Schluss zu erhalten, sind doch manche unglücklichen Ausgänge offensichtlich. Dennoch haben diese Anthologie Könner ihres Handwerks mit ihren Geschichten gefüllt – und auch das Buch an für sich kann sich sehen lassen: Das Taschenbuch ist gut verarbeitet und sticht mit seinem intensiv gefärbten Cover sofort ins Auge. Es zeigt, wie Saramee ist: ein kunterbuntes Sammelbecken für all jene, die verstoßen wurden oder in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Arme der Hölle gesegelt sind. Auffällig ist auch die Innengestaltung des Buches: Zu jeder Geschichte gibt es eine S/W-Zeichnung von Chris Schlicht, die den Inhalt der jeweiligen Geschichte unterstreicht, und jede Seite ist mit einem Seeschlangenmotiv verschönert. Hier steckt viel Mühe dahinter – und sie hat sich gelohnt.

Was der Anthologie leider fehlt, sind Informationen für Einsteiger. Wer die Welt Saramees noch nicht kennt, wird sich oftmals bei Bezeichnungen für die verschiedenen Völker wundern und sich wenig unter den Personen vorstellen können. Auch wird man hin und wieder mit der Politik der Stadt hadern, bleibt doch vieles im Unklaren. Eine Anthologie hat natürlich nicht die Aufgabe, die komplexe Welt Saramees einwandfrei darzulegen – doch es hätte sich angeboten, für alle Saramee-Neulinge an dieser Stelle einen Glossar mit Begrifflichkeiten und wichtigen Personen zu bringen.


Fazit

Mit „Das Glück Saramees“ beweist Herausgeber Christoph Weidler, dass phantastische Welten auch in Kurzgeschichten zu schwarzem Glanz erblühen können. Hier genügen wenige Seiten, um den trügerischen Charme der Stadt der Vertriebenen einzufangen und den Leser mit in dunkle Abenteuer zu reißen.


Pro & Contra

+ kantige, oftmals raue Charaktere
+ facettenreiches Bild der Stadt
+ orientalischer / mediterraner Flair
+ phantastische, tückische Wesen
+ atmosphärisch und spannend

- für Einsteiger teilweise schwierig

Extras:

~ S/W-Zeichnungen zu jeder Geschichte

Bewertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu "Die Ankunft" (Saremee-Roman)

Tags: Kurzgeschichten