Tausende Autoren wollen raus aus Google Books

Googles großes Buch-Scan-Projekt gerät merklich ins Stocken. Ursprünglich sollten "alle Bücher der Welt" frei zugänglich digitalisiert werden. Doch jetzt wollen 6500 teilweise hoch prominente Autoren, Verleger und Agenten aus den USA und Großbritannien das Projekt boykottieren.

Eines Tages, so will es die Legende, habe Google-Mitbegründer Larry Page seinen CEO Eric Schmidt zu sich gerufen, um ihm einen selbst gebastelten Buchscanner zu zeigen. Als Schmidt nicht verstand, habe Page ihm erklärt: "Wir werden alle Bücher der Welt einscannen." Eine Zeit lang sah es ja auch so aus, als hätte der Internetgigant aus Mountain View in Kalifornien die Zukunft vollendeter Tatsachen auf seiner Seite. Bis die träge Maschinerie aus Meinungsbildung, Rechtsprechung oder gar Gesetzgebung in Gang kommt, ist Google immer schon ein paar Schritte weiter.

Akademisches Wissen soll im Netz kostenlos sein Googles Scan-Gang jedoch hat, von heute aus besehen, keineswegs reibungslos funktioniert. 2005 ging books.google.com online, kassierte aber bald eine dem deutschen Recht unbekannte Sammelklage amerikanischer Autoren und Verleger.

Daraufhin einigte man sich auf einen Vergleich, das berüchtigte und bis heute juristisch nicht in Kraft gesetzte Google Book Settlement. Unter anderem sieht dieses Abkommen eine pauschale Vergütung für bereits gescannte Werke vor - sowie die Möglichkeit, aus dem Vergleich auszusteigen: "opt out" heißt das auf Englisch.

Von "allen Bücher der Welt" kann die Rede nicht mehr sein. Nachdem Schriftsteller, Bibliothekare oder Professoren aus aller Herren Länder und unter anderen auch zwei deutsche Justizministerinnen scharf gegen das Settlement protestiert haben, sind von der Regelung nur noch Bücher betroffen, die auch ins US-amerikanische Copyright-Register eingetragen sind.

Zudem ist auch nach zahlreichen Fristverlängerungen unklar, ob Denny Chin, der zuständige New Yorker Richter, den Vergleich selbst in seiner revidierten Form überhaupt genehmigt. Am 18. Februar vertagte man sich mal wieder - nach einem Marathon des Für und Wider und der Besteigung eines Aktenbergs.

Und auch dieser Aktenberg ist, scheint' s, nicht zuletzt ein Monument des Widerstands. Wie nämlich jetzt der britische "Guardian" berichtet, haben rund 6500 Autoren, Verleger und Agenten aus den USA und Großbritannien rechtzeitig zum 28. Januar auf "opt out" plädiert und sich dem Settlement entzogen, noch bevor es in Kraft getreten ist.

Wie weiland Herman Melvilles Schreiber Bartleby möchten sie lieber nicht und verweigern sich der Google-Zukunft, was umso interessanter ist, als viele von ihnen sein dürften, was man in der Werbung einen "opinion leader", einen Meinungsmacher, nennt. Thomas Pynchon, Halbgott der Postmoderne, ist ebenso unter den Verweigerern wie Zadie Smith, die genialische Netzwerkerin, Quentin Blake, der große britische Illustrator, mag ebenso wenig mitmachen wie Pulitzerpreisträger Michael Chabon, der Bürgerschreck Bret Easton Ellis, der Bookerpreisträger Graham Swift, der All-Age-Autor Philip Pullman oder Ursula K. Le Guin, die sich als prägende Science Fiction-Autorin doch eigentlich auf die Zukunft verstehen sollte.

Und wo wir bei Klassikern sind: Die Rechtsnachfolger von Rudyard Kipling, TH White, James Herriot oder Roald Dahl wollen lieber auch nicht. Und die britische Romanautorin Marika Cobbold ("Die Zeit davor", "Das Leben, wie es sein sollte") ließ den "Guardian" wissen: Sich dem Settlement zu ergeben, das sei, wie die eigenen Kinder einem Babysitter anzuvertrauen, den man noch nie gesehen habe.

Die Lyrikerin und Essayistin Gillian Spraggs hat gar eine Gruppe namens "Action on Author's Rights" ins Leben gerufen, die das Settlement ablehnt und sich bei der britischen Regierung Gehör verschaffen will.

Am Donnerstag, den 18. Februar, war im Verlauf der New Yorker Gerichtsverhandlung viel davon die Rede, dass Google das Prinzip "opt out" doch besser durch ein "opt in" ersetze. Das jedoch will Google keinesfalls. Warum, das dürfte jetzt, da die Kunst mit den Füßen abstimmt, klar geworden sein. Die Autoren, um deren Werke es doch geht, scheinen entschieden vergleichsunwilliger als ihre Verbände.


Quelle: welt.de