Liebesfilmriss (Jill Mansell)

Verlag: Fischer, April 2010
Originaltitel: Thinking of you
Übersetzt von Tatjana Kruse
Taschenbuch, 411 Seiten, € 8,95
ISBN: 978-3596181780

Genre: Belletristik


Klappentext

Sturmfreie Bude, denkt Ginny, als ihre Tochter Jem zum Studieren nach Bristol zieht. Endlich die Chance, mal ohne Jems strafenden Blick im Nacken zu flirten. Blöd nur, dass bei ihrem ersten Versuch der attraktive Antiquitätenhändler Finn sie für eine Ladendiebin hält. Jem schwebt derweil auf Wolken: Sie hat eine Affäre mit dem angesagtesten Typen auf dem Campus. Leider will der aber ihre Liebe geheim halten. Da hat ihre Mutter einen genialen Plan …


Die Autorin

Jill Mansell arbeitete an einer neurologischen Klinik, bis sie sich dem Schreiben zuwandte und zur Bestsellerautorin wurde. Sie lebt in Bristol.


Rezension

Wieder mal ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Klappentext und Inhalt nicht unbedingt zusammen passen müssen. Ginny ist todtraurig, dass ihre Tochter Jem nach Bristol zum Studieren zieht. Sie wohnt dort mit ihrer besten Freundin Lucy und ihrem Studienkollegen Rupert, dem auch die Wohnung gehört, zusammen. Ruperts Eltern sind wohlbegütert, finanzieren ihm die Wohnung und so wirklich hat er keine Lust, sich seinem Studium zu widmen. Im Gegensatz zu Jem, die nebenher noch in einem Pub jobbt. Lange kann Jem Ruperts Charme nicht widerstehen und sie beginnen eine heiße Affäre. Einziger Wermutstropfen: Er will die Affäre geheim halten, damit sich Lucy, ihre Mitbewohnerin, nicht wie das dritte Rad am Wagen fühlt. Aber ist das wirklich der einzige Grund?

Ginny fühlt sich sehr alleine, nachdem Jem, ihr einziges Kind, ausgezogen ist und kurz danach auch noch ihr geliebter Hund stirbt. Da kommt sie auf die glorreiche Idee, ein Zimmer zu vermieten, um wieder jemanden zu haben, mit dem sie reden und Spaß haben kann. Eine alleinstehende Frau wäre ideal, aber als der charmante Perry auftaucht, ist er genau der Richtige. Dumm nur, dass er das Zimmer für seine Schwester Laurel gemietet hat, die von ihrem Freund verlassen wurde und sich in Schwermut ergibt und ständig jedem vorjammert, wie toll ihre Beziehung war und wie sehr sie ihn vermisst. Eigentlich genau das, was Ginny nun überhaupt nicht wollte. Perry allerdings wäre der ideale Kandidat für eine neue Liebe und auch er scheint nicht abgeneigt zu sein. Carla, Ginnys beste Freundin, ist begeistert, dass Ginny wieder die Liebe zulassen möchte, hatte sie doch Angst, durch die neue Mitbewohnerin ins Hintertreffen zu geraten. Aber erst einmal ist Laurel keine Konkurrenz für sie.

Tief in Gedanken über ihre Einsamkeit marschiert Ginny aus einem Laden ohne zu bemerken, dass sie noch etwas in der Hand hält. Ausgerechnet Finn erwischt sie dabei und will keine Gnade walten lassen, auch nicht, als Ginny völlig verzweifelt in Tränen ausbricht und selbst die Ladenbesitzerin keine Konsequenzen ziehen möchte. Aufgerüttelt durch dieses Erlebnis bemerkt Ginny, dass es Zeit wird, ihr Leben zu ändern. Ein erster Schritt wäre doch schon einmal eine neue Arbeitsstelle. Als sie eines Tages mit Carla in einem einfach zauberhaften Restaurant isst, wird gerade eine Kellnerin gesucht. Für Ginny ein Traumjob, dumm nur, dass das Restaurant und der angrenzende Antiquitätenladen ausgerechnet Finn gehören, der sie immer noch für eine Kriminelle hält. Wenn er doch wenigstens nicht auch noch so hinreißend aussehen würde.

Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf, Ginny fängt dort an zu arbeiten und ist hingerissen von Finn, obwohl sie doch eigentlich in Perry verliebt ist. Jems Affäre fliegt mit ungeahnten Folgen auf und Carla und Perry begegnen sich. Und auch Finn hat seine eigene, ganz private Tragödie zu verarbeiten. Jill Mansell hat hier eine unglaubliche Situationskomik erschaffen, ohne in den Klamauk abzurutschen. Wirken anfangs ihre Charaktere noch stark überzeichnet, so mausern sie sich nach und nach zu liebenswerten, glaubwürdigen und vor allem tiefgründigen Personen, die jede ihre eigenen Krisen überwinden müssen und gestärkt aus ihren Katastrophen hervorgehen. Mansell hat einen einzigartigen Stil, der auf hohem Niveau mit Wortwitz, Situationskomik und erschütternden Ereignissen spielt. Ausgewogenheit herrscht zwischen Lachen und Weinen, Finns trockener Humor ist einfach köstlich und Ginny trifft so manches amüsante Fettnäpfchen. Ein bisschen übertrieben ist es vielleicht, dass Mutter und Tochter das gleiche Beziehungsdrama durchleben, ihr Verständnis füreinander ist dann aber auch umso größer. Ihre Probleme sind realistisch und nachvollziehbar, es könnte jeden treffen. Genauso sind aber auch ihre Lösungen: manchmal nicht durchdacht, aber dann doch überraschend überzeugend.

Nicht so schön allerdings ist die Behandlung der Studenten untereinander, die auf diejenigen herabblicken, die noch Zuhause wohnen. Lucy und Jem sind gerade mal 19 Jahre alt und Erstsemester, im ganzen Buch wird viel Wert auf Selbstständigkeit und Abnabelung vom Elternhaus gelegt. Das ist viel zu übertrieben, denn welche gerade mal Volljährigen können sich ein eigenes Zimmer oder ein Wohnung leisten? Es sollte wirklich nicht in einem Buch als Charakterschwäche ausgelegt werden, wenn man - aus welchen Gründen auch immer - noch zuhause wohnen bleibt. Aber David, der Student, um den es hauptsächlich geht, schlägt sich bewundernswert und verteidigt selbstsicher seinen Standpunkt. Er ist in vielem ein Vorbild, allerdings braucht es seine Zeit, bis auch die anderen das erkennen.


Fazit

Jill Mansell hat hier ein wirklich witziges und mitreißendes Buch geschrieben. Ironisch, locker und doch nachdenklich der Schreibstil, die Charaktere liebenswert, manchmal übertrieben, aber immer glaubwürdig. Ein wunderbares Lesevergnügen, genau das Richtige zum Hineinversinken und Vergessen der Welt um sich herum. Am Ende kann man einfach nur laut herauslachen, hier läuft Mansell zur absoluten Höchstform auf.


Pro und Contra

+ tiefgründige Charaktere
+ Situationskomik
+ flüssig und witzig geschrieben
+ realistische Probleme
+ interessante Ereignisse

- anfangs einige Längen
- Charaktere am Anfang zu überzeichnet

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5