Julian Comstock (Robert Charles Wilson)

Heyne (deutsche Erstausgabe, August 2009)
Originaltitel: Julian Comstock
Aus dem Amerikanischen von P.H. Linckens, Marianne Linckens
Taschenbuch, Broschur, 672 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
€ 8,95 [D] | € 9,20 [A] | CHF 16,90
ISBN: 978-3-453-52566-5

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Was wäre, wenn in den USA ein neuer Bürgerkrieg ausbricht ...

Infolge einer Wirtschaftskrise greift eine religiöse Clique nach der Macht in Washington – mit verheerenden Konsequenzen: Das Land versinkt in einem Bürgerkrieg, der auf frappierende Weise an den letzten erinnert. Und inmitten der Wirren dieses Krieges findet sich Julian Comstock wieder, Held wider Willen und möglicher Schlüssel für eine neue Art der Zivilisation …


Rezension

Nach dem Ende des Erdöls versinkt die Erde in Bürgerkriegen und die Weltordnung des 22. Jahrhunderts ist radikal verändert: Die Menschheit ist auf das Niveau des 19. Jahrhunderts zurückgefallen. In Amerika regiert nun die „Kirche des Dominion“ mit eiserner Hand und verteufelt die Zeit der „Großen Drangsal”. Bücher und Wissen sind streng reglementiert und ein Feudalwesen mit Leibeigenschaft hat wieder Einzug in die Gesellschaft gefunden. Während eines langen Bürgerkriegs haben die zentraleuropäischen Staaten sich im Norden Amerikas festgesetzt und seit Jahren tobt ein erbitterter Krieg.
Julian Comstock ist der jugendliche Neffe des amtierenden Präsidenten (der allerdings ein Monarch ist). Sein Vater wurde - von seinem Onkel initiiert - wegen Ketzerei zum Tode verurteilt und der Junge weiß, dass der Führer des Landes auch ihm als Konkurrenten um den Thron nichts Gutes wünscht. Armeeeinheiten dringen in die Heimatstadt ein und Julian Comstock findet sich zusammen mit seinem Freund Adam Hazzard und seinem Vormund in der Armee als Rekrut wieder. Bald geht es nach Norden an die Front, wo Präsident Deklan Comstock ganze Kompanien junger Rekruten in einem sinnlosen Krieg verheizt.

Man möchte annehmen, Julian Comstock sei die zentrale Figur des Romans, doch es ist Adam Hazzard, der als Erzähler diese Funktion einnimmt. Der Roman stellt zwar eine Art Biographie Julian Comstocks dar, aber Adam kommt nicht umhin, immer wieder seine eigene Geschichte zu erzählen, und er ist auch der Protagonist, mit dem sich der Leser im Gegensatz zu seinem kühlen Freund identifiziert.
Julian Comstock ist ein gut erzählter Roman, der den Leser von Beginn an fesselt. Wilsons Vision einer Welt nach dem Erdöl ist durchaus interessant, muss aber auch kritisiert werden. Wieder einmal liegt der Fokus auf Amerika und der Autor lässt die Chance ungenutzt, seine Geschichte um weitere Facetten zu bereichern. Alles, was man erfährt, klingt nur indirekt aus dem Krieg mit den Mitteleuropäern heraus. Es ist auch nicht ganz nachzuvollziehen, warum sich Amerika fast vollständig in das Land des 19. Jahrhunderts mit Eisenbahnen und einer Cowboy-Mentalität zurückentwickeln sollte. Will das Buch etwas als Parodie des heutigen Amerikas verstanden werden? Ist dies ein später Seitenhieb gegen die Bush-Administration? Schon möglich, jedoch macht dies das Buch für einen Europäer nicht unbedingt interessanter.
Im letzten Drittel verliert der Roman dann deutlich an Fahrt. Die Geschichte wirkt mehr und mehr uninspiriert, obwohl noch immer sehr gut erzählt, und zum Ende hin beweist der Autor ein ungeschicktes Händchen mit dem Schicksal Julian Comstocks. Der Roman baute allein schon durch seine Struktur (es ist ja offensichtlich, dass er Großes vollbracht haben musste, denn sonst hätte Adam Hazzard ja nicht das Buch geschrieben) eine enorme Spannung hinsichtlich des Endes auf und der Leser kann ob dieses 08/15-Schlusses nicht anders, als enttäuscht zu sein. Dies ist einer von jenen Romanen, bei denen der Schluss die Gesamtgeschichte abwertet und den Roman auf ein Durchschnittsniveau herunterzieht. Schade.

6 von 10 Punkten.


Diese Rezension stammt von Rupert Schwarz - mehr Rezensionen von ihm findet ihr bei fictionfantasy!