Martin Schindler von Mantus / Sepia / Black Heaven (09.10.2008)

 Interview mit Martin Schindler

 Literatopia: Hallo Martin – stell Dich und die Bands „Mantus“ und „Sepia“ doch kurz unseren Lesern vor: Wer bist Du? In welchem Genre ist eure Musik anzusiedeln? Was unterscheidet Sepia von Mantus?

SepiaMartin Schindler: Hauptsächlich mache ich drei unterschiedliche Musikprojekte, bei denen ich das Songwriting und die komplette Produktion selbst übernehme. Das sind MANTUS, ein sehr melancholisches und stark auf die Texte ausgerichtetes Projekt, welches musikalisch von rockigen bis zu sehr ruhigen Songs reicht. Dann gibt es SEPIA, welches etwas härter und auch metallischer, aber trotzdem nachdenklich daherkommt. Und außerdem mache ich BLACK HEAVEN welches überwiegend auf elektronische Sounds und Strukturen ausgerichtet ist. Das neue Album von BLACK HEAVEN mit dem Titel „negativ“ ist übrigens erst kürzlich erschienen. Die Projekte haben gemeinsam, dass sie generell dem Gothic Genre zuzuordnen sind, obwohl sich natürlich auch viele andere Einflüsse in der Musik wieder finden. Die Lyrics sind überwiegend in deutscher Sprache, oft sehr düster und schonungslos, oft aber auch romantisch und ein wenig weltfremd. 

Literatopia: Wie hoch schätzt Du die Wichtigkeit von Liedtexten ein? Sind sie eher Untermalung der Musik oder gar das tragende Element? Oder ist beides gleich wichtig? 

Martin Schindler: Wenn man in der Zeit weiter zurückgeht, stellt man fest, dass der Text, verbunden mit der Melodie, ein Lied ausmachen. Grundsätzlich halte ich mich an dieses Verständnis und schreibe meine Songs auch dementsprechend. Mittlerweile hat sich aber auch vieles verändert, alleine schon durch die Vielzahl von unterschiedlicher Musik, von unterschiedlichen Ideen und letztlich auch durch die Musikszenen, die etwas Bestimmtes verkörpern wollen. Ich denke, die Musik, die Instrumentierung und die Umsetzung haben heutzutage sehr stark an Bedeutung dazugewonnen. 

Literatopia: Eure Liedtexte lassen sich auch sehr gut ohne begleitende Musik lesen und klingen wunderbar lyrisch. Wo siehst Du Verbindungen zwischen (eurer) Musik und Literatur?   

Martin Schindler: Ich verstehe meine Musik als eine Symbiose aus Musik und Lyrik. Bei den Texten geht es mir in erster Linie um den Inhalt, dann um die Form und schließlich wie sich die Texte mit der Musik verbinden. Die Worte, die ich wähle, sollen etwas bedeuten und etwas aussagen, und zusätzlich eine Ästhetik ausstrahlen, die der Musik gerecht wird. Deshalb sind meine Texte oft wie Gedichte, die man auch ohne die entsprechende Musik lesen und verstehen kann. Mit MANTUS habe ich damals angefangen Musik zu machen und da stand für mich eine romantische Ausdrucksweise bei Musik und Text extrem im Vordergrund und das hat mich auch im Nachhinein sehr geprägt, bestimmte Formen einzuhalten. Mit MANTUS habe ich auch Gedichte von beispielsweise Georg Trakl oder Eichendorff vertont und das zeigt ganz deutlich die Verbindung auf, welche meine Musik zur Literatur haben kann. Im Übrigen ist es mir aber sehr wichtig, dass Songtexte von mir auch als solches verstanden werden, denn wenn ich Gedichte schreibe, fallen diese dann doch noch etwas anders aus und sind auch von anderer Form und Ästhetik.  

Literatopia: Wie bist Du darauf gekommen, gerade Trakl und Eichendorff zu vertonen? Welche Gedichte waren das? Liest Du gerne klassische Literatur / klassische Gedichte? 

Martin Schindler: Georg Trakl ist für mich ein begnadeter Lyriker, der in Ausdruck und Stil einfach gewaltige Stimmungen erzeugen kann. Er hat sehr viele Gedichte geschrieben, die sich für eine Vertonung eignen würden und ich habe einfach eines meiner Lieblingsgedichte gewählt, nämlich „Romanze zur Nacht“, auch deshalb, weil es sehr gut in den MANTUS Kontext passte. Von Eichendorff habe ich mir eine Dichtung aus „Das Mamorbild“ rausgesucht und es „Der Himmel ist offen“ genannt. Ich mag die klassische Literatur und ich wechsele häufig zwischen ganz neuen Werken und Klassikern, die man einfach gelesen haben muss. Ich finde, Gedichtbände kann man nicht wirklich lesen, sondern man muss in der Stimmung dazu sein und dann liest man sich einige durch und denkt darüber nach. Für mich sind Gedichte oft auch Inspiration für eigene Sachen, weil in Gedichten Sprache und Inhalt auf das wesentlichste komprimiert sind. In letzter Zeit habe ich wieder vermehrt moderne Romane gelesen, z.B. von „Mathias Faldbakken“ und „Chuck Palahniuk“. 

Literatopia: Hast Du in Deiner Jugend schon Gedichte geschrieben? War die Musik dazu von Anfang an dabei oder gar vorher schon da?   

Black HeavenMartin Schindler: Ich habe schon in meiner Jugend angefangen zu schreiben, überwiegend Gedichte oder Prosa in lyrischer Form. Mit 14 oder so habe ich angefangen, Gitarre zu spielen und ich habe auch erste Songs geschrieben. Wichtig war mir immer schon die Aussage und die Atmosphäre, die ich rüberbringen wollte und nicht ob ich ein begnadeter Musiker bin. Zirka bis zum Jahr 1998 wollte ich immer was in Richtung Literatur machen und habe mich selbst auch als Schriftsteller und als Dichter gesehen. Die Musik habe ich parallel dazu gemacht, aber eben nicht professionell und habe auch gar nicht in diesen Dimensionen gedacht. Vieles ist dann einfach so gekommen, weil die Plattenfirmen, denen ich meine Demos zuschickte, von Anfang an sehr angetan davon waren und ich bekam sofort die Möglichkeit, ein erstes Album zu veröffentlichen. Und damit hat sich dann bei mir einiges geändert und ich habe die Musik zu meiner Hauptberufung gemacht.  

Literatopia: Was kommt bei Dir in der Regel zuerst: Die Musik selbst oder der Text dazu? Wie spielt beides zusammen? Entwickeln sie sich parallel oder baut eines auf dem anderen auf? 

Martin Schindler: Aktuell ist es so, dass erst die Musik entsteht, bzw. Songstrukturen und erste Melodien und gleichzeitig entwickelt sich eine bestimmte Atmosphäre und ich habe erste Textideen im Kopf, die sich dann nach und nach konkretisieren. Ich experimentiere gerne und viel mit neuen Songideen herum, deshalb setze ich textlich erst an, wenn ich denke, dass ich musikalisch auf einem richtigen Weg bin.Zu den MANTUS Anfangszeiten war es noch anders, weil ich teilweise reine Gedichtvertonungen gemacht habe und zwangläufig war die Sache dann andersherum.  

Literatopia: Bei „Licht der Nacht“, „Keine Worte“ und vielen anderen Liedern reimen sich die Verse, was man bei Liedtexten heutzutage eher selten findet. Welche Schwierigkeiten bieten sich dabei in Hinblick auf die musikalische Umsetzung?  

Martin Schindler: Ich denke, man sollte nie den Fehler machen, sich selbst in irgendeiner Weise einzuschränken, deshalb machen es viele Musiker so, dass sie sich beim Texte schreiben sehr viel Freiheit geben. Bei mir ist es einfach der Stil, der sich durchsetzt und ich fühle mich dabei wohl, weil es eben meine ganz eigene Art ist, Songtexte zu schreiben, und im gleichen Zug setze ich mich damit wieder von vielen anderen ab. Ich unterwerfe mich oft freiwillig der Form von gleichmäßigen Strophen oder gleicher Anzahl von Silben pro Textzeile, denn das gibt mir ein Gefühl von Vollendung und die Zeilen werden für mich bedeutsamer und kunstvoller. Natürlich ist es schwieriger als frei drauflos zu schreiben, aber ein gewisser Anspruch in der eigenen Musik ist mir sehr wichtig. 

Literatopia: Mit eurer Musik beleuchtet Ihr eher die dunklen Seiten des Lebens. Was reizt Dich persönlich daran?  

Martin Schindler: Naja, es ist nicht unbedingt der Reiz, der eine Sache ausmachen muss, denn ich möchte nicht künstlerisch etwas verkörpern, was meiner Natur gar nicht entspräche. Es ist ein Bedürfnis, das von Innen kommt und mit aller Macht nach außen dringt. Die Musik ist ein Spiegel meiner Seele und meines Gefühlslebens, wie beispielsweise auch die Kleidung, die ich trage oder die Art und Weise, wie ich mich gebe. Ich kann in traurigen Dingen Schönheit erkennen und ich suche stets ein Gefühl von Erhabenheit. Das Dunkle in der Musik vermittelt Tiefe und macht sie bedeutsam, weil beim Hörer Gefühlswelten angesprochen werden, die nicht alltäglich sind und die doch jeder nur allzu gut kennt.     

Literatopia: Denkst Du, dass sich düstere, melancholische Texte „leichter schreiben“, als heitere? 

Martin Schindler: Ich denke das in jedem Fall, aber vielleicht auch deshalb, weil ich charakterlich einfach so veranlagt bin. Allerdings fällt es mir auch leicht, über die Liebe zu schreiben, die ja etwas sehr schönes ist.  

Literatopia: Was hältst Du von Begriffen wie „Neue Deutsche Todeskunst“? 

Martin Schindler: Tja, eigentlich gar nichts, weil Begrifflichkeiten immer einschränken. Aber es liegt in der Natur des Menschen zu kategorisieren, deshalb finde ich es auch nicht weiter schlimm. Für Künstler oder Musiker können solche Begriffe aber schnell beleidigend wirken.  

Literatopia: Wo und wann schreibst Du Deine Texte? Bevorzugst Du einen bestimmten Ort oder eine Tageszeit?  

Martin Schindler: Auch das hat sich über die Jahre verändert. Momentan schreibe und musiziere ich überwiegend abends und das in der Regel alleine in meinem kleinen Studio, weil ich dort einfach alle Möglichkeiten habe, die ich brauche.   

Literatopia: Hast Du schon einmal eine Geschichte geschrieben oder Dich sogar an einem Roman versucht? Oder ist die Bindung mit der Musik so stark, dass Texte gar nicht mehr ohne gehen?  

Martin Schindler: Ich habe schon immer geschrieben und mache das auch nach wie vor regelmäßig, auch wenn manchmal die Musik im Vordergrund steht. Überwiegend schreibe ich Gedichte und vielleicht werde ich auch irgendwann einmal meinen zweiten Gedichtband veröffentlichen. Der erste Band „Sehnsucht schweigt“ wurde 2004 veröffentlicht und war in relativ kurzer Zeit ausverkauft. Geschichten und auch Romane habe ich vor einigen Jahren geschrieben, sie aber nie veröffentlicht. Und aktuell haben mich philosophische Schriften und Gedanken wieder sehr eingenommen, aber ich denke, das braucht noch eine lange Zeit, bis es sich zu etwas Geschlossenem formen könnte.   

Literatopia: Zu guter Letzt: Was erwartet uns in naher Zukunft von Sepia? Und da es eine neue Mantus Homepage gibt – wird es auch von dieser Band Neues geben?  

Martin Schindler: Momentan will ich noch nicht so viel über Zukünftiges verraten, aber ich kann versprechen, dass schon in naher Zukunft etwas Neues und sehr Interessantes kommen wird… :) 

Vielen Dank für das Interview. 

Literatopia: Wir haben zu danken!


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.