Oswald Henke (16.10.2008)

Interview mit Oswald Henke

Literatopia: Hallo Oswald! Man kennt Dich vor allem von Deiner Band Goethes Erben, seit 2003 auch von Büchern. Doch wer steckt hinter der Musik und den Worten?

Oswald Henke: Ein Mensch, der sein Leben lebt, erlebt, fühlt und denkt.

Literatopia: Erzähl uns etwas über „Ich habe mir die Liebe abgewöhnt und bin doch weiter süchtig“ – was erwartet den geneigten Leser? Dreht sich das Buch rein um die Liebe oder werden auch andere Themen behandelt?

Oswald Henke: Liebe als Begriff ist schon sehr frei definierbar und umschließt allerlei Facetten des Lebens. Ich denke das Buch handelt schlicht und ergreifend vom Leben an sich. Mit seinen lichten Momenten, aber auch seinen diversen Schattenspielen. Die Gedichte werden überdies ergänzt von Kolumnen, die zum Teil noch im Orkus abgedruckt wurden andere wiederum sind bislang unveröffentlicht. Hier offenbare ich sehr direkt meine Sicht der Dinge, sicherlich polarisierend, aber immerhin konkret. Aber es fällt mir allgemein schwer über Texte zu reden die ich geschrieben habe. Ich habe sie nicht umsonst aufgeschrieben. Es sind eben meine Gedanken, Dinge die mich beschäftigen, die mich dazu bewogen haben, sie aufzuschreiben. Es ist eine Art kreative Auseinandersetzung mit meinem Leben und wie mein Umfeld auf mich wirkt. Interpretieren darf das dann gerne der Leser, denn für mich ist es wichtig das der Leser oder Hörer bzw. Beobachter bei Konzerten oder Lesungen etwas für sich persönlich mitnimmt vielleicht sogar für sich etwas gewinnt, sei es ein Gedankenanstoß oder das Gefühl mit seinen eigenen Gedanken nicht allein zu sein.

Literatopia: Deine beiden Bücher »FSK 18 – tendenziell menschenverachtend« (2003) und »Spaziergang durch ein Minenfeld« (2004) sind leider vergriffen. Sind eventuell Neuauflagen geplant oder betrachtest Du diese Kapitel als abgeschlossen?

Oswald Henke: "FSK 18 - tendenziell menschenverachtend" wird auf dem Culex Verlag wiederveröffentlicht. "Spaziergang durch ein Minenfeld" vorerst nicht und dieses Buch wird wohl auch nicht wiederveröffentlicht werden, da es sehr aufwendig und teuer im Druck ist.

Literatopia: Wie bist Du zur Musik und zum Schreiben kommen?

Oswald Henke: Ich habe einfach irgendwann angefangen das aufzuschreiben was mich beschäftigt, bzw. im Alltag belastet oder erheitert bzw. stört. Die ersten Texte habe ich zu einem Zeitpunkt geschrieben ohne daran zu denken sie jemals anderen Menschen zugänglich zu machen geschweige denn sie zu vertonen oder zu veröffentlichen. Das hat sich im Laufe der Zeit einfach so ergeben, das Leben wird oftmals bestimmt von Zufällen und aus solch einem Zufall entwickelte sich eben Goethes Erben. Ich scheine einfach ein tiefes Bedürfnis zu haben mich mitzuteilen und ich weiß, das es einige Menschen gibt, denen das inzwischen etwas bedeutet. Aus diesem Grund trete ich auch öffentlich mit Lesungen oder mit Konzerten u.a. mit fetisch:Mensch auf.Das Kapitel Goethes Erben bleibt vorerst geschlossen, aber ich werde 2009 mit einer neuen Band unter dem Namen HENKE ein paar Festivals spielen. Wie, wann und wo ist aber noch nicht sicher. Dort werde ich einen Streifzug durch alle meine bisherigen musikalischen Aktivitäten anbieten. Sprich Lieder von Goethes Erben, Artwork oder Erblast. Allerdings eben mit neuen Musikern, Mindy Kumbalek, der zweite Part von Goethes Erben wird vorerst nicht mehr auf einer Bühne zu sehen sein und da Goethes Erben weiterhin existieren wird dieses Live-Projekt eben unter meinem eigenen Namen stattfinden, HENKE. Die Tür für Goethes Erben bleibt somit offen.

Literatopia: Wie spielen die Entstehung Deiner Texte und die der Melodien zusammen? Was ist dabei zuerst da? Inwiefern bauen Deine Texte auf der Musik auf und umgekehrt?

Oswald Henke: Das ist ganz unterschiedlich. In den meißten Fällen entsteht zuerst ein Text aber es gibt auch manchmal den Prozess, dass mich eine Melodie inspiriert einen bestimmten Text auf eine ganz spezielle Weise zu formulieren oder umzuformulieren.Viele Texte von fetisch:Mensch sind im aktuellen Buch "Ich habe mir die Liebe..." in Gedichtform enthalten.

Literatopia: Lyrik schreiben und lesen hängt eng zusammen und doch sind es zwei verschiedene Dinge. Wie sieht es bei Dir aus? Hast Du Gedichtbände daheim im Regal stehen, in die Du Dich gerne vertiefst? Eher moderne Lyrik oder vor allem Klassiker, gar beides gleichermaßen?

Oswald Henke: Ich habe sehr wenig Zeit und lese kaum Bücher. Das klingt jetzt vielleicht irritierend aber ich bin eher ein optischer und akustischer Mensch, ich liebe Kinofilme und sammle DVD´s, höre sehr viel Musik, egal ob auf Konzerten oder auf CD´s.Es liegt vielleicht auch daran, dass ich der Meinung bin, dass man manche Dinge, die inhaltlich schwer sind auch auf unterhaltsame Art und Weise leichter vermitteln kann.Musik kann hier als Träger fungieren und bei Konzerten und Lesungen ist der Hörende bzw. Sehende nicht allein. Ich lese in erster Linie um mich zu informieren, weniger um mich zu unterhalten. Da möchte ich gerne auch andere Reize verinnerlichen, Musik, Filme, Konzerte, Theater...

Literatopia: Auf Deiner Homepage steht, dass Du Deine Zuhörer auf Lesungen mit kleinen Ideen überraschst. Hast Du ein Beispiel parat? Wie gerne hältst Du Lesungen?

Oswald Henke: Ich stehe sehr gerne auf der Bühne. Was bei der Lesereise passieren wird, nun das ist nur für jene bestimmt die auch anwesend sein werden. Für alle anderen ist es unwichtig zu wissen was passiert bzw. passieren wird. Aber eins verspreche ich, ich sitze garantiert nicht den ganzen Abend hinter einem Tisch und lese vor.

Literatopia: Wo siehst Du Gemeinsamkeiten mit Konzerten mit Goethes Erben, wo Unterschiede? Welche Vorzüge hat eine Lesung, welche ein Konzert?

Oswald Henke: Bei einer Lesung ist der Aufwand geringer, keine Musiker, keine Techniker, das senkt die Kosten für mich und für die Veranstalter. Man kann beides nicht vergleichen. Ein Konzert hat andere Reize als eine Lesung, wobei meine Lesungen sehr unterhaltsam gestaltet sind, ich interagiere mit dem Publikum, es gibt Geschenke für einige wenige Auserwählte und ich spiele gerne. Es ist deutlich humorvoller und es ist nur Wort, keine Musik!

Literatopia: Erzähl uns etwas über Dein Theaterstück „Zeitenwände“. Wie sah die Zusammenarbeit mit Markus Förster aus? Wo liegt Deiner Ansicht nach die Herausforderung eines Theaterstücks (Aufführung und Schreiben)?

Oswald Henke: Auch hier sage ich nur, es wurde für jene aufgeführt, die dort waren. Für alle anderen ist das Thema uninteressant. Bei einem Theaterstück ist nicht der Text allein das wichtigste, es geht darum die Darsteller zu inszenieren und zu führen und den Text auch interpretierbar umzusetzen. Die Zusammenarbeit mit Markus Förster hat sehr viel Spaß gemacht und ich denke irgendwann, irgendwo werden wir wieder ein gemeinsames Projekt umsetzen. Bei Zeitenwände gab es eine klare Aufgabenverteilung, wir haben das Stück gemeinsam geschrieben. Je ein Drittel der Texte haben Markus und ich getrennt geschrieben, und ein Drittel gemeinsam. Er hat sich um die Produktion und Koordination gekümmert, ich habe inszeniert und musste mich erstmals bei einem Projekt nicht um die Finanzierung kümmern. Noch hatte ich etwas mit der Organisation zu tun. Das war für mich ein schönes Arbeiten, denn Markus hatte eindeutig den nervigeren Part zu erledigen. Ich bin inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem ich mich nicht mehr auf finanzielle Risikounternehmen im Bereich Kreativität einlasse, aus diesem Grund veröffentliche ich keine Tonträger mehr, Schattendenken wird es nicht als DVD Veröffentlichung geben und meine Bücher veröffentlicht ein Verlag und nicht ich selbst.

Literatopia: Inwiefern hat Dein Leben Deine literarische (und musikalische) Arbeit beeinflusst? Wie viel von Dir steckt darin? Und wie sieht es mit Schicksalen und Erfahrungen anderer (Bekanntenkreis z.B.) aus? Verarbeitest Du die genauso?

Oswald Henke: Wer die Texte liest wird feststellen, dass ich sehr viel Erlebtes in meinen Texten und meiner Musik verarbeite. Ich schreibe nur über Dinge die mich Berühren oder die mich beschäftigen. Ich habe keinerlei Verpflichtung Musik aufzunehmen oder Texte zu schreiben, da ich keine Verträge habe, die ich erfüllen muss. Ich bin in kreativer Hinsicht ungebunden und somit frei und diese Freiheit werde ich mir auch nicht mehr nehmen lassen.

Literatopia: Im Verlauf Deines Schaffens spürt man irgendwie einen Wandel im Grundton. Es wird zunehmend mehr der Aspekt "Hoffnung, Träumen …“ eingebaut. Basiert dieser Wandel auf Veränderungen in Deinem Leben oder war für Dich immer klar, Gegensätze wie Licht und Schatten in Deinem Gesamtkunstwerk zu vereinen?

Oswald Henke: Ja, denn ich halte Hoffnung für etwas Wichtiges im Leben eines Menschen. Denn man muss im Leben einen Sinn sehen, um auch wirklich leben zu können. Man sollte versuchen, die schönen Dinge des Lebens in Erinnerung zu behalten, um dunkle Passagen besser überstehen zu können. Das war eine Einsicht, die ich aus meinem bisherigen Leben geschlossen habe. "Denn nur lebend lohnt es sich zu leben und zu sterben." Ich kann Menschen nicht ausstehen, die immer nur jammern und das oft auf hohem Niveau. Zum Leben gehört es leider auch dazu, dass man mit Tod, Krankheit, Verletzungen jeglicher Art, egal ob emotional oder körperlich konfrontiert wird. Wichtig ist sein Leben zu leben, sein Glück zu finden und vielleicht auch diesen Lebensweg mit anderen zu teilen.Jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden, ob er diesen Weg gehen möchte, aber ich halte es für wichtig, aktiv zu leben und auch sein Leben zu gestalten und nicht nur fremdbestimmt abzuleben, bzw. wegzuleben. Wir haben nur ein Leben und das sollte einem so wichtig sein das man es auch erleben möchte, Tag für Tag und Atemzug um Atemzug. Auch wenn es oft weh tut und man viele Dinge nicht mag, manchmal auch hasst. Wichtig ist zu beweisen: Ich lebe und ich habe eine eigene Meinung und die sollte man im Idealfall auch publizieren. Schweigen wird nie etwas verändern, sich demokratischen Spielregeln verweigern ebenfalls nicht, denn dann lässt man zu, das andere über einen entscheiden.Wählen hilft, und wenn es auch einfach darum geht im nachhinein  sagen zu können, ich war anderer Meinung. Wer nicht wählt hat auch kein recht sich aufzuregen was in diesem Land schief läuft. Ich denke die Zukunft wird turbulent und hässlich, ich lehne Terror in jeglicher Form ab. Aber dieser Staat und diese Gesellschaft sollte in ihrer Dekadenz aufpassen das nicht eine neue Generation von Rebellen heranwächst, die vielleicht das eine oder andere Fallbeil errichtet und ganz konkret richtet... Gewalt ist sicher kein Mittel etwas zu verändern, aber ich fürchte es kann der Anfang von Veränderungen sein, wenn nicht bald wieder etwas mehr Fairness in unseren  Alltag zurückkehrt. Politiker, Banker und Wirtschafstbosse aber auch Gewerkschaftsfunktionäre sollten sich ernsthaft Gedanken machen wie es weitergehen soll. Eines ist sicher so wie wir gelebt haben kann es kaum weitergehen. In Europa und Amerika leben wir auf Kosten von Menschen in Asien, Naher Osten oder Afrika. In diesen Regionen würde es keinem Einfallen ein Anrecht auf Mobilität auszurufen. Ich finde Fliegen muss deutlich teurer werden. Man muss nicht jedes Jahr irgendwohin fliegen  um dort seinen "all inklusive" Urlaub zu verbringen. Aber es muss das Recht eines jeden bleiben sich frei zu bewegen.Was hilft z.B. Sicherheit wenn man inzwischen überall unter Beobachtung steht. Straftaten werden so zwar manchmal schneller und leichter aufgeklärt, aber es verhindert nicht, dass sie geschehen. Ich bin der Meinung, zum Leben gehört auch ein gewisses Risiko, das liegt in der Natur der Sache. Absolute Sicherheit gibt es nie, auch nicht in einem Polizeistaat. Zum Thema Sicherheit, U-Bahnschläger wurden durch Überwachungskameras schneller überführt, das stimmt, aber Terroristen würden solche Bilder sicherlich als Promotion verstehen, denn die Bilder wurden immer erst ausgewertet als die Straftaten geschehen sind. Terroristen der heutigen Generation haben mit ihrem Leben abgeschlossen, es geht ihnen nur noch um die Umsetzung ihrer Pläne, ob sie danach tot sind oder gefangen werden ist ihnen egal, also wer glaubt das eine Überwachungskamera einen Anschlag vorbeugen könnte? Ich denke, das glaubt weder die Polizei noch die Politik, aber mit der Angst vor Terror haben wir uns von diesen Sicherheitsfanatikern in unserer Privatsphäre beschneiden lassen. Die Politik sollte lieber überleben wieso Menschen Terroristen werden. Ich denke hier fehlt aber auch einfach die Bereitschaft sich wirklich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen.  

Literatopia: Hast Du schon einmal in ein Schreiberforum reingelesen? Interessieren Dich grundsätzlich Gedichte und Geschichten von (meist jungen) Menschen, die kaum jemand  kennt?

Oswald Henke: Nein, habe ich nicht, da ich keine Zeit habe mich mit Foren auseinanderzusetzen.Aber ich lese ab und zu Gedichte, die ich von Fans zugeschickt bekomme und das sind in der Regel jene jungen Menschen von denen Du sprichst.

Literatopia: Und zu guter Letzt: Was erwartet uns in naher Zukunft von Dir?

Oswald Henke: Nächstes Jahr Konzerte mit fetisch:Mensch und wenige Festivalauftritte mit HENKE und somit ein Wiederhören mit Goethes Erben, Erblast und Artwork Stücken.Ob es weitere Lesungen geben wird, hängt von den Besucherzahlen der kommenden Veranstaltungen ab.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview!

 

 


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.