Spiegelzwillinge (Sean Williams)

Otherworld (August 2009)
Taschenbuch, Seiten: 575
Preis 15,95€
ISBN: 978-3800095070

Genre: Fantasy


Klappentext

Die Zwillingsbrüder Seth und Hadrian Castillo befinden sich auf Urlaub in Europa, als Seth Opfer eines Mordanschlags wird. Doch Seth ist nur in einer Realität gestorben, in einer anderen Welt beginnt sein Leben erst. Die Zwillinge werden Teil eines mystischen Abenteuers zwischen den Welten.


Rezension

Seth und Hadrian sehen wie normale eineiige Zwillinge aus und haben eine besondere Verbindung zu ihrem Ebenbild. Doch es gibt einen großen Unterschied, denn sie sind Spiegelzwillinge. Identisch, aber was sich bei einem rechts befindet, befindet sich beim anderen links. Das gilt auch für die inneren Organe. Die Hassliebe, die sie gegenseitig für sich empfinden, eskaliert in einem Streit um eine Frau. Als Seth davonrennt, steht plötzlich ein Mann vor ihm, der sie schon lange verfolgt. Er sagt etwas auf schwedisch und rammt ihm ein Messer in die Brust. Als Hadrian ihn erreicht, ist es zu spät. Er wird ebenfalls angegriffen und endet bewusstlos auf dem Boden. Als Hadrian erwacht, hat sich unsere Welt – das Erste Reich – verändert. Wie nach einer Invasion sind alle Menschen verschwunden und nichts scheint mehr so zu sein, wie es war. Zur selben Zeit findet sich Seth in einer bizarren Welt wieder – im Zweiten Reich – wo die Verstorbenen landen. Sein Aufenthalt im Zweiten und der seines Bruders im Ersten Reich läutet einen Kataklysmus ein, eine Verschmelzung der Reiche. Beide müssen sie eine gefährliche Reise bewältigen, wenn sie ihn aufhalten wollen.

Sean Williams ist ein sehr erfolgreicher Author in Australien. In Deutschland mag man ihm als Leser der Star Wars-Bücher über den Weg gelaufen sein, aber in der Regel wird ihn kaum einer kennen - trotz seiner preisgekrönten Werke. Nun könnte und sollte sich der Bekanntheitsgrad ändern, denn der Otherworld Verlag (Ueberreuter) bringt mit einer „Verspätung“ von sechs Jahren „Spiegelzwillinge – Die Bücher des Kataklysmus Eins“ zu uns, den ersten von vier Bänden. Die Story ist an sich aber abgeschlossen. Vorsichtige Leser, die nur ungern Bücherreihen anfangen, deren Qualität sie nicht abschätzen können, dürfen also einen Blick wagen.
Die Geschichte um die Spiegelzwillinge ist sehr einfallsreich, aber auch komplex. Williams hat ein Universum entwickelt, das unserer Welt im Grunde entspricht (das Erste Reich), nur dass er es mit Gottheiten erweitert. Der Rest orientiert sich an zahlreichen Religionen, die von den Azteken bis zum Christentum reichen. Nach dem Tod im Ersten Reich gelangt der Mensch (andere Wesen nicht zwingend) in das Zweite Reich. Dort haben physikalische Gesetze und Materie keine Bedeutung mehr. Dort ist nur der Wille das Maß für Leben und Sterben. Je größer der Wille, desto mächtiger das Wesen. Und der Wille ist es, der die Magie definiert und möglich macht. Schließlich gibt es das Dritte Reich, das für einen Menschen aber nur schwer greifbar ist und für den Leser auch.
Durch den Kataklysmus drohen das Erste Reich mit dem Zweiten zusammenzuschmelzen und alles Dagewesene auf unbekannte Art und Weise zu verändern. Allein diese unverbrauchte Idee macht das Buch zu einem Leckerbissen.
Ebenso erfrischend sind die Wesen und Orte, die die zwei Protagonisten im Laufe ihrer Reise begegnen. Zum Teil handelt es sich bei den Kreaturen schlicht um geometrische Formen oder optisch anorganische Lebewesen, die mit gängigen Figuren des Herr der Ringe Universums überhaupt nichts zu tun haben. Die Orte wiederum sind surreal und gleichen einem Horrorszenario.
Neben all der Kreativität bleibt ein abgedroschenes Fantasyelement erhalten: Es geht um eine Reise. Eine Reise zu einem bestimmten Ort, auf dessen Weg Gefahren lauern. Es gibt Freunde, die als Gefährten mitreisen, und die, die es nur vorgaukeln zu sein. Immerhin sind die aufkommenden Probleme und Widersacher nicht langweilig.
Ansonsten entschädigt das (vorläufige) Ende.

Ein wichtiges Thema in „Spiegelzwillinge“ ist die Symmetrie. So ist es wohl kein Zufall, dass sich die Ereignisse von Seth und Hadrian ähneln. Sie begegnen jemandem, der weiß, was geschehen muss und sie reisen mit ihm dorthin. Chronologisch gesehen müssen sie auch zur selben Zeit kämpfen oder sich mit einer ähnlichen Problematik auseinandersetzen. Trotz der Ähnlichkeiten wiederholt sich kein Ereignis. Ausschlaggebend sind dafür die unterschiedlichen Charaktere der Brüder. So ist Seth der Starke und Ältere, der Selbstbewusste und Arrogante. Hadrian hingegen hat weniger Vertrauen in sich selbst durch den Schatten seines Bruders und wirkt dadurch wie ein Gegenpol. Und so fallen die Entscheidungen auch anders aus.
Durch die Parallelen der Storyline und ähnliche Gefährtenzusammenstellung kann es passieren, dass man den Überblick verliert, welchem der Brüder man gerade über die Schulter schaut.
Trotz der ähnlichen Figuren in beiden Reichen, gelingt es dem Autor sie weitestgehend so zu gestalten, dass sie unterschiedlich sind in ihrem Wesen. Insgesamt sind sie auch alle detailliert beschrieben und erhalten das korrekte Maß an Tiefe. Nicht selten handelt es sich um Götter oder andere mythologische Gestalten, die einem ab und an über den Weg gelaufen sind.

Das Buch sticht zusätzlich durch die ausführliche und sehr wortgewandte Sprache heraus. Beschreibungen des Ablaufs und der Charaktere sind ausführlich und voller Bilder und Vergleiche. Dennoch kommt nie das Gefühl auf, Williams würde ausschweifen oder unnötig um den heißen Brei herum reden. Jedes Wort scheint wohl bedacht und untermauert die Stimmungen.
Weniger gelungen sind die Beschreibungen des Settings. Zwar bemüht sich der Autor die beeindruckenden Kulissen in Worte zu fassen, oft reicht das aber nicht aus. Teils muss man eben ohne ein präzises Bild im Kopf weiterlesen.
Die angenehme Sprache ist sicher auch dem Übersetzer, Michael Krug, zu verdanken. Sein Vokabular ist umfangreich und sein Gespür für eine schöne Sprache ist ausgeprägt. Fatal für den Lesefluss sind aber die zahlreichen Tippfehler. Hierbei handelt es sich nicht nur um fehlende Buchstaben oder Buchstabendreher, sondern es werden grammatikalisch falsche Konstellationen kreiert oder gar Sätze zusammengeschoben (als hätte man einige Male zu oft die Backspace Taste gedrückt). Bei einem so gelungenen Buch, ist das mehr als ärgerlich, dass so etwas an einem Lektor vorbei geht.


Fazit

"Spiegelzwillinge – Die Bücher des Kataklysmus Eins" ist ein sehr gelungener Auftakt mit einer stark ausgeprägten Individualität. Weitab vom Mainstream weiß der Roman zu überzeugen und wurde zu Unrecht von der Leserschaft kaum wahrgenommen. Geheimtipp!


Pro und Kontra

+ die Geschichte ist durchdacht und überaus individuell
+ Seth und Hadrian sind gelungene Protagonisten
+ eine sehr angenehme und etwas anspruchsvollere Sprache
+ schönes Cover
+ überzeugendes (eigenständiges) Ende

o erster von vier Bänden

- Tippfehler
- Beschreibungen der Umgebung reichen teils nicht aus
- gelegentlich verwirrende Zusammenhänge

Beurteilung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu Die Blutschuld - Die Bücher des Kataklysmus Zwei