Das Taschenbuch in Deutschland wird 60 Jahre alt

Nach dem Krieg waren die Ressourcen knapp und der Bedarf an neuer Literatur groß. Das brachte Ernst Rowohlt auf die Idee, Romane im Rotationsverfahren auf Zeitungspapier zu drucken. Rowohlts Rotations Romane nannte der Verleger die Buchreihe, aus der wenig später das erste moderne Taschenbuch (rororo) entstehen sollte. Heute wird es 60 Jahre alt.

«Rowohlt hatte immer das Ideal, dass ein Buch nicht mehr kosten dürfe, als der Stundenlohn eines deutschen Arbeiters», sagt Uwe Naumann. Er sitzt vor einer großen Regalwand in dem hellen Gebäudekomplex des Verlages in Reinbek bei Hamburg. Bücher von Walter Jens, Joachim Fest und Karl Marx stehen in den Regalfächern. Als ältester Lektor des Verlags hat er nicht nur bekannte Autoren betreut, sondern sich auch eingehend mit der Geschichte des Hauses auseinandergesetzt.

«Bücher für ein Massenpublikum zu drucken, war die Idee des Altverlegers Ernst Rowohlt», sagt er. «Doch die Initialzündung für das moderne Taschenbuch gab sein Sohn: Heinrich Ledig-Rowohlt.» Während einer Reise in die USA sei er auf die dort sehr beliebten «pocket books» gestoßen. Zurück in Deutschland überzeugte er seinen Vater, die großformatigen «Rotations Romane» im kleineren Format herauszugeben und folglich «Taschenbücher» zu nennen.

Am 17. Juni 1950 erschienen die ersten vier Bändchen: Falladas «Kleiner Mann - was nun?», Graham Greenes «Am Abgrund des Lebens», Kiplings «Dschungelbuch» und Tucholskys «Schloß Gripsholm». Mit einem Leinenband zusammengehalten, sahen sie jetzt zwar aus wie kleine Bücher, doch gedruckt wurden sie immer noch im Rotationsverfahren auf Zeitungspapier. So konnten sie zu einem Preis von nur 1,50 Mark im Handel angeboten werden.

Der Verlag werde mit der deutschen Neigung zur «Mumifizierung» der Bücher brechen, sagte Ernst Rowohlt damals und fügte hinzu: «Dem mumifizierten Buch wird in rororo das Verbrauchsbuch gegenübergestellt.» Und so druckte der Verleger sogar Anzeigenseiten in die Bücher. Die Texte nahmen immer Bezug auf die Handlung des Romans.

Mit einer Erstauflage von 50 000 Büchern je Band ging der Verlag in den Druck. Das Publikum war begeistert, und vier Monate später waren bereits mehr als eine halbe Million Taschenbücher verkauft.

Als 1951 das zweimillionste Buch gedruckt wurde, ließen sich die beiden Verleger etwas Besonderes einfallen, erzählt der Sammler Hanno Kreutzkamp. In 50 Exemplaren des Buches «Der Traum Philipps II.» von Edgar Maass habe der Verlag an irgendeiner Stelle des Textes das Wort «König» durch «rororo» ersetzt, sagt er. Den Besitzern dieser Exemplare versprach der Verlag eine «Literarische Lebensrente»: Bis zu ihrem Tod sollte ihnen jedes erscheinende Taschenbuch kostenlos ins Haus geschickt werden.

«Was aus ihnen geworden ist, weiß niemand», sagt Kreutzkamp. Bei einem Brand ist 1970 das komplette Archiv des Verlags zerstört worden. «Sicher ist allerdings, dass die Bücher extrem viel wert sein dürften, sollte jemals wieder eines von ihnen aufgefunden werden.»

Obwohl die rororos von Beginn an Massenware gewesen seien, habe sich mit der Zeit ein Markt für die frühen Ausgaben der Taschenbücher gebildet, sagt Kreutzkamp. «Besonders die ersten 450 Bände - die sogenannten Leinenrücken - sind bei Sammlern begehrt.» Monate habe er gebraucht, um seine Sammlung zu vervollständigen. «Das Besondere an diesen Bänden ist, dass sie noch in Leinen gebunden wurden», sagt er.

1961 ging Rowohlt dazu über, die rororos komplett in Papier zu binden. Das Taschenbuch hatte sich endgültig in Deutschland etabliert. Neben Rowohlt gaben auch andere Verlage wie Fischer in Frankfurt am Main oder Goldmann in München nun Taschenbücher heraus. Zeitgleich taten sich elf Unternehmen zum Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) zusammen.

Heute noch knüpfe der Verlag an die Ideale seiner Gründer an, sagt Naumann. Zurzeit plane man eine Applikation fürs iPad. Bei der Umstellung zum E-Book sei der Rowohlt Verlag bereits vorn mit dabei. Schließlich zitiert man Ernst Rowohlt im Verlag immer noch gern mit den Worten: «Gute Literatur braucht keinen teuren Einband.»


Quelle: yahoo.de