Das letzte Kind (John Hart)



C. Bertelsmann, 1. Auflage April 2010
Originaltitel: The Last Child
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
HC mit SU, 448 Seiten
€ 19,95 [D] | € 20,60 [A] | CHF 34,90
ISBN: 978-3-570-10037-0
Leseprobe

Genre: Psychothriller




Klappentext:

Ausgezeichnet mit dem IAN FLEMING STEEL DAGGER als bester Thriller des Jahres!

Es ist ein Jahr vergangen, seit die 12-jährige Alyssa verschwunden ist. Ihr Zwillingsbruder Johnny hat sich nie einsamer gefühlt. Sein Vater hat die Familie kurz nach dem Verschwinden der Tochter im Stich gelassen, seine Mutter flüchtet sich in eine Beziehung zu einem Mann, den Johnny verachtet.
Der zuständige Detective will den Fall nicht schließen, obwohl seine eigene Familie an dieser Obsession zerbricht. Als ein zweites Mädchen verschwindet, weiß Johnny, dass er die beiden Mädchen finden muss.
Dieser Junge ist ein moderner Huckleberry Finn und ein Detektiv, wie man ihn sich als Thriller-Leser nicht besser wünschen könnte.

Innerer Klappentext:

»Er hatte bald gelernt, dass es keinen sicheren Ort gab, nicht im Garten und nicht auf dem Schulhof, nicht auf der Veranda und nicht auf der stillen Straße am Rand der Stadt. Keinen sicheren Ort, und niemanden, der einen beschützte. Die Kindheit war eine Illusion.«

Detective Hunt wacht wie ein müder Engel über den Rest der Familie, obwohl es ihm nicht gelungen ist, das verschwundene Mädchen zu finden. Seine eigene Familie zerbricht an dieser Obsession.
Johnnys einziger Freund und Verbündeter ist sein Klassenkamerad Jack, und selbst der schwankt zwischen loyaler Unterstützung und der Gewissheit, dass Alyssa nie wieder auftauchen wird.
In dieser Situation fällt für den Jungen ein Beweis dafür vom Himmel, dass er seine Suche nicht aufgeben darf. Ein Radfahrer, der von einer Brücke stürzt, landet fast zu seinen Füßen. Dessen letzte Worte sind, dass er das verschwundene Mädchen gefunden habe. Alyssa ist vielleicht noch am Leben, und dass der Radfahrer von der Brücke stürzte, war kein Unfall …

John Hart bleibt sich treu, er schreibt – wie in seinen ersten beiden preisgekrönten Romanen – von starken Familienbanden und den Rissen in der Fassade einer archaischen Gesellschaft.



Rezension:

Die Dunkelheit ist eine Krebsgeschwulst am menschlichen Herzen.
(Seite 364)


Als seine Schwester vor einem Jahr verschwand und die Polizei es trotz aller Bemühungen nicht schaffte, sie zu finden, brach für Johnny eine Welt zusammen. Alyssa und er waren ein Herz und eine Seele, Zwillingsgeschwister nach dem Märchenbuch, und mit einem Mal wurde diese Vertrautheit auseinandergerissen – unwiederbringlich. Sagt jedenfalls die Polizei, sagt die Statistik, sagt die ganze Stadt. Doch Johnny glaubt nicht daran, dass seine Schwester tot ist. Er will sie um jeden Preis finden und so seine Familie wieder vereinen, die durch das Verschwinden Alyssas an Schuldzuweisungen und Vorwürfen zerbrach. Also begibt er sich auf eigene Faust auf die Suche, bringt sich dabei mehr als einmal in Gefahr und deckt dunkle Geheimnisse auf, die besser im Verborgenen geblieben wären.

Mit dem dreizehnjährigen Johnny lässt John Hart einen besonderen Ermittler auf der Bildfläche auftauchen – noch sehr jung, aber unheimlich gerissen, schlau, mutig und risikobereit. Sich der Gefahr zwar bewusst, seine eigene Sicherheit aber hinten anstellend ist er fest entschlossen, seine Schwester zu finden und zur Familie zurückzubringen, absolut davon überzeugt, dass auch sein Vater den Weg zurückfinden wird und sich so alles zum Guten wenden würde.
Detective Hunt versteht Johnnys fast zwanghaften Drang, die Hoffnung nicht aufzugeben und alles Mögliche zu versuchen, um den Fall auch nach über einem Jahr aufzuklären. Obwohl Statistiken eine andere Sprache sprechen, hat auch er die Hoffnung noch nicht vollständig begraben, das Mädchen lebend zu finden. Johnny wächst ihm im Laufe des Buches immer mehr ans Herz, während sein eigener Sohn sich immer weiter von ihm entfremdet. Beide geben dem Job und dem Fall die Schuld, doch am Ende stellt sich heraus, dass viel mehr dahintersteckt.

Neben Johnny und Hunt spielen auch Jack, Johnnys bester Freund, und Yoakum, Hunts langjähriger Partner, eine tragende Rolle. Weiterhin gibt es Katherine, Johnnys Mutter, und deren Freund, Cross sowie diverse weitere Polizisten und andere Nebencharaktere – Reporter, Mitschüler, Kollegen, in den Fall verwickelte Personen. Und als einer der wichtigsten Charaktere darf Levi Freemantle nicht vergessen werden, der anfangs einen seltsamen Eindruck hinterlässt, im Verlauf des Buches immer wieder Fragen aufwirft und am Ende schließlich den Sinn des Buchtitels erklärt.

In flüssiger Sprache und mit einem angenehmen, aber nicht überanspruchsvollen Spannungsbogen schafft John Hart einen Roman, der viele Gesichter hat und wahrscheinlich bei jedem Lesen noch weitere offenbart. Es macht Spaß, mit Johnny auf Entdeckungsreise zu gehen und den bösen Jungs auf die Schliche zu kommen, auch wenn mancher Moment Gänsehaut und Übelkeit hervorruft. Der Junge kommt den meisten Teil der Geschichte sehr reif und erwachsen beim Leser an, sodass man gerne vergisst, dass es sich hier um einen Jugendlichen handelt, der viel wagt und nur wenig zu gewinnen hat – so scheint es.

Versteckt und doch greifbar presst der Autor den Finger in die Wunde der Gesellschaft, in der viele Dinge untergehen und andere aufgebauscht werden. Das letzte Kind handelt von Verlust, Hoffnung, Freundschaft, Mut und den dunklen Seiten in den Herzen der Menschheit. Schwieriger Stoff wurde hier in leichte Lektüre verpackt, was den Inhalt aber nicht abwertet, sondern leichter in die Köpfe der Leser trägt.



Fazit:

Das letzte Kind ist ein mitreißender Roman, der zwar den Namen "Thriller" nicht hundertprozentig verdient, das Genre der Spannungsliteratur aber auf seine Weise aufwertet und bereichert. Den Leser erwartet hier ein umfassender Spannungsbogen, interessante und vielseitige Charaktere sowie eine Glanzleistung der Aufklärungsarbeit - und ein Ende, wie man es ganz sicher nicht erwartet.



Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5