Verlag: Gmeiner, Februar 2010
TB, 274 Seiten, € 11,90
ISBN: 3839210348
Genre: Krimi
Klappentext
Zeit des Vergessens, Sommer 2009, während der „Landshuter Hochzeit“. Als die 82-jährige Irma Schwand die niederschmetternde Diagnose Alzheimer erhält, beauftragt sie die Münchner Ghostwriterin Kea Laverde, ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Die Autobiografie ist für ihre Enkelin Julika bestimmt. Doch kurz nach dem letzten Interview mit Irma wird das Mädchen ermordet aufgefunden. Während der Kokon des Vergessens sich immer enger um die alte Dame schließt, entdeckt Kea, das Irma jahrzehntelang einen Mord gedeckt hat – eine Tat, die in den letzten Wochen des 2. Weltkriegs geschah...
Die Autorin
Friederike Schmöe wurde 1967 in Coburg geboren. Heute lebt sie in Bamberg. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ist die habilitierte Germanistin als Dozentin an den Universitäten in Bamberg und Saarbrücken beschäftigt. Mit Katinka Palfy, der kultigen Heldin ihrer ersten acht Romane, hat sie sich in der Krimiserie längst einen Namen gemacht: „Bisduvergisst“ ist nach „Schweigfeinstill“ und „Fliehganzleis“ der dritte Band ihrer neuen Krimiserie um die Münchner Ghostwriterin Kea Laverde.
Rezension
Ghostwriterin Kea Laverde hat einen neuen Auftrag. Bei Irma Schwand wird Alzheimer diagnostiziert und da sie nicht weiß, wie schnell die Krankheit sich ausbreitet und sie alles vergisst, will sie ihre Lebensgeschichte ihrer Enkelin Julika hinterlassen. Denn da gibt es etwas, was sie sich unbedingt noch von der Seele reden muss. Sie hat Schuld auf sich geladen, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, als der Führer schon tot war und alles auf die Amerikaner gewartet hat. Ihre Enkelin, die wird das verstehen und ihr verzeihen. Nur leider wird ihre Enkelin tot aufgefunden, ertrunken in einer Pfütze, wie es erst aussieht. Schnell wird aber klar, dass sie ermordet wurde, denn vorher wurde ihr noch das Genick gebrochen. Wird Irma überhaupt noch verstehen, dass Julika nicht mehr da ist?
Bei Julika wird eine CD mit einem brisanten, da verbotenen Programm gefunden. War sie etwa in kriminelle Machenschaften verstrickt? Keas Lebensgefährte, Nero Keller, Hauptkommissar beim LKA München, spezialisiert auf Internetkriminalität, wird in den Fall in Landshut mit einbezogen. Dort wird gerade die Landshuter Hochzeit gefeiert, ein mehrtägiges historisches Spektakel, an dem fast die ganze Stadt teilnimmt. Für Landshuter ist es eine Ehre, zu Hochzeitern, Spielmännern oder Begleiter ausgewählt zu werden, eine Kommission, der auch Irma Schwand lange Jahre angehörte, prüft Bewerbungen und wählt nach strengen Regularien aus. Bei dem Festumzug, dem Höhepunkt des Ereignisses, ist ganz Landshut auf den Beinen. Auch Julika wollte daran teilnehmen, sie ist gerade erst aus Amerika, wo sie aufgewachsen ist, hierhin übergesiedelt. Ihre Mutter, Irmas Tochter, und ihre Schwester leben immer noch dort. Sie zieht nichts in Irmas Heimat zurück, Elizabeth hat zwar mit ihrer Mutter noch einige Jahre in Deutschland gelebt, sich aber nie sehr wohl gefühlt. Ob irgendjemand etwas dagegen hat, dass Julika erfährt, was ihrer Großmutter passiert ist, als Deutschland im Untergang war?
Kea und Nero ermitteln zwar aus unterschiedlichen Gründen und Wegen, aber immer mehr kristallisiert sich heraus, dass ihre Projekte miteinander verknüpft sind. Irma hatte wohl tatsächlich etwas zu verbergen, denn Kea wird angegriffen und eingeschüchtert, damit sie Irma nicht mehr zuhört. Ein Landshuter Journalist, der aussieht wie Gary Grant, verbündet sich mit Kea, denn auch er hat Interesse an Irmas Lebensbeichte. Er möchte ein Buch mit Aussagen von Zeitzeugen schreiben, die bei Kriegsende noch Jugendliche waren. Ihre Erlebnisse und Berichte sollen nicht in Vergessenheit geraten, aber er stösst immer wieder auf Widerstand, die Menschen wollen lieber vergessen und verdrängen. Nero sieht die beiden zusammen und kann seiner Eifersucht kaum Herr werden, sie beeinträchtigt sogar seine Arbeit. Kea hat ein Problem mit Nähe und Beziehung, sie hat es lieber lockerer und will keine Arbeit in eine Beziehung stecken, unvorstellbar für sie, mit jemandem zusammen zu leben. Natürlich ist auch Nero nicht unproblematisch, Müßiggang ist ihm fremd und ihm fehlt das Verständnis für Keas Schreibtätigkeit. Während dieses Falles machen beide eine Entwicklung durch und lernen zu erkennen, was für sie selber wichtig genug ist, um vielleicht doch mal über ihre bisherigen Unverständnisse nachzudenken und den anderen besser zu verstehen.
Das Buch liest sich leider nicht sehr flüssig, Friederike Schmöe wechselt ständig die Perspektive und so findet man sich oft unverhofft im Bombenhagel wieder, obwohl man doch grade erst der CD auf der Spur war. Die Zeitsprünge sind schon interessant, es sind Irmas Erlebnisse, die wir hautnah miterleben. Aber nicht nur die ständigen Perspektivwechsel sind zu plötzlich, die Autorin greift auch viele Handlungsfäden auf und lässt sie am Ende einfach im Wind wehen. Es fehlen Auflösungen und Ausgänge von Ereignissen, auf die das ganze Buch eigentlich hingearbeitet hat. Sie überlässt zum Schluß vieles dem Leser, zu viel, es ist unbefriedigend, die Antworten selbst zu suchen, sofern sie überhaupt zu finden sind. Die Themen an sich sind sehr interessant, Alzheimer, die alte Schuld, Phishing und Details über die Landshuter Hochzeit, es waren aber eindeutig zu viele Handlungsstränge, die nicht zu einem vernünftigen Ende finden. Einzig die Details über das Spektakel der Hochzeit sind sehr ausführlich und wecken Interesse. Das Buch ist Teil einer Reihe um Kea Laverde, man kann es aber problemlos ohne vorherige Kenntnisse lesen. Das Cover ist wieder einmal hervorragend ausgewählt, die im Licht schimmernde Pfütze ist ein wichtiges Detail in der Geschichte und löst einen gewissen Schauder beim Leser aus.
Fazit
Viel Interessantes angefangen aber nicht genügend zu Ende gedacht. Ereignisse werden nicht erfolgreich zum Abschluss geführt, so bleiben beim Leser einige Fragezeichen im Gesicht zurück. Obwohl das Thema Alzheimer und der Umgang betreffender Personen damit Interesse weckt, die Ausflüge in den Krieg, die Angst der beiden Mädchen den Leser geradezu aus dem Buch anspringt, so sind es doch die vielen unnötigen Handlungsstränge, die nicht zu der Geschichte passen und unerledigt zurückbleiben. Besonders Keas Probleme mit Beziehungen sind nicht nachvollziehbar, manches ist anfangs schwer verständlich. Trotzdem ist es immer noch ein spannender Fall und die Lösung überraschend.
Pro und Contra
+ Umgang mit Alzheimer
+ Landshuter Hochzeit
+ stimmige Atmosphäre
+ Ereignisse aus dem 2. Weltkrieg
- unaufgelöste Handlungsstränge
- manchmal etwas langatmig
- Keas und Neros Beziehungsprobleme
Wertung:
Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2/5