Das Gebeinhaus (P.J. Parrish)

Verlag: Knaur, September 2009
Originaltitel: A thousand Bones
übersetzt von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
TB, 576 Seiten, € 8,95
ISBN: 978-3426501078

Genre: Thriller


Klappentext

Die junge Polizistin Joe Frye muss in ihrem neuen Job gleich hart ran. In der Kleinstadt Echo Bay im Norden Michigans verschwindet ein Mädchen nach dem anderen. Als im Wald menschliche Knochen zusammen mit geheimnisvollen Zeichnungen gefunden werden, scheint sicher, dass ein von indianischen Mythen besessener Serienmörder sein Unwesen treibt. In der kleinen Gemeinde macht sich Hysterie breit, und nicht nur Joe fühlt sich völlig überfordert...


Die Autorin

Hinter dem Autorennamen P.J. Parrish verbergen sich die Schwestern Kelly Nichols und Kris Montee, geboren in Detroit, Michigan. Schon als Kinder schrieben die beiden Geschichten. Nach beruflichen Situationen als Lehrerin bzw. Journalistin beschlossen die Schwestern, ihr Glück mit der Schriftstellerei zu versuchen. Mit Erfolg. Inzwischen sind ihre Romane, die für den Edgar, den Shamus und den Anthony Award nominiert wurden, regelmäßig auf den Bestsellerlisten vertreten.


Rezension

Joe Frye ist eine junge, aufstrebende Polizistin in den 70er Jahren. Damals war es noch lange nicht selbstverständlich, Frauen in der Truppe zu beschäftigen. Auch Joe hatte eigentlich nie mit dem Gedanken gespielt, bevor ihr jetziger Captain sie an der Uni angesprochen und ihr eine Stelle in seiner Dienststelle angeboten hat. Jetzt muss sie sich unter all den anderen Männern beweisen, die sie weder für voll noch für gleichberechtigt nehmen. Deshalb weist man ihr auch gerne mal Tätigkeiten wie Kaffee kochen, Protokoll schreiben und Beweismittel katalogisieren zu. Genau da ist sie aber bestens eingesetzt, denn es gelingt ihr mit unvoreingenommenen Blick Wichtiges zu erkennen, was von ihren Kollegen als Unwichtig eingestuft wird.

In einem Wäldchen wird ein Knochen gefunden, der eindeutig als weiblicher Beckenknochen identifiziert wird. Julian Mack, Joes Kollege und verantwortlich für den Fall, ist überzeugt, dass der Knochen zu der vermissten 16-jährigen Annabell gehört. Kurz darauf finden sich noch weitere Knochen, sowie ein Bettelarmband und eine Brille. Obwohl Annabell weder Armband noch Brille gehören, ist Mack von seiner These überzeugt. Nur Joe ist davon überzeugt, dass die Gegenstände zu weiteren vermissten Mädchen gehören und nicht als Abfall im Wald deponiert wurden. Sie beginnt, eigene Ermittlungen aufzunehmen, sehr zum Unmut ihrer Kollegen. Schon bald stößt sie auf ernste Hinweise, die auch ihre Kollegen nicht mehr ignorieren können. Unterstützt wird sie dabei von Sergeant Raffsky vom FBI, der sie auch als Mann beeindruckt. In ihrer Beziehung mit Brad, einem Tierarzt, kriselt es, wegen ihrer Arbeitszeiten sehen sie sich nur sehr selten und Brad fühlt sich in dieser kalten Gegend einfach nicht wohl. Bald schon überschlagen sich die Ereignisse und Joe und ihre Kollegen geraten in Lebensgefahr, denn sie haben es tatsächlich mit einem skrupellosen Serienmörder zu tun.

Die ganze Geschichte wirkt etwas langatmig und künstlich aufgebauscht durch die Wendigo Geschichte. Ein Wendigo kommt in den kalten Winternächten, er ernährt sich von Menschenfleisch. Ein bisschen indianischer Mythos, ein paar seltsame Zeichnungen und schon wird eine Verbindung und der Zusammenhang hergestellt. Natürlich nur von Joe, denn das ist eindeutig Weiberkram. Erst als bei den Zeichnungen an den Bäumen auch weiter Knochen gefunden werden, wird auch den letzten männlichen Kollegen klar, dass es doch eine Bedeutung hat. Immer wieder gibt es kurze Kapitel aus der Sicht des Mörders, in denen wir erfahren, dass er eine grausame Kindheit mit einem prügelnden Vater hatte und seine Mutter ihm indianische Märchen vorgelesen hat. Schon nach der Hälfte des Buches wird der Mörder verraten und der Rest handelt nur noch von der Jagd nach ihm.

Interessant ist natürlich die Tatsache, wie es vor fast vierzig Jahren noch bei der Polizei zuging. Computer und DNS waren Zukunftsmusik, Vermisstenphotos wurden mit der Post geschickt und säuberlich in Ordnern abgeheftet. Es gab keine Handys und Digitalkameras, die Arbeit war wesentlich mühsamer als heutzutage. Der Kampf um Anerkennung begleitet Joe täglich und die Überheblichkeit anderer Männer ihr gegenüber ist schon fast grenzenlos - wobei sich das bis heute auch noch nicht wirklich überall geändert hat. Sie und ihre Kollegen wirken merkwürdig abgestumpft, was die Autoren auch unterstützen, indem sie sie eine Vergewaltigung als zum Job gehörig anzunehmen zwingen. Auch das Ende ist merkwürdig, es ist teilweise unmenschlich und nicht passend, auch nicht für die damaligen Verhältnisse. Joe ist ein schwieriger Charakter, relativ emotionslos in ihrem Privatleben, verbissen im Berufsleben. Das Ende und die Auflösung sind viel zu lang gezogen, die ganze Geschichte erinnert stark an ein Drehbuch. Der Originaltitel, seine Bedeutung klärt sich in den letzten Sätzen, hätte auch viel besser gepasst als der deutsche Titel, der fast gar nichts mit der Geschichte zu tun hat.


Fazit

Die Polizeiarbeit in den 70er Jahren ist das eigentliche, wirklich spannende Thema in diesem Thriller. Die Jagd nach dem Mörder und seinem Motiv, die Knochenfunde und die Schwierigkeiten, sie zuzuordnen wirken schon fast nebensächlich. Die Geschichte wird unnötig aufgebauscht und in die Länge gezogen, das Ende ist merkwürdig und unpassend.


Pro und Contra

+ nostalgische Polizeiarbeit
+ fesselnder Schreibstil
+ überraschende Wendungen

- stellenweise langatmig
- Charaktere relativ emotionslos und abgestumpft
- eindimensionales Denken
- unnötiges Aufbauschen durch das Indianermotiv

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5