Die fantastischen 6 (Hrsg. Charlotte Kerner)

Beltz & Gelberg (1. Auflage, Februar 2010)
Hardcover mit Schutzumschlag
304 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-407-81070-0

Thema: Autoren-Biographien


Klappentext

Die sechs Großmeister von Horror, Fantasy und Science-Fiction und ihre faszinierenden Lebensgeschichten sind ein spannender Einstieg in das Universum der fantastischen Literatur: Frankenstein, Dracula, Der Herr der Ringe, Solaris, Blade Runner, Es …


Rezension

Herausgeberin und Autorin Charlotte Kerner hat mit „Die fantastischen 6“ eine bemerkenswerte Sammlung von Biographien phantastischer Autoren geschaffen. Die Lebensgeschichten sind eng mit der Inhaltswiedergabe und Interpretation des jeweils bekanntesten Werkes verwoben. Der Leser begleitet „die fantastischen 6“ durch ihre Schulzeit, erlebt dabei beispielsweise Stephen King als Außenseiter, und bekommt das Gefühl, bei der Entstehung der bedeutenden literarischen Werke wie „Dracula“ oder „Solaris“ hautnah dabei zu sein. Dabei wird es an keiner Stelle zu viel, im Gegenteil. Vieles wird nur angerissen – für einen ersten, bleibenden Eindruck ist auch nicht mehr nötig. Wer sich über einen Autor genauestens informieren will, wird eher die großen Biographien lesen. In diesem Buch geht es vornehmlich um die Werke an sich, welche Umstände im Leben des Autors die Entstehung maßgeblich beeinflusst haben und wie die Autoren schließlich selbst zu ihren Werken standen.

Wer sich bisher wenig mit Phantastik beschäftigt hat, der wird nach Lektüre dieser Biographien vor Interesse brennen. Zwar wird relativ viel Inhalt aufgedeckt, aber nie so viel, dass man das Gefühl hat, sich die Lektüre des betreffenden Werkes schenken zu können. Im Gegenteil. Auch eingefleischte Fans phantastischer Literatur können hier in kleinen Happen etwas von ihren Lieblingsautoren erfahren. Nicht jeder ist der Typ dafür, sich hunderte Seiten biographischer Texte durchzulesen. Hier erhält man die Möglichkeit, das Leben der „fantastischen 6“ komprimiert und auf den Punkt gebracht serviert zu bekommen. Gekonnt werden Zusammengänge zwischen Ereignissen und Inhalt der großen Romane aufgezeigt, sodass der Stil des jeweiligen Autors für den Leser greifbarer wird. Die sexuelle Energie in Dracula wird umso verständlicher, wenn man auf Bram Stokers Schwärmerei für sein großes Idol Henry Irving blickt. Schockierend dagegen ist das Geständnis Stephen Kings, dass er sich nicht an das Schreiben von „Shining“ erinnere - er sei zu betrunken und zugekokst gewesen. Auch Philip K. Dick hatte mit Drogen zu kämpfen, verspielte so sogar seine Freundschaft zu Stanislaw Lem, der in ihm einen der wenigen, wahren Science-Fiction Autoren Amerikas sah. Und genau hier liegt unter anderem die Faszination an „die fantastischen 6“ – es ist schon seltsam, dass sich die großen Autoren der letzten beiden Jahrhunderte kannten und / oder den anderen gerne lasen. Darüber hinaus erhält der Leser Einblicke in das Auenland der Kindheit von J. R. R. Tolkien oder lernt Mary Shelleys „abscheulichen Nachkommen“ kennen. Beinahe „nebenbei“ wird dem Leser zusätzlich ein wenig Zeitgeschichte vermittelt: von den moralischen Grundsätzen des 19. Jahrhunderts über die Nachkriegszeit bis ins 21. Jahrhundert.

Die Auswahl der vorgestellten Autoren ist durchaus gut, aber wenn „die fantastischen 6“ eigentlich viel mehr sind. Auch ein Lewis Caroll mit „Alice im Wunderland“ oder auch H. G. Wells mit „Krieg der Welten“ könnte hier dazugehören. Letztlich muss man sich in so einem Sekundärwerk beschränken und mit den hier vertreten Autoren sind zumindest die wirklich wichtigen Namen dabei. Der Schwerpunkt liegt dabei beim Horror, vielleicht hätte man hier doch noch einen Fantasyvertreter hinzunehmen können. Aber im Prinzip ist es so, wie es ist, gut – vielleicht wäre aber auch ein zweiter Band dieser Art möglich. Wünschenswert wäre er auf jeden Fall. Denn die biographische Aufarbeitung bedeutender phantastischer Werke ist und bleibt unheimlich interessant. Nur reinlesen ist fast unmöglich – hat man einmal mit einem Autoren begonnen, saugt man die Informationen bis zum Ende regelrecht auf. Und selbst wenn biographische Details schon zuvor bekannt waren, so ermöglicht die Nähe zu den großen Werken mit allen Zitaten und Interpretationsansätzen einen neuen Blick auf die Romane.

Bei einem solchen Sekundärwerk hat Beltz & Gelberg gut daran getan, es als Hardcover zu veröffentlichen. Durch die Informationsdichte lädt es geradezu dazu ein, es immer mal wieder aus dem Regal zu ziehen und nachzulesen, wie das Leben das Schaffen eines Autors beeinflusst hat. Lediglich über die Farbwahl des Hardcovers an für sich kann man schmunzeln. Das Mintgrün wirkt doch etwas seltsam und macht sich ohne den gelungenen Schutzumschlag nicht besonders gut. Preislich bewegt sich das Buch im Rahmen – da es eigentlich auch für Jugendliche gedacht ist, hätte man es vielleicht günstiger gestalten könnten. Wobei der Inhalt für zu junge Leser wohl nicht uneingeschränkt geeignet ist. Vieles erschließt sich einem doch erst, wenn man selbst eine gute Portion Lebenserfahrung zur Lektüre mitbringt.


Fazit

„Die fantastischen 6“ ist ein faszinierendes Sekundärwerk über sechs der bedeutendsten Phantastikautoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Ihre großen Romane werden im Licht ihrer Lebenserfahrungen für den Leser regelrecht greifbar - ohne, dass man das Gefühl hat, eine Interpretation aufgezwungen zu bekommen. Dieses Buch ist unheimlich interessant und schürt seinerseits Interesse – so wie es sein sollte.


Pro & Contra

+sehr interessante Darstellung
+ alles in allem gute Auswahl
+ Verbindung von Biographie und Werk
+ zeitgenössische Aspekte

o eher für (auch junge) Erwachsene

Wertung:

Aktualität: 4/5
Verständlichkeit: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Kurzgeschichten